12. Juni 2019 | Panorama | von Simon Suffa

Rudern für alle! - Pionier des Pararuderns Helmut Greß ausgezeichnet

BRV-Präsident Thomas Stamm und BRV-Vizepräsident Johannes Rauh überreichen Helmut Greß die Ehrennadel für Rudertrainer in Gold des DRV und die Verbandsnadel mit Goldzweig des BRV . Foto: B.Müller

Helmut Greß ist ein bemerkenswerter Mensch. Er gehört zu jenen Ruderern, welche die wesentlichen Grundlagen des Pararuderns als Gesundheitssport, wie auch als Leistungssport erarbeitetet haben.

Für seine „hervorragenden internationalen Erfolge in der Heranbildung von Rudermannschaften“ verlieh ihm der Deutsche Ruderverband (DRV) nun im Rahmen des Würzburger Anruderns am 01. Mai 2019 die Ehrennadel für Rudertrainer in Gold. Zugleich ehrte ihn der Bayerische Ruderverband (BRV) „in Würdigung der besonderen Verdienste um den Rudersport in Bayern“ mit der Verleihung seiner höchsten Auszeichnung, der Verbandsnadel mit Goldzweig.

Grundlagenarbeit ab Anfang der 1980er Jahre
Der ausgebildete Förderschullehrer und erfolgreiche Rennruderer Helmut Greß vermutete bereits in den späten 1970er Jahren das breite therapeutische und pädagogische Potenzial des Rudersports für Menschen mit unterschiedlichen körperlichen- und geistigen Behinderungen. Als Lehrer am Zentrum für Körperbehinderte in Würzburg (ZfK) gelang es ihm im Jahre 1980 die Schulleitung für die Gründung einer Schülerneigungsgruppe Rudern unter seiner Leitung zu gewinnen und erste Strukturen für das Pararudern in Würzburg zu schaffen. Da es zu dieser Zeit kaum Erfahrungen auf dem Gebiet des „Behindertenruderns“ gab, leistete Helmut Greß fortan Pionierarbeit, beginnend mit der Erarbeitung geeigneter Ausbildungsformen für Menschen mit unterschiedlichen körperlichen- und geistigen Handicaps, mit der Entwicklung nötiger technischer Modifikationen rund um das Bootsmaterial sowie mit der Anpassung trainingsphysiologischer Methoden an die individuellen Bedürfnisse der Parasportler. Seine frühen Erkenntnisse fasste er in der Facharbeit „Zur Ruderausbildung cerebral-paretisch geschädigter Jugendlicher und die Möglichkeit der Integration in einen Ruderverein“ zusammen. Im Verbandsorgan  „Rudersport“ (Heft 16/1981) veröffentlichte Helmut Greß unter diesem Titel einen ersten Beitrag zum Pararudern. Diverse weitere sollten folgen.

Schnell begeisterten sich immer mehr Schüler des ZfK für den ihnen nun zugänglichen Rudersport. Da zahlreiche ehemalige Schüler auch nach Abschluss ihrer Schulzeit weiter rudern wollten, gründete Helmut Greß Ende der 1980er Jahre in der ehemaligen Würzburger Rudergesellschaft Bayern (WRGB) eine allgemeine, zunächst rein breitensportlich orientierte „Rudergruppe für Sportler mit Behinderungen“. Über diese kamen zunehmend auch Angehörige anderer regionaler Betreuungseinrichtungen zum Rudersport, etwa vom Blindeninstitut Würzburg. Bald organisierte er für seine Pararuderer neben den wöchentlichen Trainingsstunden auch Wanderfahrten und Ruderlager. 

Ab Mitte der 1990er Jahre begann Helmut Greß sein spezifisches Wissen gezielt an andere Sonderschulpädagogen zu vermitteln, die durch ihn zum Rudern fanden. Zeitgleich übernahm er ehrenamtlich das neu geschaffene Amt des Referenten Behindertenrudern im Bayerischen Ruderverband e.V. (BRV), das er bis 2010 begleitete. Als Fachreferent Rudern wirkte er bald auch im Bayerischen Behinderten- und Rehabilitations-Sportverband e.V. (BVS Bayern e.V.).

Helmut Greß: „Folgendes Zitat prägte mich seit Beginn meines Studiums zum Förderschullehrer: „Die Leistung des Schwächeren ist nicht die schwächere Leistung!“. Es entfachte mein Bestreben, Menschen mit Handicap den Rudersport in seinen Facetten zu eröffnen und dabei mitzuhelfen das Pararudern weiterzuentwickeln. Mit ihren heutigen Ehrungen setzen unsere Verbände ein Signal für die gleichwertige Anerkennung des Parasports. Mit großer Freude und Dank nehme ich diese Auszeichnungen stellvertretend für alle Pararuderer und deren Helfer an“.

Pararudern als Wettkampfsport

Ab den späten 1980er Jahren förderte Helmut Greß das Pararudern zunehmend auch als Wettkampfsport. Hierfür organisierte er Wettkampfmöglichkeiten bei regionalen Regatten, wo seine Pararuderer fortan, je nach Einschränkung, in gesonderten Rennen oder außer Konkurrenz in den allgemeinen Rennen starteten.

Als die FISA 1993 im Rahmen der Ruderweltmeisterschaften in Racice (Tschechien) erstmals Demonstrationsläufe im Pararudern austrug, ging für den DRV unter anderem der von Helmut Greß ausgebildete und betreute Athlet Bernd Fromm an den Start. 1996 vertrat Helmut Greß den DRV in Berlin beim ersten Kongress der FISA zur Förderung des Pararuderns, auf dem eine langfristige Perspektive zur Anerkennung als paralympische Sportart erarbeitet wurde. Ab den Ruderweltmeisterschaften 2002 in Sevilla nahm die FISA offizielle Adaptive-Rennen ins Programm auf. Hier sowie bei den Ruderweltmeisterschaften 2003 (Mailand), den Ruderweltmeisterschaften 2007 (München) und bei den Paralympischen Spielen 2008 in Peking gehörten von ihm betreute Athleten zum DRV-Kader und Helmut Greß dem Trainerteam des DRV an. Sein größter Wettkampferfolg als Trainer war der Gewinn der (damals einzigen DRV-) Goldmedaille durch Kathrin Wolff, Marcus Klemp, Michael Sauer, Susanne Lackner und Steuermann Arne Maury im LTAMix4+ bei den Ruderweltmeisterschaften 2007 in München, wobei Helmut Greß das Team gemeinsam mit Uli Schönbach betreute.

Nach den Paralympischen Spielen 2008 in Peking zog sich Helmut Greß als Trainer aus dem Hochleistungssport und von internationalen Wettkämpfen zurück, nicht jedoch vom Pararudern per se.

Auf Anfrage der Egypt Rowing Federation leitete er im noch selben Jahr einen zweiwöchigen Grundlagenlehrgang in Kairo, in dem er Ruderkameraden und Trainern aus ganz Ägypten das Pararudern als Gesundheitssport wie auch als Wettkampfsport näher brachte.

ROW – Rudern für alle!
Bis heute betreut Helmut Greß Gesundheitssportler mit Handicap und bildet diese im Rudern aus. Im Jahre 2015 gründete er gemeinsam mit ehemaligen Spitzensportlern und Ruderbegeisterten die Rudergemeinschaft Olympos Würzburg (ROW) e.V. mit ihren Schwerpunkten Gesundheitsrudern, Inklusion und Integration. Deren progressives, mehrfach ausgezeichnetes Konzept „Rudern für Alle“ hat Helmut Greß mit entwickelt. Als stellvertretender Vorsitzender Inklusion der ROW setzt er sich weiterhin maßgeblich für das Pararudern ein. Jüngste Erfolge sind die Erfüllung eines lang gehegten Wunsches der Würzburger Pararuderer, der Realisation eines Lifters, der stark gehandicapten Parasportlern einen barrierefreien Ein- und Ausstieg in die Ruderboote ermöglicht sowie die Anschaffung eines neuen Kombi-C-Gig4+ für die Pararuderer der ROW. Der Name des neuen Bootes reflektiert eine Grundhaltung, für die auch der Pararuder-Pionier steht „NoLimits!“.