Tagung des DRV-Ausschusses Ruderreviere und Umwelt
(Hannover, 22. und 23. Februar 2008) Vorstandsmitglied und Ausschuss-Vorsitzender Dr. Wolfgang Krutzke hatte zu einer Beratung mit der Wasser- und Schifffahrtsdirektion (WSD) Mitte am Freitag und zur jährlichen Tagung mit den Landesvertretern eingeladen.
An der auf einen Bereisungsschiff der WSD bei einer Fahrt auf dem Mittellandkanal stattgefundenen Beratung nahmen neben 3 hochrangigen Vertretern der hiesigen Wasser- und Schifffahrtsverwaltung von Seiten des DRV auch Wolfgang David, Dr. Harald Seiler, Dieter Händel, Peter Scheve und Dr. Hans-Peter Kozerski sowie die Landesvertreter Hans Ehlich (Niedersachsen), Ina Holtz (Sachsen-Anhalt) und Armin Rahmann (NRW) teil. Wir erhielten Informationen über die Entwicklung und Vorhaben in der Region zwischen Elbe und Ems und auf den Wasserstraßen, zu denen hauptsächlich der Mittellandkanal, der Elbe-Seitenkanal und die Weser mit Fulda, Werra, Aller und Leine gehören. Etliche Bauwerke werden in den kommenden Jahren grundsätzlich instand-gesetzt oder neu gebaut. Als Beispiel für solche Maßnahmen wurden Schleusen der Aller und Weser, das Schiffshebewerk Scharnebeck sowie die Schleuse am Wasser-straßenkreuz Minden genannt, wobei im letztgenannten Fall klar ist, dass hier die alte Schacht-Schleuse nach einer Instandsetzung für den Verkehr der Fahrgastschifffahrt und Sportboote in Betrieb bleiben wird.
Besonders interessant zu wissen war, dass die Bedienung der Schleusen vor Ort durchgehend ersetzt wird durch automatisierte Selbstbedienung bei den kleineren, meist durch den Wassersport benutzten Schleusen und durch Fernbedienung der Großschleusen von wenigen zentralen Steuerwarten aus. In Minden befindet sich eine solche Zentrale. Eine Person wird i.d.R. 3 Schleusen im Drei-Schicht-Betrieb steuern. Zahlreiche Monitore erlauben es, alle wichtigen Stellen genau so zu überwachen, wie auf dem früheren Steuerstand im Schleusengelände, wobei auch früher schon der Grundsatz galt, dass während des Betriebes der Schleuse der Schleusenmeister sein Bedienungspult nicht verlassen darf. Den über das Schleusengelände von einem Tor zum anderen Tor eilenden und manchmal mit den „Schiffern“ plaudernde Schleusenmeister wird es also nur noch in der Erinnerung altgedienter Ruderer geben können. Wichtig für uns ist daher in jedem Fall, sich ganz korrekt über die an den Schleusen vorhandene Sprechfunkbox oder besser noch vorher übers Handy (nur noch eine Telefon-Nummer für das gesamte Schleusensystem) zu melden. Wer sich freundlich meldet, dem gibt man gern auch die Informationen, die man sich als Wasserwanderer wünscht (z.B. wann und mit wem zusammen geschleust wird). Auf unsere Frage, ob durch eine Vorschrift geregelt ist, in welcher Reihenfolge Sportboote eingeordnet werden müssen, erhielten wir leider nur die Antwort, dass der gewerbliche Verkehr und Sicherheit Vorrang hat. Gefahrgutfrachter müssen immer einzeln geschleust werden.
Im Bereich der WSD Mitte nimmt gegenwärtig der Verkehr insbesondere mit den Schiffen über 1300 t zu. Beim Containerhafen Braunschweig sind beispielsweise die Prognosen durch die Praxis zweifach überboten worden.
Auf großes Interesse stießen unsere Vorstellungen zum Bau alternativer Anlagen zur Überwindung von Staustufen. Dr. Kozerski konnte eine Ausarbeitung zu den Bootsgassen vorstellen und für den Bau von kombinierten Borsten-Fisch-Boots-Pässen werben, die im Rahmen der Durchsetzung der Europäischen Wasserrahmen-richtlinien angelegt werden können, um den Fischen und Bodentieren die Wanderung in den Flüssen zu ermöglichen und den Booten der Ruderer und Kanuten eine schnelle Talfahrt und durch Treideln auch eine Bergfahrt gestatten. Aufgrund derartiger Neuigkeiten will die WSD nun eine generelle Neufassung der "Empfehlungen für die Gestaltung von Wassersportanlagen an Binnenwasserstraßen" vom Bundesministeriums für Verkehr fordern, da das entsprechende Heft von 1979, an dem z.B. auch Manfred Ganzer als Vorsitzender des Wanderruderausschusses des DRV maßgeblich mitgearbeitet hatte, einer dringenden Aktualisierung bedarf. Wenn es dazu kommen sollte, dann heißt das für alle Wassersportverbände, ihre Erfahrungen, Neuerungen, Notwendigkeiten und Vorschläge einzubringen. Die Ruderer müssen das Kirchboot, Fünfer, Sechser und die Erkenntnisse präsentieren, die aus Unfällen gewonnen werden konnten. Bei den Empfehlungen zu Stegbauten muss unbedingt auch berücksichtigt werden, dass sich das Durchschnittsalter der Wanderruderer weiter in die Richtung bewegt hat, wo die Kletterfähigkeit schon etwas nachgelassen hat.
Die Zusammenkunft bei der WSD Mitte war in jedem Fall recht anregend. Dafür herzlichen Dank den Gastgebern.
Am Freitagabend reisten dann noch viele Vertreter aus den einzelnen Bundesländern an, so dass beim abendlichen Treff im Bootshaus des Frauenruderclubs Hannover reichlich individuelle Konversation betrieben werden konnte. Am Samstag ging es dann am Sitz der DRV-Geschäftsstelle an die Tagesordnung mit ihren 15 Punkten. Neben fast allen Landesvertretern war auch Jürgen Faltin vom Deutschen Kanuverband dabei, der über 110.000 Mitglieder und auf dem Gebiet der Beschreibung von Gewässern und umweltrelevanten Gegebenheiten beispielgebende Leistungen vorzuweisen hat.
Nach Begrüßung und Protokollkontrolle erfolgte eine umfangreiche Information über die Kontakte zu den Wasser- und Schifffahrtsdirektionen. Dieter Händel, selbst einmal Vizepräsident der WSD Ost, machte darauf aufmerksam, dass regelmäßige informelle Kontakte auf hoher Ebene sehr wichtig sind, weil bestimmte Entwicklungen auch im Personal der WSV zur Zeit sehr schnell verlaufen und es viel besser ist, sich in Ruhe zu verstehen als sich mit kräftigen Worten zu beschweren. Zu den Konsequenzen aus Neubauten war mitzuteilen, dass es jetzt berechtigte Hoffnung gibt, dass das Schiffshebewerk Rothensee (Wasserkreuz Magdeburg) wieder seinen Betrieb für die Fahrgastschifffahrt und den Sport aufnehmen kann, wenn sich ein Betreiber außerhalb der WSV findet. Bei der neuen Schleuse in Charlottenburg (Spree, Berlin) ist noch keine Lösung in Sicht, in die nun nicht mehr betriebsfähige alte Schleuse eine Bootsschleppe oder Bootsgasse einzubauen.
Von Seiten des Wassersports müssen Forderungen (und möglichst auch gleich erprobte Bauunterlagen) vorliegen, die es ermöglichen, trotz einer großen Zahl von sehr dringlichen Aufgaben beim WSA Berlin, langfristige Abhilfe zu schaffen. Vorerst heißt es aber, an der Großschleuse Wartezeiten in Kauf zu nehmen. Im Bereich der Saalemündung, wo wir bisher frei mit der Strömung fahren konnten, ist ein Raumordnungsverfahren für einen Seitenkanal mit Schleuse in Angriff genommen worden. Am Beispiel des nicht mehr dem Güterverkehr dienenden Finow-Kanals wird erprobt, welch positive Wirkungen die Einrichtung von Besucher-Informationszentren an den neuen Automatik-Schleusen auf die Tourismusentwicklung hat.
Viel Diskussion gab es zum Thema Sicherheit auf dem Wasser und der bisher nicht ausreichenden Nutzung von Möglichkeiten, unseren Booten so viel Auftrieb durch Luftkammern und aufgeblasene Luftkissen zu geben, dass sich alle Mannschaftsmitglieder auf dem gesunkenen Schiff so positionieren können, dass sich ihr Körperkern in der kalten Jahreszeit längere Zeit auf Lebenstemperatur hält. Wenn schon beim Neukauf gespart wird, dann sollten doch wenigstens die bei den Kanuten erprobten Luftsäcke für wenige Euro angeschafft werden. Vielleicht sollten wir bei offiziellen Herbst-Veranstaltungen in Gigs anfangen, solche Maßnahmen vorzuleben. Auch die klar geregelte Ausbildung im Fach „Sicherheit und Bootsführung“ mit einer nachweisbaren Prüfung unserer Mitglieder scheinen bisher nur wenige verantwortungsbewusste Vereinsleitungen ernst zu nehmen.
Diskutiert wurde auch die Situation vor den Wahlen beim Rudertag in Köln, wobei Einigkeit darin bestand, dass die bewährten Strukturen im Bereich Wanderrudern & Breitensport, Umwelt & Ruderreviere sowie Gig & Technik weitergeführt werden müssen. Etwas besorgt betrachtete man die Möglichkeiten, den Jubiläums-Rudertag mit der entsprechenden Sachlichkeit und einem leistungsfähigen neuen Vorstand zu beenden. Es wird einer außerordentlich professionellen und glücklichen Hand der Versammlungsleitung bedürfen, den offensichtlich nicht einfachen Probleme Herr zu werden.
Dr. Seiler machte darauf aufmerksam, dass wir im Gegensatz zu den Kanuten und den Motorbootfahrern bei zahlreichen Veranstaltungen des Wasserfahrsportes durch Zeitmangel oft nicht genügend repräsentiert sind. Er unterrichtete weiterhin über die Bemühungen des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) auf politischen Ebenen, den Wassersport in gewohnter Weise und ohne übermäßige finanzielle Belastungen durchzuführen.
Im folgenden Tagesordnungspunkt wurden die Aktivitäten des Kuratoriums „Sport und Natur“ benannt, die insbesondere dazu führen sollen, dass in einem kommenden Umweltgesetzbuch alle die länderspezifisch unterschiedlich formulierten Vorschriften für den Sport bundesübergreifend so beschrieben sind, dass alle Sportler vom Bergsteiger bis zum Taucher solide und fundierte Verhaltensrichtlinien haben.
Eine gründliche Diskussion fand zu der oben bereits genannten Ausarbeitung zu den Bootsgassen statt, weil wir wirklich sattelfest sein wollen, wenn wir bei den Länder-Institutionen und bei den Wasser- und Schifffahrtsämtern des Bundes Realisierungsvorschläge machen wollen. Auch müssen wir mit klaren Anforderungen unserer Sportart in die Abstimmungen mit den anderen Verbänden und Interessenten (wie z.B. den Fährleuten der Spreewaldkähne) gehen. Vorgesehen ist, möglichst bald einen nach allen Regeln der Kunst gebauten Borsten-Fisch-Boots-Pass zu haben, der gründlich getestet zum Prototyp für eine breite Anwendung dieser Technologie werden kann. Mit einigen Änderungen ist diese Ausarbeitung verabschiedet worden. Sie ist im Internet
www.rudern.de veröffentlicht. Über weitergehende Hinweise und Fakten zu Unfällen an früheren Bootsgassen wird aus dem Kreis aller Ruderer gebeten.
Dr. Wolfgang Krutzke stellte dann die Arbeiten vor, die ebenfalls im Internet bereitgestellt werden, dies aber für einen langen Zeitraum. Es handelt sich um die Gewässerbeschreibung-Online, wie sie uns in ähnlicher Weise z.B. aus dem Handbuch für das Wanderrudern des DRV (Limpert-Verlag), dessen 8. Ergänzung nun auf April 2008 terminiert ist, bekannt sind. Der gegenwärtige Stand ermöglicht bereits eine breite Anwendung und kann langfristig das gedruckte und relativ teure Druckwerk ergänzen oder insbesondere für die jüngere Generation ersetzen.
Traditionsgemäß schloss die Beratung vor dem gemeinsamen Abendbrot mit den Berichten der Ländervertreter, von denen hier nur die wichtigsten Punkte genannt sein sollen.
- Hamburg: Während die Norderelbe zeitweilig gesperrt ist, kann man unkompliziert durch die Speicherstadt rudern. Das Rechtsfahrgebot ist in der Tideelbe aufgehoben, so dass man verstärkt Obacht geben oder besser eine ortskundige Person an Bord haben sollte.
- Nordrhein-Westfalen: Am Wesel-Datteln-Kanal stehen 11 neue Stege zur Verfügung. Am Staudamm Baldeneysee wird die Schleuse auf automatische Selbstbedienung umgestellt.
- Sachsen: In den ehemaligen Braunkohlenrevieren verbinden nun 2 Schleusen die neuen Seen.
- Thüringen: Die Unstrut ist jetzt von Bretleben aus befahrbar.
- Bayern: Gemeinsame Begehungen der Mainschleusen mit dem WSA sollen zu einer Verbesserung der Bedingungen an den z.T. nicht ganz intakten Bootsschleusen und Umtragemöglichkeiten führen.
- Brandenburg: Es gibt relativ starke kommerzielle Bestrebungen, den Wasserwanderweg von Berlin über die Dahme zum Spreewald und zurück über die Spree (Beeskow-Rundfahrt) für den Verkehr mit größeren Motorbooten auszubauen. Wir Ruderer werden hier ausdrücklich für die Beibehaltung eines möglichst naturnahen Zustandes insbesondere der Spree eintreten.
Die Beratungen schlossen in der Zuversicht, dass sich die Wege weiterhin für frohe Fahrten auf dem Wasser ebnen lassen und wir in den richtigen Strömungen liegen.