20. Jan. 2017 | Nationalmannschaft | von Deutscher Ruderverband

Ausrichtung des Leistungssport auf 2020

Die Olympische Regatta in Rio de Janeiro mit dem zweiten Platz im Medaillenspiegel für das deutsche Ruderteam liegt nun ein gutes halbes Jahr zurück und der Blick richtet sich bereits auf die neue Olympiaperiode mit dem Höhepunkt der Spiele in Tokio 2020. Es gilt nun, die bisherige Entwicklung zu analysieren und darauf aufbauend Optimierungspotential zu erkennen und zu nutzen, um in der Weltspitze weiterhin bestehen zu können. Hierzu haben Cheftrainer Marcus Schwarzrock und Sportdirektor Mario Woldt ein Konzept erarbeitet, das ausgehend von dem Ist-Stand eine Antwort auf die neuen Herausforderungen darstellt.  

Viel Lob für zweiten Rang im Medaillenspiegel
Der internationale Vergleich zeigt, dass wir im DRV über eine hohe Kompetenz in der Bildung erfolgreicher Großboote verfügen. Immerhin sind 17 Aktive mit Medaillen aus Rio zurückgekehrt. Damit haben wir ein hohes Interesse in den Medien, der Politik und der Verwaltung erreicht. Eine Vielzahl an Vereinen und Landesruderverbänden, die die Aktiven vielfältig unterstützt hatten, konnten diese Ergebnisse erfreulicherweise für die eigene Darstellung nutzen. Der zweite Rang im Medaillenspiegel der Olympischen Spiele wurde nicht zuletzt von den anderen Nationen im Lob und Anerkennung vor Ort quittiert. Das Ergebnis hat einen besonderen Wert, da in diesem Spiegel 21 Nationen gelistet sind. Diese Tabelle ist ein Beleg, dass die vielzitierte Breite in der Spitze existiert und viele mittlere oder kleinere Nationen sich auf einzelne Bootsgattungen konzentrieren. Die Zeiten, in denen die Weltspitze in der Hand einer kleinen Zahl von Verbänden mit besonderem Wissen sowie fachlichen und finanziellen Ressourcen lag, sind lange vorbei! Um in diesem Umfeld weiter erfolgreich sein zu können, ist eine Justierung des Leistungssports nach internationalen Vorbildern erforderlich.

Das vorgelegte Konzept steht auf der Basis trainingsmethodischer und vergleichender Analysen. Es berücksichtigt das Leistungssportpapier des DOSB, das im Dezember 2016 bekanntlich im breiten Konsens von DOSB, der Landessportbünde und der Sportfachverbände verabschiedet worden ist. Die Sportministerkonferenz war eingebunden! Damit sind alle wichtigen Akteure im Boot!

Schwerpunkt liegt auf den Groß- und Mittelbooten
Das Leistungssportkonzept des DRV sieht im Sinne einer Pyramide die enge Einbindung der Vereine und Regionen an der Basis und im Aufbau vor. In der Spitze ist dann die Konzentration mit Blick auf Tokio bei zentraler Führung vorgesehen. Damit wird der internationalen Entwicklung entsprochen. Für einen Sonderweg des DRV gibt es auf der Basis von Daten und Erfahrungen wenig Evidenz. Auf unsere besonderen Strukturen wird im internationalen Wettkampf keine Rücksicht genommen. Die in einigen Debattenbeiträgen immer wieder geforderte Strategie liegt vor und sieht den Schwerpunkt in den Groß- und dann Mittelbooten. Hier haben wir eine große fachliche Expertise, auf die wir aufbauen können. Mit der Einbeziehung erfolgreicher Trainer aus dem Ausland erhalten wir zudem neue Impulse, mit der die spezifisch „deutsche“ Erfahrung angereichert werden kann. 

In der Analyse wird deutlich, dass vergleichbare Nationen ihre Spitzenkräfte zumindest in den Gruppen konzentrieren und langfristig entwickeln. Bereits aus dieser Betrachtung lässt sich ableiten, dass wir mit Blick auf 2020 unsere Athletinnen und Athleten zusammenführen und gemeinsam trainieren lassen müssen. Das vorgestellte Konzept sieht eine solche Konzentration ab Herbst 2018 vor und setzt mit höherer Konsequenz auf die Erfahrungen der Vorbereitung von Rio. 

Die etablierte Zentralisierung in Dortmund wird in der aktuellen Debatte interessanter Weise wenig hinterfragt, bei den Skullerinnen und Skullern hingegen schon. Es liegt auf der Hand, dass vielschichtige Interessen bestehen, wenn über die Verteilung einzelner Bootsgattungen auf Bundesstützpunkte diskutiert wird. Allerdings sind wir in der Gestaltung der Bundesstützpunkte neben den beschrieben fachlichen Überlegungen und regionalen Interessen besonders vom Bundesinnenministerium und dem DOSB abhängig. Wenn in der Debatte sogar der Wettkampf einzelner Stützpunkte oder Zellen favorisiert wird, geht das in der Spitze an der Realität vorbei. Die Vorstellung, wir hätten in diesem Bereich im DRV in einzelnen Bootsgattungen regelmäßig mehrere international Spitzenboote, die bis kurz vor den Zielwettkampf national um die Nominierung rudern, mag einer lokalen Wunschwelt entsprechen. Mit der Entwicklung im internationalen Spitzensport hat sie aber wenig gemeinsam. 

Zeit für Ausbildung, Studium und Arbeit wird in den Hintergrund treten
Durch die frühzeitige Information wird den Interessen der Aktiven entsprochen. Nur so können sie ihre Lebensplanung zielführend ausrichten. Diesbezügliche Entscheidungen kann man aus meiner Sicht nicht von Zufälligkeiten oder sich vielleicht positiv entwickelnden Teams in einzelnen Orten abhängig machen. Vielmehr müssen sie im Interesse der Aktiven verlässlich sein. Wir sollten auch nicht vergessen, dass Zeit für Ausbildung, Studium und Arbeit in der Olympiavorbereitung in den Hintergrund treten werden. Aus der Vergangenheit ist festzuhalten, dass die Zentralisierung der erfolgreichen Bootsgattungen nicht zu Lasten der Förderung in den Herkunftsländern oder individueller Unterstützung ging. Ebenso waren Vereinswechsel - sieht man von einzelnen Ausnahmen ab – nicht an der Tagesordnung, die Zugehörigkeit zu Fördergruppen der Länderpolizei blieb unangetastet. Selbstverständlich müssen für Landespolizisten, Auszubildende oder Studierende mit begrenzt verfügbaren Studienplätzen auch in Zukunft Lösungen gefunden werden. Dies war bereits in der Vergangenheit möglich und gilt auch für die Zukunft. Der Dualen Karriereplanung kommt daher eine besondere Bedeutung zu. Das neue Konzept der Stiftung Deutsche Sporthilfe leistet dazu ebenso einen wichtigen Beitrag, wie die Beraterinnen und Berater an den Stützpunkten und eine transparente Stützpunktstruktur. 

Der internationale Vergleich macht auch deutlich, dass die Bedeutung der Nachwuchsnationalmannschaft U 19 vor allem im DRV sehr hoch gehängt wird. Für die Mehrheit der Spitzennationen spielt diese Auswahl vorrangig die Rolle, Jugendliche an die Spitze zu führen. Die Briten erklären klar, dass dieser Bereich für sie keine Bedeutung habe! Der hierzu in Deutschland meist folgende Verweis auf andere Strukturen, Stichwort: Universitätsrudern, greift nur insoweit, als auch in anderen Spitzennationen U 23-Athleten sportlich nicht vom Himmel fallen. Offensichtlich sind sie athletisch und in der Trainingserfahrung vorgebildet und werden auf dieser Grundlage in die Weltspitze entwickelt. Das sportartspezifische Höchstleistungstraining setzt also später ein. Insoweit ist der Aufwand, den wir im DRV treiben, zu hinterfragen. Hierzu lag im Konzept der Vorschlag zur Stärkung der Vereine und Regionen und eine Entlastung der Aktiven von Startverpflichtungen im Vorfeld der DJM vor. Nach intensiven Diskussionen mit dem Länderrat soll nun das zentral geführte System der Regionalgruppen beibehalten werden. 

Im U23-Bereich wird in regionalen Gruppen gearbeitet
Der U23-Bereich ist der typische Übergangsbereich. Zumindest die ersten beiden Jahre sind vom Abschluss schulischer und beruflicher Ausbildungen geprägt. Soweit ein Hochschulstudium angestrebt wird, erfolgt die räumliche Orientierung. Diese soll von Verlässlichkeit geprägt sein. In dieser Phase gilt es, Talente zu stabilisieren und weiter an die Spitze führen. Es ist noch eine Altersgruppe, in der wir mit regionalen Gruppen arbeiten können. Hier soll in Zukunft eine Bundestrainerin oder ein Bundestrainer verantwortlich sein, um den Rahmen zu setzen. Zentral zusammengesetzte Boote dürften aber nicht im Interesse der Vereine oder eines regionalen Stützpunktes liegen und sind sportfachlich nicht erforderlich. Methodisch ist es sicher wichtig, die Athleten, die in die A-Mannschaft vorrudern können und wollen auf die Bundesstützpunkte auszurichten. Im Bereich Männer-Riemen funktioniert dies seit Jahren.

Seit Oktober wird das Konzept nun im DRV intensiv diskutiert. In den nächsten Monaten stehen noch einige Diskussionsrunden an, damit die vielfältigen Positionen gehört, bewertet und in das Konzept eingebracht werden können. Im Frühjahr sind dann die Entscheidungen zu treffen. Es ist selbstverständlich, dass es zur Entwicklung im Leistungssport höchst unterschiedliche Auffassungen gibt. Die Interessenlage ist in Deutschland sehr heterogen und Veränderungen fallen meist schwer. Jede Neuausrichtung ist immer eine Wette auf die Zukunft. Bei kühler Analyse wird jedoch deutlich, dass der Kurs insgesamt stimmt!

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