23. Apr. 2008 | Nationalmannschaft | von Oliver Palme, Pressesprecher

Lothar Trawiel: "Die Leistung von Brandenburg steht erst mal!"

Interview mit Bundestrainer Lothar Trawiel nach den Deutschen Kleinbootmeisterschaften in Brandenburg. Trawiel stellt die weitere Vorgehensweise für die Saison dar und gibt den jungen Athleten eine Chance.

Wie bewerten Sie die Ergebnisse der Weltmeisterschaft in München und welche Erkenntnisse konnten Sie im Hinblick auf das Olympiajahr gewinnen?

Die Ergebnisse von München waren durchwachsen. Einmal war positiv, dass alle Mannschaften für Peking qualifiziert sind. So haben wir keine unterschiedlichen Vorbereitungen der Teams und keine doppelte Leistungsspitze bei den Mannschaften, die sich noch hätten qualifizieren müssen. Gut war auch, dass wir nach 2006 im Doppelvierer wieder auf einen Medaillenplatz rudern konnten. Im letzten Jahr hat der Nachwuchs gedrängelt und schon Leistungsdruck aufgebaut. Das hat letztlich dazu geführt, dass wir ein Boot mit der Konzentration aller Kräfte in die Medaille bringen konnten. Nicht so gut war, dass wir in den Doppelzweiern nicht ins Finale fahren konnten, und es uns in der Breite der Mannschaft fehlt.

Werden Sie grundlegende oder nur punktuelle personelle Veränderungen in Ihren Booten vornehmen?

Wir müssen uns mehr in der Breite entwickeln und die personelle Leistungsfähigkeit fördern. Wenn man sich zu sicher ist, dann geht das nicht gut. Vielleicht – es ist schwer einzuschätzen – haben sich die Arrivierten zu sicher gefühlt, aufgrund der Ergebnisse in den Trainingslagern. Jetzt muss man überprüfen, wie stabil die Leistung der Jungen ist, wenn es in die internationale Konkurrenz geht.
Die Leistung von Brandenburg steht erst mal, dann bewerten wir die Leistungen von München. Dann müssen wir einschätzen, ob das reicht, oder ob wir Maßnahmen ergreifen müssen. Es gibt keinen Bonus für Athleten, die im letzten Jahr eine Medaille gewonnen haben. Junge Ruderer, die Leistung bringen, müssen die Chance auf Olympia haben. Nach den Erfahrungen aus dem letzten Jahr nutzen wir jetzt die EM um Leute auch perspektivisch zu halten. Wir brauchen bei Olympia Leute, die dem Leistungsdruck im internationalen Geschäft standhalten.

Welche Schwerpunkte nimmt die Vorbereitung Ihrer olympischen Boote ein?

Nach Brandenburg werden wir in München Weltcup fahren, dann geht es nach München in die spezifische Vorbereitung der Mannschaften. Wir messen uns an den internationalen Teams, dann sortieren wir die Crews ein. Wir haben viele junge Athleten, die sich anbieten. Nach den Ergebnissen von Brandenburg setze ich die Mannschaften für München mit der Perspektive für Peking, die anderen bereiten sich auf die EM vor, die U23-Leute gehen dann in Richtung U23-WM in Brandenburg. Die Mannschaftsbildung für die EM soll in Duisburg beginnen, da setzen wir zuerst einen Vierer. Dann rudern wir mit EM- und Olympia-Kader in Luzern und Poznan. Da haben wir den Vergleich zum internationalen Leistungsstand. Für die EM schauen wir uns dann noch zusätzlich die erfolgreichen U23-Athleten an, um eventuell ergänzen zu können.

Mit welchen Zielen reisen Sie nach Peking?

Wir wollen ein Boot mindestens in die Medaillen bringen. Letztes Jahr hatten wir einmal Bronze, dieses Jahr wollen wir mehr. Gerade ohne internationalen Leistungsvergleich ist dies aber momentan schwer einzuschätzen. Es wäre noch schöner, wenn wir auch einen guten Doppelzweier hätten. Da warte ich jetzt die Ausscheidung am Mittwoch ab. Auch im Einer erwarten wir von Marcel, dass er in diesem Jahr erfolgreich ist.

Welche außersportlichen Erwartungen haben Sie an die Olympischen Spiele in China, worauf freuen Sie sich besonders?

Es sind für mich nicht die ersten olympischen Spiele. Ich erwarte, dass es fair abgeht. Das wäre mein wichtigster Wunsch. Dann natürlich, dass wir in der Mannschaft insgesamt Erfolg haben. Es ist immer schöner, wenn alle Erfolg haben, das macht mehr Spaß! Die Spiele sind heute sehr kommerzialisiert, es ist nicht mehr so, wie es war. Seit 1992 kann man nicht mehr einfach andere Sportarten anschauen, die Kartenvergabe vom IOC halte ich für kritikwürdig. Das hat viel genommen, von dem was die Spiele vorher ausgemacht haben und wurde dem Kommerz geopfert. Ich finde es für die Sportler sehr bedauerlich, dass sie andere Sportarten nicht mehr oder nur eingeschränkt sehen können. Das nimmt viel von dem olympischen Charakter, das wäre wichtig wieder zu ändern!