04. Juni 2008 | Nationalmannschaft | von Dr. Sebastian Schulte

Stellungnahme der Athleten um Dr. Schulte zur neuen Achterbesetzung

Zur heutigen Entscheidung zur Achter-Besetzung haben die weitgehend nicht berücksichtigten Athleten folgende Stellungnahme verfasst:

Heute hat der Deutsche Ruderverband (DRV) auf das bislang schwache Auftreten des Deutschlandachters reagiert und für das Weltcup-Finale in Posen eine neue Mannschaft formiert. Der neue Achter soll aus dem Weltcup-Siebten im Vierer ohne Stm. (Flach, Mennigen, Penkner, Wilke), dem Weltcup-Zehnten im Zweier ohne Stm. (Eichner, Naruhn) sowie dem WM-Neunten im Zweier ohne Stm. (Urban) und dem U23-Weltmeister im Vierer ohne Stm. (Schmidt) gebildet werden.

Die bisherige Crew des Achters, die bei den Weltmeisterschaften in Eton 2006 den ersten Titel seit 11 Jahren gewonnen hat und diese Leistung mit  WM-Silber im Jahr 2007 bestätigt hat, spielt in den Überlegungen des Verbandes für die Olympischen Spiele in Peking keine Rolle mehr. Der DRV verabschiedet sich explizit von der angestrebten Medaille im Achter und setzt, vor dem wichtigsten Wettkampf des Olympiasyklus, lieber auf einen Neuaufbau mit jungen, unerfahrenen Athleten. Die Ablösung des langjährigen Erfolgstrainers Dieter Grahn (18 WM-Medaillen und 4 Olympiasiege als Trainer und als Sportler) durch den bisherigen Assistenten Christian Viedt (eine WM-Medaille) bestätigt dieses Bild.

Die bisherige Crew stimmt mit dem DRV überein, dass die bisher in dieser Saison gezeigten Leistungen des Deutschlandachters nicht überzeugend waren und begrüßt es ausdrücklich, dass jungen Athleten, die bei dem Kleinboottest im April mit guten Leistungen auf sich aufmerksam gemacht haben, eine Chance im Achter eingeräumt bekommen.

Gleichzeitig zeigt der bisherige Saisonverlauf eine bislang nicht dagewesene Inkonsistenz bei der Besetzung des Achters. Aufgrund verbandsinterner Widerstände konnte der Bundestrainer Dieter Grahn bereits zum ersten Weltcup in München nicht seine Wunschformation an den Start bringen. Beim zweiten Weltcup in Luzern stellte sich dann heraus, dass die guten Trainingsergebnisse des dort gestarteten Achters (ohne Siemes/Tebrügge) sich nicht in den Wettkampfschlag übertragen lassen konnten.

Die mannschaftsinterne Analyse hat anschließend ergeben, dass eine große Chance darin liegt, in der Weltmeister-Besetzung des Jahres 2006 an den Start zu gehen. Die Entwicklung im Jahr 2006 war vergleichbar mit dem bisherigen Saisonverlauf in diesem Jahr. Nach einer Auftaktniederlage in Henley konnte das Weltcup-Finale gewonnen werden und die Saison wurde abschließend mit dem Gewinn des WM-Titels in der schnellsten erruderten Zeit des gesamten bisherigen Olympiazyklus gekrönt.

Im Rudersport werden die Meister im Winter gemacht. Während andere Olympia-Aspiranten im Winter versucht haben, sich in Zweiern optimal auf den Kleinboottest vorzubereiten (teilweise abseits des Trainingszentrums in Dortmund), hat die 2006er Crew im Winter unzählige Kilometer gemeinsam im Achter trainiert, um einen Grundstein für die angestrebte Medaille bei den Olympischen Spielen in Peking zu legen. 

Die Mannschaft will nun nach endlosen verbandsinternen Querelen der letzten Wochen endlich in der bewährten Form auftreten, um die bekannten Stärken auszuspielen. Daher hat die Mannschaft der Verbandsführung vorgeschlagen, den zweiten deutschen Startplatz beim Weltcupfinale in Posen zu nutzen, um einen fairen Leistungsvergleich zwischen der “neuen” und der “erfahrenen” Mannschaft  herzustellen. Nach Meinung der Crew und vieler Experten besteht in diesem Ansatz die einzige Chance, dass die deutsche Öffentlichkeit in Peking einen starken Deutschlandachter erleben kann.

Unterstützung erhält die 2006er Mannschaft insbesondere von Dr. Roland Baar, dem 5-fachen Weltmeister und erfolgreichsten Achter-Schlagmann der Welt, der zum jetzigen Zeitpunkt explizit fordert, einen direkten Vergleich der beiden Mannschaften in Posen stattfinden zu lassen:

“So kurz vor Olympia werden weitere Kompromisslösungen nicht den gewünschten Erfolg in Peking bringen Die alte Crew ist über Jahre gewachsen, kann sich aufeinander verlassen und hat bewiesen, dass sie bei Saisonhöhepunkten ihr volles Potential abrufen kann. Eine junge Mannschaft hat natürlich auch Potential, aber es wäre viel zu unsicher, sich nur darauf zu verlassen.

Wenn der DRV dem Weltmeister vom 2006 wirklich keinen Startplatz beim Weltcup einräumen würde, vergibt der Verband  eine große Chance und darf sich in Peking nicht beschweren, wenn der Erfolg ausbleibt.”

Der Mannschaft gegenüber haben sowohl der neue Vorsitzende Siegfried Kaidel als auch der stark in die Kritik geratene Sportdirektor Michael Müller genau diesen Startplatz verweigert. Dazu Philipp Stüer, zweifacher Weltmeister und Weltrekordhalter

“Eine solche Vorgehensweise ist für uns nicht nachvollziehbar. Der Verband hat die einmalige Chance, in Peking die erste Olympiamedaille im Achter seit 1996 zu gewinnen, aber scheut offenbar den sportlichen Vergleich. Wenn schon nationale Konkurrenz zu viel Druck für eine Mannschaft darstellen sollte, will ich nicht wissen, wie man in einem Olympiafinale reagiert, wenn neben einem die starken Boote aus Kanada und den USA liegen.”

Der Weltmeister-Achter von 2006 fordert den Deutschen Ruderverband eindringlichst auf, in sportlich fairer Weise dem Wettkampfwillen seiner erfolgreichen Athleten nicht aus dem Weg zu gehen. Dies kann nur mit dem Start von zwei Achtern in Posen geschehen. Die Zeit dafuer läuft jedoch davon, da am Montag, den 9. Juni die Meldungen beim Weltruderverband abgegeben werden sein müssen.

Für Rückfragen wenden Sie sich bitte direkt an die Athleten:

  • Bernd Heidicker (Schlagmann), Tel. 0170/9690616
  • Dr. Sebastian Schulte (Athletensprecher), Tel. 0170/9690620
  • Philipp Stüer, Tel. 0170/5401775
  • Thorsten Engelmann, Tel. 0170/9690625
  • Jan Tebrügge, Tel. 0176/23454532
  • Ulf Siemes, Tel 0170/9690648
  • Stephan Koltzk, Tel. 0163/6558288
  • Jörg Dießner, Tel. 0176/60896058

sowie an

  • Dr. Roland Baar, Tel.: 0151/55005122