27. Juni 2019 | Fachressort Wettkampf | von Judith Garbe

Para-Bundestrainer Jochen Weber im Interview

Jochen Weber engagiert sich schon lange im Para-Rudern.

Jochen Weber übt seit Mitte Mai offiziell das Amt des Para-Bundestrainers aus. Was den Offenbacher an dieser Aufgabe reizt, wie er es geschafft hat, so viele Athletinnen und Athleten zu rekrutieren und welche Ziele er sich gesetzt hat, hat er uns im Interview erzählt.

Was reizt dich an der Aufgabe Bundestrainer Para-Rudern?
Ich bin Rudertrainer, der - so wie hoffentlich jeder andere Trainer auch - erfolgreiche Sportler/innen trainieren möchte. Dabei ist es vollkommen egal, ob Para oder Nicht-Para. Ich bin ja erst seit Mitte Mai hauptamtlich beim Deutschen Ruderverband angestellt, als Trainer arbeite ist aber bereits seit 1993.

Als Para-Trainer haben sich mir natürlich auch schon viele Chancen geboten, z.B. die Teilnahme an den Paralympischen Spielen 2016 in Rio. Das ist für viele andere Trainer-Kollegen schon sehr weit weg bis unmöglich. Zudem konnte ich bei dieser paralympischen Regatta mit dem Vierer meinen bisher größten Erfolg feiern. Die gesamte Saison 2016 haben wir auf Platz 8 gelegen - in RIO sind wir dann Vierter geworden.

Zudem habe ich gelernt, dass ein körperlich beeinträchtigter Sportler - genau wie jeder andere auch - große Motivation, Ehrgeiz und Willen hat - das macht keinen Unterschied. Dafür ist aus meiner Sicht die Herausforderung vom Einbeinigen bis zum Querschnittgelähmten sehr viel individueller. Das kann man als Trainer z.B. auch ganz einfach an den Maßen für die Skulls ablesen: Innenhebel - 55 cm Gesamtlänge - 269 cm und Dollenabstand 125 cm. Diese Maße wurden über einen Zeitraum von zwei Jahren erarbeitet und mit etwa vier verschieden Vorstufen einen Aluflügels erreicht. Dafür ein großer Dank an Helmut Empacher - denn ohne diese Unterstützung wäre das nicht möglich gewesen.

Wie hast du es geschafft, so viele neue Athleten zu rekrutieren?
Ich habe schon im Winter angefangen, meine seit acht Jahren gepflegten Kontakte zu aktivieren, um neue Sportler zu finden. Das war sehr erfolgreich. Wobei jetzt der zweite und dritte Schritt nötig wird. Das bedeutet zum einen, mehr Trainer vom Para-Sport zu überzeugen, denn im Moment sind wir nur zwei Trainer für sechs Boote. Zum anderen müssen dann diese Trainer versuchen, weitere Sportler in ihrem näheren Umfeld für Para-Rudern zu begeistern, denn wir brauchen auf jeden Fall noch Verstärkung.

Wie schätzt du die Leistung deiner Athletinnen und Athleten beim vergangenen Weltcup in Poznań ein?
Einer-Fahrerin Sylvia war wieder einmal unsere Beste. Sie hatte ihre Gegnerin aus den USA im Griff und hat damit ein Ziel erreicht. Zudem hat sie trotz des starken Gegenwindes ihr Rennen fehlerfrei ins Ziel gerudert. Nur schade, dass sie als Vierte die Medaille knapp verpasst hat.

Johannes hat sich leistungsmäßig wieder dort eingeordnet, wo er 2017 ausgestiegen ist. Unser aktuell größter Konkurrent ist wieder der Pole, den er in Linz dann schlagen will.

Dominik Siemenroth und Marc Lembeck im PR2M2- haben ihren momentanen Möglichkeiten entsprechend ihre Leistung abgerufen, aber da geht natürlich noch mehr. Das ist reine Fleißarbeit.

Unsere beiden Mixed-Fahrer Jennifer Gotta und Marcus Klemp haben im Vorlauf noch gezeigt, dass sie zu jeder Zeit das zeigen können, was möglich ist. Im Finale ging das allerdings nicht mehr. Hier muss zunächst zu Hause weitergearbeitet werden und die Abstände verkürzt werden.

Den Mixed-Vierer mit Steuerfrau haben wir auf der Regatta noch einmal umbesetzt. Die gezeigte Leistung entsprach meiner Erwartung, allerdings wird das nicht reichen, um sich für die Paralympischen Spiele 2020 in Tokio zu qualifizieren. Meine Erkenntnis der Regatta ist, dass es mit so einem kurzen Anlauf – einige rudern ja erst seit knapp drei Monaten - leider nicht möglich ist, im internationalen Feld Anschluss zu finden. Jetzt müssen wir schauen, dass wir in den kommenden Wochen noch einmal gut arbeiten, um am Ende das Optimale zu erreichen.  

Wie sieht euer weiteres Programm aus?
Wir werden im Training die Anfänger von den Fortgeschrittenen trennen. Die Anfänger bekommen von Inga und weiteren Hilfsruderern aus meinem Verein eine auf sie abgestimmte Ausbildung. Die Fortgeschrittenen werden weiter an ihren technischen Fähigkeiten arbeiten und entsprechende Umfänge und Belastungen fahren. 

Zudem werden einige Sportlerinnen und Sportler beim Weltcup in Rotterdam starten. Nach derzeitiger Planung werden das Sylvia und Johannes im Einer sowie zwei Zweier ohne mit Jan und Valentin sowie Dominik und Marc sein.

Welches (langfristige) Ziel hast du dir gesetzt und wie willst du das erreichen?
Zum einen möchte ich natürlich viele Trainer für das Pararudern begeistern. Wer möchte, kann sich das Finale aus Rio noch einmal on demand anschauen – und wer weiß, vielleicht bekommt ja der ein oder andere Lust, an Bord unseres Trainer-Teams zu kommen.

Zum anderen möchte ich natürlich medaillenfähige Mannschaften bilden.