18. Nov. 2011 | Panorama

„Row for Silence“: Janice Jakait rudert für die Stille im Ozean

Der Countdown läuft – und für Janice Jakait wird ein Traum wahr. Die 34-jährige Athletin aus der baden-württembergischen Gemeinde Neulussheim will in einem Ruderboot den Atlantischen Ozean überqueren – allein, ohne rettendes Begleitboot, nur auf die Kraft ihrer Muskeln angewiesen. Ende November sticht Janice in Portugal in See, vier bis fünf Monate lang wird sie gegen Stürme und haushohe Wellen ankämpfen und im Frühling 2012 – nach weit über 3500 Seemeilen bzw. rund 6500 Kilometern – die Karibik-Insel Antigua erreichen. Wenn sie das schafft, wird sie die erste deutsche Frau sein, die diese Herausforderung meistert.

Die Botschaft: „Silent Oceans“

Unter dem Motto „Row for Silence“ will Janice Jakait mit ihrer Extremleistung ein Zeichen setzen: „Jeder Ruderschlag“, sagt sie, „ist ein sanfter, leiser Protest gegen die lebensbedrohende Lärmbelastung in den Meeren.“ Janice setzt sich für die Kampagne „Silent Oceans“ (Stille Ozeane) ein, mit welcher die Schweizer Tier- und Umweltschutzorganisation OceanCare auf eine weit gehend unbeachtete Tragödie in den Meeren aufmerksam machen will: „Militärische Sonar-Beschallungen und seismische Unterwasser-Tests sowie die Schiffsmotoren von Frachtern und Luxuslinern bedrohen das Leben unter Wasser“, sagt OceanCare-Präsidentin Sigrid Lüber. „Darunter leiden neben vielen Fischen besonders die Wale und Delphine, deren hochsensible Ortungsorgane durch das anhaltende Dröhnen massiv geschädigt werden. Die Meeressäuger können sich nicht mehr orientieren, Einzelgänger wie Blauwale finden ihre Paarungspartner nicht mehr, andere Wale, die in grossen Schulen unterwegs sind, stranden in Massen und sterben qualvoll. Janice ist mit ihrer Extremleistung die ideale Botschafterin, um die Öffentlichkeit für dieses Problem zu sensibilisieren.“

Das Boot: „Bifröst“

Der Name ist Programm: In der altgermanischen Mythenwelt steht „Bifröst“ für die „schwankende Himmelsstrasse“ – eine Regenbogenbrücke, welche das Himmelsreich mit der Erdenwelt verbindet. Auch Janice will eine Brücke schlagen, nicht nur über den Atlantik, „ich möchte ein versöhnliches Signal aussenden und den Menschen mit dem Meer, die Technik mit der Natur in Einklang bringen.“ In der Tat ist „Bifröst“ ein höchst aussergewöhnliches Ruderboot: Die sieben Meter lange Hightech-Konstruktion ist für die Atlantik-Überquerung angefertigt worden; Janice hat jedes Detail eigenhändig ihren Bedürfnissen angepasst. Zwei kleine Kajüten bieten Schutz vor Unwetter und Raum für Proviant, hier wird auch das Equipment für Kommunikation und Navigation sowie die Sicherheitsausrüstung verstaut: Mehrere GPS-Geräte, Satellitentelefon, Schwimmweste und eine Überlebensinsel. Eine Entsalzungsanlage macht das Meerwasser trinkbar, zwei Solarmodule stellen die Stromversorgung für all diese Geräte sicher. Mehrere selbstentfaltende Sturmanker stabilisieren im Notfall das Boot, dem auch die grössten Wellen nichts anhaben können: Sollte „Bifröst“ von einem Brecher umgeworfen werden, kentert sie durch – und richtet sich automatisch selbst wieder auf.

Die Vorbereitung: Zwei lange Jahre

Seit zwei Jahren bereitet sich Janice Jakait mit grosser Sorgfalt auf ihr Abenteuer vor. „Zuerst war es nur eine verrückte Idee“, erinnert sie sich. „Daraus wurde ein Traum; der Traum hat sich zum konkreten Projekt entwickelt – und jetzt, nach den Wassertests mit ‚Bifröst‘, hat die Schlussphase begonnen. Mein Traum wird Wirklichkeit.“ In dieser langen Vorbereitungszeit hat sie sich in täglichem intensiven Krafttraining fit getrimmt, ihr Boot bis ins letzte Detail umgebaut und eingerichtet – und sie hat Fachleute konsultiert: Rudertrainer, Sportmediziner, Ernährungsexperten und ehemalige Ozeanruderer, aber auch Behörden, Verbände und Freunde haben sie begleitet und beraten. Aber sobald sie am 21. November an der portugiesischen Atlantikküste in ihr Boot klettert und mit dem ersten Ruderschlag in See sticht, beginnt für Janice Jakait die grosse Einsamkeit. Dann wird sie ganz allein sein. Vier Monate lang. Kurs Südwest. Destination Antigua. „Doch mein eigentliches Ziel ist die Stille“, sagt sie. „Eine Hoffnung treibt mich an – die Hoffnung, dass eines Tages alle Meere wirklich stille Ozeane sein werden.“