Hochrhein-Fahrt: Touristischer Geheimtip, sportliches Bootsumtragen
Die Hochrheinfahrt Ostern 2011 war ausgeschrieben vom Landesruderverband Baden-Württemberg (Fahrtleitung: Werner Rudolph) als „Testfahrt, um die Durchgängigkeit für Ruderboote zu prüfen“. Da derzeit diverse Um- und Neubauten an dieser bekanntermaßen sehr reizvollen Rheinstrecke durchgeführt werden, war eine Bestandsaufnahme aus Ruderersicht erforderlich.
Treffpunkt war am Gründonnerstag in der Jugendherberge Schloss Laufen (SJH Dachsen) gleich oberhalb des Rheinfalls mit Ruderinnen und Ruderern aus den verschiedensten Ecken Deutschlands und sogar aus Frankreich. Unsere Oldenburger Ruderkameraden haben leider das leckere Abendessen verpasst – die Bahn hatte ihnen ganze fünf (!) Stunden Verspätung beschert. Die rustikale Jugendherberge bietet übrigens die beste Aussicht auf den Rheinfall – besonders sehenswert abends mit Beleuchtung.
Erster Tag: Radolfzell am Bodensee bis Schaffhausen. Der Bodensee begrüßt uns mit glattem Wasser und Sonnenschein – der Start könnte also kaum besser sein. Zur Mittagspause erwartet uns der Landdienst mit einem Picknick in Stein am Rhein. Hier sollte man sich einen Rundgang durch den Ort nicht entgehen lassen – der mittelalterliche Ortskern mit wunderschön bemalten Häuserfassaden ist definitiv sehr sehenswert. Ab Stein geht es dann bei guter (diesmal wegen Niedrigwasser eher mäßiger) Strömung vorbei an dem pittoresken Ort Diessenhofen mit seiner Holzbrücke durch das komplizierte Grenzland zwischen Deutschland und Schweiz. Unsere erste Etappe endete nach der Vorbeifahrt an der Deutschen Exklave Büsingen, die vollständig von Schweizer Land umgeben ist, beim Kanu Club Schaffhausen mit Verladen der Boote. Die Strecke durch Schaffhausen und natürlich der Rheinfall sind für Ruderboote nicht befahrbar, ca. 4 km müssen mit dem Hänger überbrückt werden. Das macht eine Gepäckfahrt ohne Landdienst und Hänger praktisch unmöglich. Toll wäre, wenn es einen Umsetzservice für Ruderboote und Kanus gäbe, da wären viele Wanderfahrer sicher bereit, etwas dafür zu bezahlen.
Auch Schaffhausen lädt zum Spaziergang ein, was wir gerne nutzen, bevor wir zum Abendessen nach Altenburg aufbrechen. Dort wartet im Garten eines Gasthofs reichlich gegrillter Fisch auf uns.
Zweiter Tag: Schaffhausen bis Reckingen. Nach zwei Nächten verlassen wir die Jugendherberge mit den Schlafräumen mit Berghüttencharme und es heißt erstmal wieder Boote abladen und aufriggern. Dann ein besonderes Schmankerl: Ein paar Meter Hochrudern zum Rheinfall – wann hat man schon mal mit dem Ruderboot die Gelegenheit, so nah an einen Wasserfall ran rudern zu können? Wenige Kilometer später geht es dann los – gleich drei Staustufen hintereinander (Rheinau 1‐3), dazwischen zur Abwechslung das ehemalige Kloster Rheinau sowie eine schöne überdachte Holzbrücke zwischen Rheinau und Altenburg, beides nett anzusehen. Alle drei Umsetzstellen sind gleich gestaltet und für Ruderboote sehr luxuriös: zwei Boote passen nebeneinander auf elektrische Gleiswägen, die wiederum zum Auf‐ und Abladen ins Wasser gefahren werden können. Sehr lange Bugleinen sind allerdings empfehlenswert, um die Boote „auffangen“ zu können. Kurz: so problemlos müsste „Umtragen“ immer sein!
Dieses Paradies für Ruderer könnte allerdings mittelfristig schwinden – zwei dieser drei Wehre sollen im Rahmen von Renaturierungsmaßnahmen im Jahr 2012 abgebaut werden. Die Restwassermenge bzw. die geplante Durchgangsbreite für Boote von nur 5 Metern , die diesem Rheinabschnitt infolge der Wasserableitung zwecks Stromerzeugung zugestanden werden, wird zu wenig sein, um dort weiterhin rudern zu können. Eine Durchgangsbreite von mindestens 10 m bei einer Strömungsgeschwindigkeit bis max. etwa 8 km/h müssten für das Rudern eingehalten werden. Es wäre wirklich äußerst schade, wenn so ein schönes Stück Fluss nicht mehr beruderbar wäre ‐ ein echter Schildbürgerstreich!
Weiter geht’s nach einer frei fließenden Rheinstrecke mit herrlichen Stromstrandbädern durch eine wald‐ und rebenreiche Gebirgsdurchbruchstrecke unter einem beeindruckenden Eisenbahnviadukt hindurch (50 m über dem Fluss!) zur nächsten Staustufe Eglisau. Hier wartet eine ganz normale Bootsschleuse auf uns – allerdings nicht gleich benutzbar. Grund ist ein Motorboot, das die Schleuse lahmgelegt hat – man hat versehentlich den Not‐Stopp gedrückt. Vielleicht lag es ja an der kaum mehr lesbaren Beschriftung der Bedienungseinrichtung? Immerhin war am Karsamstag ein Kraftwerkstechniker verfügbar, der die Schleuse wieder flott machte – Gott sei Dank! Umtragen wäre dort sehr mühsam geworden, die Einsetzstelle sowie der Weg durch das Schleusenbauwerk sind für Ruderboote ungeeignet und zu eng. Der Weg durch die Schleuse ist der einzig mögliche für Ruderboote und muss hierfür unbedingt gangbar gehalten werden. Ansonsten bliebe an dieser Stelle nur der Abbruch einer Wanderruderfahrt.
Nach dieser vierten Staustufe endlich Mittagspause. Wir hatten zwar schon lange vor der Schleuse gewartet, aber dort gab es nichts, um die knurrenden Mägen zu befriedigen. Wie gut tut da ein liebevoll vom Landdienst vorbereitetes Picknick!
Bei der Ankunft am Tagesziel in Rekingen (CH) heißt es wieder verladen – diesmal ist das Niedrigwasser schuld, das es uns nicht erlaubt, die Stromschnellen des „Koblenzer Laufen“ zu passieren. Der Pegel Rekingen (CH) zeigte nur einen Durchfluss von weniger als 280 m³/s an. Eine Durchfahrt durch den Koblenzer Laufen ist jedoch erst ab einem Durchfluss oberhalb 400 m³/s ratsam. Durchfahrungen bei 350 m³/s wurden zwar mehrfach berichtet, jedoch mehrfach mit Grundberührung der Boote.
3. Tag: Waldshut bis Schloss Beuggen. Wieder fängt der Tag beim WSV Waldshut mit Abladen und Aufriggern an und nicht lange nach dem Ablegen erreichen wir die erste Staustufe für heute: Albbruck‐Dogern. Ein Bootswagen ist zwar vorhanden (zwei oder mehr wären praktisch), aber leider nicht sonderlich geeignet für Ruderboote – würde man das Boot mittig reinlegen, würden die Ausleger aufliegen, nicht gerade schonend für’s Boot. Aber immerhin, man kann ja den Bug reinlegen und hat dann doch eine Erleichterung verglichen mit Umtragen ganz ohne Wagen. Besser wäre es, wenn die Gurte, die den Bootskörper tragen sollen, kürzer wären.
Gleich nach der Durchfahrt durch Laufenburg (D und CH) mit schönem Stadtpanorama auf beiden Seiten des Ufers erreichen wir die nächste Staustufe. Nach dem Anlegen senkrecht zur Strömung (nicht optimal) bekommt das Wort „Wanderrudern“ seinen Sinn: 800 Meter trennen uns von der unteren Einsatzstelle – der „Wanderweg“ ist ausgeschildert. Mehrere Bootswagen sind vorhanden, etwas kurz zwar, aber immerhin. An der Einsatzstelle wartet ein Schrägaufzug auf uns. Auch wenn dies eine spannend‐unterhaltsame Angelegenheit ist ‐ jedes Boot wird einzeln mit dem Aufzug zu Wasser gebracht – so kostet das bei vier Booten doch eine ganze Menge Zeit. Wie viel schneller wäre es gegangen, wenn wir die vorhandene Schleuse hätten benutzen dürfen! Immerhin – ein bisschen Zeit wird uns abgenommen: Ein Gabelstaplerfahrer kommt, koppelt alle vier Bootswagen aneinander und bringt sie zurück zum Oberwasser, was für ein Service!
Vor der Mittagspause beim Ruder‐Club in Bad Säckingen müssen wir noch die Staustufe kurz vor dem Ort passieren – hier wartet wieder ein elektrisch betriebener Gleiswagen auf uns, wie bereits in Rheinau erlebt. Aufgrund der seitlichen Begrenzungen dieses Wagens passt hier allerdings nur ein Ruderboot drauf, was bei vier Booten das Umsetzen nochmals deutlich verzögert. Bevor wir uns dann endlich über das Mittagspicknick hermachen dürfen, rudern wir noch unter der längsten gedeckten Holzbrücke Europas bei Bad Säckingen durch.
Den Bauch voller Schokoladenostereier geht es weiter zur nächsten Staustufe: Ryburg‐Schwörstadt. Wieder was neues: eine „Rollenbahn“ zum Übersetzen. Ruderboote mit Stahlkiel können hier über Walzen hinweg vom Oberwasser zum Unterwasser „rutschen“. Für Boote ohne Stahlkiel gibt es einen Bootswagen. Umtragen ist hier zwar nicht so komfortabel wie mit den elektrischen Gleiswägen, aber dennoch halbwegs passabel machbar. Allerdings muss man zum Aus‐ und Einsteigen ins Wasser – die Aus‐ und Einsteigestellen sind nicht für Ruderboote gemacht.
Kurz hinter der Staustufe erreichen wir unsere Unterkunft Schloss Beuggen, einem sehenswerten Anwesen der evangelischen Kirche, wo wir bereits eine Nacht verbracht hatten. Man kann gut an einer kleinen Halbinsel anlegen und die Boote dort auch nachts liegen lassen. Und noch viel besser kann man auf dem kleinen, aber feinen Balkon mit Blick auf den Hochrhein lecker zu Abend essen!
4. Tag: Schloss Beuggen bis Märkt. Nach wenigen Kilometern erreichen wir die noch nicht fertig gestellte Umtragstelle linksrheinisch am neuen Kraftwerk in Rheinfelden. Am alten, jetzt abgebauten Kraftwerk war die Situation für Ruderboote ziemlich gefährlich, so dass die Befahrung des Rheins an dieser Stelle nur selten durchgeführt wurde. Die neue Situation ist günstiger, jedoch derzeit noch unausgereift. Das Boote rausnehmen erweist sich als äußerst schwierig. Das vorhandene Geländer macht die Ausstiegsstelle sehr kurz und behindert das aus dem Wasser nehmen des Boots immens.
Die gleich folgende ziemlich steile Treppe macht die Angelegenheit noch schwieriger. Gut, dass wir vier Mannschaften waren plus Landdienst und uns gegenseitig helfen konnten! Für eine Vierermannschaft ohne Helfer ist es schwer hier das Boot aus dem Wasser zu kriegen. Es ist zwar eine Aushebestelle im Bau, wo das Boot mittels Kran auf einen Transportwagen gelegt werden soll, aber es ist nicht vorstellbar, wie das mit Ruderbooten funktionieren kann – die Mannschaft muss ja ausgestiegen sein, bevor das Boot aus dem Wasser gehoben wird. Es gibt Bootswagen zum übersetzen, die Einsetzstelle im Unterwasser war noch ein Provisorium. Nachbesserungen sind notwendig, damit ein Ruderboot das neue Kraftwerk problemlos passieren kann.
Nach der Durchfahrt durch Rheinfelden geht es an der nächsten Staustufe Augst‐Wyhlen ganz unspektakulär durch eine Schifffahrtsschleuse. Das ist auch gut so, da die Steganlage im Unterwasser recht klein und wenig belastungsfähig ist und zudem die Querströmung aus dem Kraftwerk das Ablegen schwierig machen würde. Mit der Querströmung hatten wir auch so zu kämpfen, starkes Gegensteuern ist erforderlich. Mittags stärken wir uns beim Ruder‐Club Grenzach, wo der Landdienst wie gewohnt mit Picknick auf uns wartet. Vorher steht aber noch etwas Arbeit an – die Boote wollen nach der Tour noch gesäubert werden und ein paar Kleinigkeiten waren zu reparieren. Wir rudern danach zwar noch ein bisschen weiter, möchten aber den Luxus von Wasserschlauch und Böcken zum Boote putzen nutzen.
Nach einer weiteren Schifffahrtsschleuse in Birsfelden und der Durchfahrt durch das Altstadtpanorama von Basel erreichen wir schließlich das Ende der Wanderfahrt am Kraftwerk Märkt, bei der Abzweigung des elsässischen Rheinseitenkanals. Der Hänger steht schon bereit zum Verladen. Ganz zu Ende ist die Fahrt aber doch noch nicht – die meisten Teilnehmer bleiben noch eine Nacht im Schloss Beuggen, um am folgenden Tag in Ruhe durch die schöne Altstadt von Basel zu schlendern und um den Münsterturm zu besteigen.
Fazit:
Es war eine wunderschöne Tour, der Hochrhein mit seinem sehr sauberen Wasser, teilweise mit guter Strömung, seiner herrlichen Landschaft, den schönen Flussstrandbädern und den vielen schmucken Orten im Deutsch‐Schweizerischen Grenzland ist eine besonders attraktive Ruderstrecke, die den Kernbereich des Wanderruderns mit Sport‐, Natur‐, Kultur‐ und Geselligkeitserlebnis in bester Weise trifft. Durch die Vielfalt der Gestaltung der Staustufen ist das Umsetzen der Boote eher spannend‐sportlich als lästig – auch wenn nicht alle realisierten Varianten für Ruderer wirklich gelungen sind. Es wäre schön, wenn bei zukünftigen Neugestaltungen von Umsetzstellen Ruderer besser als bisher mit in die Planung einbezogen würden.
Wir werden sicherlich gerne immer wieder auf dem Hochrhein rudern – dann bevorzugt bei höherem Wasserstand, um auch den Koblenzer Laufen befahren zu können