19. Juli 2012 | Nationalmannschaft | von Gerald Frank / Sporthilfe

Stephan Riemekasten: „Ich will der Allerbeste sein, wie keiner vor mir war!“

Mit dem 19-jährigen Ruderer Stephan Riemekasten geht im wahrsten Sinne des Wortes die Musik ab. Wenn er ins Boot steigt, hört er ein Lied, das mit den Worten beginnt, „Ich will der Allerbeste sein, wie keiner vor mir war!“ und trommelt „meist einen Beat im Boot direkt, bevor es losgeht“, um die Aufregung vor dem Start zu bekämpfen. Neben dem Rudern ist die Musik die große Leidenschaft des Nachwuchs-Elitesportlers der Sporthilfe, der 2010 mit seiner Band „Dead Runnin‘ Rabbits“ als beste Schülerband Berlins ausgezeichnet wurde.

Die letzten elf Monate vergingen im Zeitraffer: August 2011 Junioren-Weltmeister im Einer, wenig später Wahl unter die Top-Ten beim Sporthilfe-Nachwuchswettbewerb „Juniorsportler des Jahres“. Im Winter Führerschein, im Frühjahr Abitur. Im Juli 2012 nun die Silbermedaille im Doppelzweier bei seiner ersten U23-Weltmeisterschaft. „Diese Leistung macht mir unheimlich Mut und motiviert mich sehr. Es ist ein super Zeichen für die Zukunft, weil ich damit den Anschluss im Männerbereich geschafft habe“.

Die Olympischen Spiele in London wird Stephan Riemekasten in diesem Jahr noch aus der Ferne verfolgen, doch mit seinem zweiten Platz konnte der Berliner bereits jetzt einen ersten wichtigen Meilenstein auf dem Weg nach Rio 2016 legen.

Du hast neben dem Leistungssport noch eine große Leidenschaft.

Musik! Ich spiele täglich Klavier und Geige, ab und an mal Schlagzeug. Geigenunterricht habe ich seit ich acht bin und Schlagzeugunterricht seit dem sechzehnten Lebensjahr. Für zusätzlichen Klavierunterricht bleibt keine Zeit. Ich suche mir immer Noten aus dem Internet und spiele sie dann so lange bis ich es kann. Musik begleitet mich auch im Sport. Ich höre immer Musik vorm Wettkampf. Meist dieselben Lieder, zum Beispiel eines das mit den Worten beginnt: "Ich will der Allerbeste sein, wie keiner vor mir war!". Ansonsten bin ich vor den Rennen meist total aufregt. Ich denke meist kaum an Beruhigung und trommle oft noch einen Beat im Boot direkt, bevor es losgeht. Das pusht mich dann mit der ganzen Startatmosphäre. Und dann geht's einfach los.

Wärst Du da nicht prädestiniert für ein Musikstudium?

Ich habe ja eigentlich schon länger Musik gemacht, als Sport. Ich denke, dass sich beides super ergänzt hat, da gerade für Rudern viel Gefühl fürs Boot und Rhythmus wichtig ist. Musik mache ich meistens abends. Mittwochs ging es immer direkt vom Training mit dem Rad zur Bandprobe. Da unsere Band ziemlich erfolgreich war, hatte ich immer mehr Fans bei der Band als beim Rudern. Als beste Schülerband Berlins haben wir schon vor bis zu 1000 Leuten an zwei Abenden gespielt. Dank meiner zweiten Junioren-WM in Eton/London hat Rudern wieder stark aufgeholt: Es waren 6000 Menschen an der Regattastrecke. Leistungssport und ein Musikstudium vertragen sich nicht. Um Musik zu studieren, muss man sehr, sehr viel Zeit investieren; jeden Tag 4 Stunden und mehr üben. Ich mache lieber Musik, wie es mir Spaß macht und trainiere so viel für den Sport, bis es manchmal keinen Spaß mehr macht. So ist der Ausgleich perfekt.

Welche Bedeutung hat die Musik als Ausgleich zum Leistungssport?

Eine enorme. Sie hat mir Lockerheit und Selbstvertrauen gegeben. Durch sie musste der Sport nie alles für mich sein. Das hat mir oft den Druck genommen, gerade weil ich enorm ehrgeizig bin und gar nicht gerne verliere.

Wenn schon kein Musikstudium ansteht, wohin führt denn der berufliche Weg?

Jetzt würde ich liebend gerne Medizin studieren, denn ich möchte unbedingt Arzt werden. Seit meinem Praktikum im Krankenhaus ist mir dies hundertprozentig klar. Ich habe jetzt gerade mein Abi gemacht. Dank der Unterstützung durch die Laufbahnberatung am Olympiastützpunkt Berlin war mein Antrag auf Nachteilsausgleich erfolgreich, so dass mein Notendurchschnitt von 1,9 auf 1,7 verbessert wurde. Ohne Sport hätte ich den Numerus Clausus für Medizin wahrscheinlich geschafft. Nun ist es leider nicht sicher, ob ich sofort einen Studienplatz bekomme. Letztes Jahr kam der Sprung von den Junioren in den Seniorenbereich. Das Training, um den Anschluss zu schaffen, hat mich viel Zeit gekostet, in der ich nicht lernen konnte. Dazu die Fehltage durch die Trainingslager. Für seinen Sport opfert man schon eine Menge.

Kannst Du denn dann Anderen empfehlen, Spitzensport zu treiben?

Durch den Leistungssport erwirbt man so viele Qualitäten wie Durchhaltewillen, Ehrgeiz und Zielstrebigkeit, dass es einem im Leben doch weiterhelfen muss. Ich glaube, ich habe schon sehr viel von meinen Erfahrungen im Leistungssport profitiert. Allein, den inneren Schweinehund jeden Tag aufs Neue zu besiegen und einfach nach der Schule direkt zum Training zu fahren, um jede Zeit zu nutzen. Beim Abi haben Schule und Leistungssport natürlich viel Stress gebracht, aber ich hoffe, dass es auch beim Studium letztlich so gut läuft. Ich fasse das alles mal mit "Es lohnt sich!" zusammen.

Wie schwer war es, Lernen für die Abi-Prüfungen, die Musik und den Leistungssport unter einen Hut zu bringen?

Es war immer ein harter Kampf gegen den 24-Stunden-Tag. Ohne viel Verständnis meiner Mitmenschen hätte ich das oft nicht gepackt. Einmal ließ mich mein Trainer bei einer weniger wichtigen Regatta in Köln samstagabends nach Berlin fliegen, wo ich ein Doppelkonzert mit der Band hatte. Die Einnahmen reichten gerade so für die Tickets. Am Sonntag ging es um 5 Uhr zurück nach Köln, wo ich noch Rennen zu fahren hatte. Aber keine Sorge, ich hab sie gewonnen. Doch genau aus diesem Grund mache ich gerade mit der Band eine Pause. So was möchte ich meinen Mitmenschen nicht mehr antun.

Was fällt Dir zur Sporthilfe ein?

Ich fand es einfach super, als ich in die Sporthilfe Förderung aufgenommen wurde. Ich fühlte mich wichtig und beachtet und hatte plötzlich ein kleines Gehalt, das natürlich vornehmlich für den Sport drauf ging. Außergewöhnlich war dann der "Juniorsportler des Jahres", wo ich unter die Top-Ten-Juniorsportler 2011 gewählt wurde. Eine große Ehre! Gerade wenn man sich anschaut, wer da schon Preisträger war. Toll, die anderen Juniorsportler kennen zu lernen. Leute, die die gleichen Träume haben, die genauso viel kämpfen und einfach den Sportsgeist tragen. Es war ungemein motivierend. Die Juniorsportler-Pyramide wird auf ewig einen Ehrenplatz in meinen vier Wänden haben.

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