16. Mai 2018 | Verband | von Thomas Kosinski

„Die Anzeichen verdichten sich“

DRV-Sportdirektor Mario Woldt zur Diskussion um die Abschaffung des Leichtgewichtsruderns.

Herr Woldt, das Internationale Olympische Komitee möchte nach den Olympischen Spielen von Tokio das Leichtgewichtsrudern abschaffen. Wie steht der Verband dazu?
Momentan gibt es noch keine Beschlüsse. Es verdichten sich zwar die Anzeichen und die Wahrscheinlichkeit nimmt zu, dass das LG-Rudern tatsächlich in Tokio das letzte Mal im olympischen Programm vertreten sein wird. Im Rudern will man schauen, wo die Trends sind. Die sieht man eher dem Coastal Rowing, da es für die Zuschauer attraktiver ist, wenn es gut in Szene gesetzt wird.

Selbst wenn es nur Wahrscheinlichkeiten und Anzeichen sind, hat der Verband ja sicherlich bereits eine Haltung dazu. Wird der DRV dem internationalem Trend folgen oder die Tradition des LG-Ruderns hoch halten?
Wir werden in Deutschland das Leichtgewichtsrudern nicht abschaffen, so wie das andere Länder konsequent getan haben. Gerade einige asiatische Länder haben entschieden, das LG-Riemenrudern abzuschaffen und skullen im  diesem Bereich nur noch. In diesen Ländern fehlt die Vereinstradition, dort wird sich auf das olympische Rudern konzentriert. In Deutschland dagegen gibt es eine lange Tradition im Leichtgewichtsrudern, die wir nicht aufgeben wollen – ganz unabhängig vom olympischen Programm.

Wenn das LG-Rudern seinen Status als olympische Disziplin verliert, hat das Auswirkungen auf die finanzielle Ausstattung. Wenn nur noch das gefördert wird, was medaillentauglich ist, wie es das neue Leistungssportkonzept vorsieht, dann kann der DRV sich zum LG-Rudern zwar bekennen, aber man wird es nicht mehr fördern, oder?
Das wird, was die Förderung durch den Bund angeht, dann so kommen. Denn aus Bundesmitteln können wir nur den olympischen Sport fördern. Das wird natürlich Auswirkungen bis auf die Vereinsebene haben. Diese Sportler müssten dann auf Landesebene gefördert werden. Alternativ kommt öfter das Thema einer verbandsweiten Umlage für Leichtgewichtsrudern auf.

… eine Art Soli für bedrohte Sportarten?
Doch das hat kaum Chancen, da Beitragserhöhungen grundsätzlich nur sehr schwer durchsetzbar sind. Außerdem: Selbst wenn uns dies gelänge, würde uns der Bund die Gelder mit dem Argument kürzen, dass wir offenbar sehr wohl in der Lage sind, unsere Finanzierung selbst zu regeln. Der Bund finanziert nämlich nur dort und nur dann, wenn es an Eigenmitteln fehlt. Zu prüfen ist ab 2021 die Zukunft der Nicht-Olympischen Bootsklassen innerhalb der World Games und damit auch weiterer Fördermöglichkeiten. Für Nicht-Olympische Verbände und eventuell auch für Nicht-Olympische Sportarten in Olympischen Verbänden stellt das BMI eine gewisse Finanzierung in zur Verfügung. Dies ist aktuell noch in der Überarbeitung. Konkrete Finanzierungswege sind noch nicht zu benennen, als Option für die Zukunft ist dies jedoch im Auge zu behalten.

Da sitzt der Verband ja in der Klemme. Bleibt es also für die Vereine und vor allem für die Leichtgewichte bei dieser Abwärtsspirale?
Für die Sportler ist das sicherlich eine schlechte Entwicklung, ja. Der DRV bekennt sich zum LG-Rudern und hat diese Position auch auf dem FISA-Kongress im vergangenen Jahr vertreten. Wir mussten jedoch feststellen, dass wir mit dieser Position ziemlich alleine standen. Die Leichtgewichtsnationen wie Australien, Dänemark oder Italien  haben nicht derart darauf gedrängt, das LG-Rudern im olympischen Programm zu belassen – selbst die asiatischen Länder nicht, deren Sportler ja eher leichtgewichtig sind.

Die müssten eigentlich eher die Abschaffung der offenen Klassen fordern…
…und die Fahne des LG-Rudern vorneweg tragen. Doch da verfolgt jedes Land seine eigenen Interessen. Am Ende standen wir in der Debatte um den leichten Achter sehr alleine da.

Das Argument des IOC, Gewichtsdifferenzierungen nur bei den Kampfsportarten zuzulassen, hat ja seine Berechtigung: Kategorisierungen wären auch in der Leichtathletik und erst recht im Kanusport denkbar und sinnvoll. Sind die LG-Klassen nicht eher eine ungerechtfertigte Sonderpositionierung des Rudersports im Bezug zu den anderen Sportarten?
So argumentiert das IOC und fordert ja auch eindeutige und einfachere Strukturen. Die Zuschauer sollen die Wettkämpfe leicht nachvollziehen können. Für das IOC sind insbesondere die TV-Zuschauer von Interesse, da hier das Millionenpublikum die Spiele verfolgt. Und aus der TV-Perspektive ist ein Vierer ohne von einem leichten Vierer ohne kaum unterscheidbar. Das IOC hat einen ganz anderen Blickwinkel auf das Thema.

Gäbe es nicht die Möglichkeit, leichte und schwere Ruderer in einem gemeinsamen Rennen zu starten und Chancengleichheit herzustellen, indem die LG-Ruderer leichtere und damit schnellere Boote fahren dürften? 
Theoretisch ja. Aber der Bau von neuen leichteren Booten kollidiert mit der Vorstellung bei IOC und auch bei der FISA, die Materialkosten nicht nach oben zu treiben. Denn dies benachteiligt wiederum die Nationen, die ohnehin wegen des hohen Kostenaufwands weniger Rudersport betreiben können. So etwas können sich dann wieder nur die klassischen Rudernationen leisten, so dass die Internationalität des Rudersports gefährdet wäre.

Man verfolgt dies also in Deutschland nicht, weil man zum Beispiel in Vietnam den Rudersport nicht benachteiligen bzw. belasten will. Sollte man sich da nicht ein wenig abkoppeln von den internationalen Zwängen und Vorgaben?
Wir können uns insoweit abkoppeln, indem wir nicht auf das LG-Rudern auf nationaler Ebene verzichten, selbst wenn es international nicht mehr gerudert wird. Aber leichtere Boote werden uns die Bootshersteller nicht bauen, wenn es dafür nicht auch einen internationalen Markt gibt.

Die Frage ist zwar gegen den Trend: Aber warum differenzieren wir im Rudern eigentlich nach Körpergewicht und nicht nach Größe?
Jede Differenzierung zieht die Frage nach sich: Warum gerade diese und warum gerade dort? Warum also 72,5 kg bzw. 59 kg als Grenzwert? In der FISA diskutiert man, ob es nicht sinnvoller ist, das Gewicht deutlich herunterzusetzen, um dann auch „wahre“ Leichtgewichte zu haben und nicht welche, die sich vielleicht runter gehungert haben. Will man nach der Größe kategorisieren, steht man ebenfalls vor dem Problem der Grenzziehung  und irgendwann vor der Frage, ob man überhaupt die Boote zusammenbekommt, wenn man immer weiter differenziert. Die unterschiedlichen körperlichen Voraussetzungen machen ja auch den Reiz auf internationaler Ebene aus, sich zu messen und zu vergleichen.

Wenn Sie jetzt resümieren: Heißt es am Ende nicht doch: Bye-bye Leichtgewichtsrudern?
National nein, international geht es in diese Richtung. Der DRV setzt sich dafür ein, dass LG-Rudern im WM- und EM-Programm als nicht-olympische Bootklassen bestehen bleibt.

Wann stehen die Entscheidungen an?
Bei der FISA arbeitet momentan eine Arbeitsgruppe zu diesem Thema. Das IOC will im olympischen Jahr, also 2020, die Entscheidung für die Spiele 2024 in Paris treffen. Spätestens dann wissen wir es ganz genau. 

Das Interview ist in der aktuellen Ausgabe von rudersport erschienen. rudersport erscheint im Sportverlag Sindelfingen und kann im Abo (83,30 €) oder als Einzelheft (8,20 € einschl. Versandgebühr) bestellt werden, Mail: vertrieb@sportverlag-sindelfingen.de, Telefon: 07031-862-851.