13. Febr. 2014 | Nationalmannschaft | von Deutschland-Achter GmbH

Sebastian Schmidt zum Karriereende: "Ich werde die Freiheiten genießen"

Er wurde zweimal Weltmeister und einmal Europameister mit dem Deutschland-Achter, überquerte mit dem Flaggschiff des deutschen Rudersports vielfach bei Weltcups als Sieger die Ziellinie, gewann bei der Traditions-Regatta in Henley und nahm zweimal an den Olympischen Spielen teil. Der frühere Achter-Schlagmann Sebastian Schmidt ist einer derjenigen, welche die Siegesserie im Deutschland-Achter von 2009 bis 2012 mitgeprägt haben. Es folgte ein Jahr Pause nach London 2012, dann hat er schließlich im Herbst vergangenen Jahres den Entschluss gefasst, seine erfolgreiche Karriere endgültig zu beenden und sich voll auf den Abschluss seiner Berufsausbildung zum Arzt zu konzentrieren. Im Interview blickt der 29-Jährige zurück auf sein Ruder- und voraus auf sein Berufsleben.

Sebastian, wobei störe ich dich gerade?

Sebastian Schmidt: Momentan lerne ich für das Examen in meinem Medizinstudium an der Ruhr-Universität Bochum. Die Prüfungen stehen Anfang April an. Kurz nach Weihnachten habe ich mit dem tagtäglichen Lernen begonnen. Morgens besuche ich einen Repetitorium-Kurs, nachmittags lerne ich. So ist jeder Tag bis April voll verplant, auch die Tage an den Wochenenden.

Das kennst Du ja nicht anders aus Deiner Zeit als Leistungsruderer...

Sebastian Schmidt: ...ja genau. Und als Arzt wird es für mich später mit den Diensten im Krankenhaus auch nicht anders sein.

Wie kam es zu dem Entschluss jetzt aufzuhören?

Sebastian Schmidt: Das hat sich durchs Studium ergeben, weil ich jetzt die Möglichkeit habe, mein Examen zu machen. Nach Olympia in London habe ich viel an der Uni aufgeholt, was ich vorher wegen der Olympiavorbereitung aufschieben musste. Es hat jetzt gut gepasst. Und ich muss sagen, dass mir dieser Schritt nicht so schwer fiel. Ich habe zweimal die Olympischen Spiele erlebt. Okay, es kam keine olympische Medaille dabei heraus. Aber ich kann jetzt gut einen Schlussstrich ziehen und mich von der Sportwelt verabschieden.

Bei Facebook hast Du gepostet, dass Du jetzt heilfroh bist, nicht mehr der ständigen Dopingkontrolle ausgesetzt zu sein...

Sebastian Schmidt: Stimmt. Ich wurde ja nach London mehr kontrolliert als vorher, obwohl ich als Kadersportler ein Jahr Pause eingelegt hatte. Und auch letzte Woche hatte ich noch eine Kontrolle, obwohl ich mein Karriereende schon angemeldet hatte. Jetzt aber bin ich endlich aus dem Pool raus. Und auch die Dame von der NADA (Nationale Anti Doping Agentur) hat's mit Humor genommen und mir gesagt, dass ich jetzt meine Freiheit genießen soll. Das tue ich jetzt auch.

Wenn Du auf die vielen Jahre Leistungssport zurückblickst: Was war dein schönster Moment?

Sebastian Schmidt: Sicher gehört das Jahr 2008 dazu, als ich mit Jochen Urban einen tollen Zweier gefahren bin; auch wenn wir am Ende in Peking mit dem Achter eine bittere Erfahrung gemacht haben. Und die folgenden Jahre: Das war ja sportlich die erfolgreichste Zeit, in der ich immer mit in der Weltspitze gefahren bin. Ein großartiges Erlebnis war 2010 der Sieg bei der Henley Royal Regatta.

Welche Strecke hast Du immer sehr gemocht?

Sebastian Schmidt: Ich bin am liebsten in Poznan gefahren. Hier war ich immer am erfolgreichsten, hier herrschte immer eine tolle Atmosphäre und die Stadt ist ja auch sehr schön.

Wo bewahrst Du eigentlich Deine Medaillen auf?

Sebastian Schmidt (lacht): Die schönsten Medaillen - eben die von den Weltmeisterschaften, Weltcups und Henley - liegen in einem Karton in Mainz. Ich hatte sie für eine Ausstellung meines Vereins, dem Mainzer Ruderverein, ausgeliehen. Und jetzt warten sie darauf, dass ich sie abhole. Aber das wird vor Ostern nichts. Danach kommen die Medaillen wieder in ein Regal in meinem Arbeitszimmer.

Abgesehen von Medaillen und Erfolgen: Was hat Dir der Rudersport generell gegeben?

Sebastian Schmidt: Ich habe gelernt, den zeitaufwändigen Sport und das Studium parallel möglichst gut zu managen und mich selbst zu organisieren, mich zusammenzureißen und zielstrebig auf etwas hinzuarbeiten. Davon habe ich profitiert und das nehme ich auch mit. Schließlich wird so eine Herangehensweise ja auch in der Arbeitswelt sehr geschätzt.

Du hast in Deiner Ruderzeit viele Menschen kennengelernt. Wem hast Du am meisten zu verdanken?

Sebastian Schmidt: Da könnte ich in der Tat bei vielen Leuten anfangen. Sei es bei dem Lehrer, der mich in der Zeit des Schulruderns begleitet hat. Viel zu verdanken, habe ich Frank Günder, der mich in der U23-Zeit in Mainz betreut hat und auch danach immer mit Rat und Tat zur Seite stand. Er ist eine der für mich prägendsten Figuren und mittlerweile sind wir richtig gute Freunde.

Wirst Du dem Rudersport auch weiterhin verbunden bleiben?

Sebastian Schmidt: Auf jeden Fall. Ich werde es genießen, den Sport mit der neu gewonnenen Freiheit weiter zu betreiben. Letztes Jahr bin ich ja schon im Bundesliga-Achter von Krefeld, einer ambitionierten Truppe, mitgefahren, was man aber nicht mit dem Leistungssport vorher vergleichen darf. Ich werde sicher bei Regatten zum Zuschauen vorbei kommen und die Kontakte, die ich knüpfen konnte, weiter pflegen. Und wer weiß, wohin es mich später mal verschlagen wird, ein Ruderverein vor Ort wird einer der ersten Anlaufpunkte sein.

Hast Du schon konkrete Pläne, welchen beruflichen Weg Du als Arzt einschlagen willst?

Sebastian Schmidt: Ja, da habe ich mich schon ziemlich festgelegt. Dem Examen schließt sich für ein Jahr eine praktische Ausbildung in drei verschiedenen Kliniken an; und zwar im internistischen Bereich, in der Chirurgie und in meinem Wahlpflichtfach Unfallchirurgie. Letztes ist auch mein Berufswunsch, der mir viel Spaß macht. Da gibt es übrigens eine interessante Parallele: Jochen Urban, mein Zweierpartner von 2008, arbeitet als Unfallchirurg in der Klinik, in der ich auch sein werde. Da werden wir sicher wie im Boot ein gutes Team bilden.