09. Sep 2012 | Wettkampfsport | von Dag Danzglock

Paralympics 2012 - Was bleibt?

Mit den diesjährigen Spielen hat die paralympische Bewegung einen großen Meilenstein in Richtung Anerkennung und Professionalisierung genommen. In Peking waren bereits die ersten Ansätze zu sehen, seit London befinden sich die Paralympics endgültig auf Augenhöhe mit den Olympischen Spielen. Die Werbung eines privaten Fernsehsenders in Großbritannien, der sich die Übertragungsrechte gesichert hatte, machte dies mit einem Augenzwinkern deutlich. Sinngemäß lautete sie, dass das Aufwärmprogramm (die Olympischen Spiele) vorbei sei und nun die eigentliche Veranstaltung beginne.

Teilnehmer und Besucher trafen auf ein hilfsbereites und freundliches Team an Helferinnen und Helfer. Mit Rat und Tat standen sie an wichtigen Punkten in der Stadt, auf den An- und Abreisewegen sowie bei den Veranstaltungen zur Verfügung. Dies ist auch deshalb besonders anerkennenswert, weil viele von Ihnen bei beiden Veranstaltungen engagiert waren. In der Stadt fanden sich an den zentralen Stellen, im ÖPNV und auf den Straßen Hinweise auf die Paralympics und am Trafalgar Square lud ein Public-Viewing zum Zuschauen ein. Für den Besucher schien das paralympische Virus die Stadt erfasst zu haben und an der Regattastrecke kommentierte ein Helfer, dass sich der Umgang miteinander in der Stadt während beider Veranstaltungen positiv verändert habe. Bleibt zu wünschen, dass der Effekt dauerhaft bleibt. Wie andere Städte auch hat zumindest die Infrastruktur von London profitiert. In den öffentlichen Verkehr, Straßen und Anlagen wurde viel investiert. Bei der Anreise an den Lake Dorney wurde dies an die vielen neuen Doppeldeckerbussen exemplarisch augenfällig.

Olympische und Paralympische Spiele sind immer auch eine Herausforderung für den Transport. In London wurde ein Chaos im gesamten Verkehr befürchtet und wohl deshalb kam es nicht dazu. Man hatte erkennbar große Anstrengungen unternommen, um die Besucherströme zu lenken. Die Regattastrecke war mit PKW nicht direkt zu erreichen. Wer aus London anreiste, nutze meist die U-Bahn bis zu einem Bahnhof, um in den Zug nach Slough oder Eton/Westminster zu steigen. Von dort fuhren Shuttle-Busse in einer Frequenz, die Wartezeiten weitgehend ausschloss. Dass Rudern ein Teilnehmersport ist, merkten die Zuschauer spätestens am Eingang zur Anlage. Nachdem eine Sicherheitsschleuse auf Höhe des 2000m-Starts, die dem Flughafenstandard entsprach, durchschritten war, stand ein Fußmarsch bis zu den Tribünen im Zielbereich an. Für die Anreise aus London waren somit rund zwei Stunden bis zum Sitzplatz zu veranschlagen, sodass der Tag insgesamt ausgefüllt war.

Die Regatta selbst erstreckte sich über drei Tage. Bei vier Rennen mit jeweils 12 Booten wurden täglich jeweils acht Rennen gerudert. Deren Abstand von 20 Minuten erforderte eine gewisse innere Ruhe beim Zuschauen. Zwar versuchte ein Moderator mit den täglich gleichen Fragen und Späßen die Zeit zu überbrücken, aber über seine Erfolgsbilanz lässt sich sicher streiten. Die rund 10.000 Zuschauer, die täglich an der Strecke waren, boten jedoch eine für das junge paralympische Rudern attraktive Kulisse. Die Begeisterung war echt und von großem Sachverstand getragen.

Für Puristen des Rudersports ist sicher von besonderem Interesse, dass die Mannschaftsboote hälftig mit Aktiven beider Geschlechter besetzt sind. Dies ist selbstverständlich kein Schaden für die Sportart sondern zeigt, dass es erfolgreich geht. In der aktuellen FISA-internen Diskussion um die Neuordnung des olympischen Programms könnten hier Vorbilder liegen. Eine Utopie ist der Mix aus paralympischen und olympischen Aktiven in einer Mannschaft.

Die Paralympics sind mehr denn je Hochleistungssport und werden als solcher wahrgenommen. Daher ist die Debatte, ob man nicht beide Spiele zusammenlegen sollte, nicht aus der Luft gegriffen. Im Rudersport wird dies bei den Weltmeisterschaften bereits praktiziert, obwohl die unterschiedlichen Renndistanzen organisatorische Herausforderungen darstellen. Nicht zuletzt aus diesem Grund wird derzeit die Streckenverlängerung der paralympischen Rennen auf 2000 m diskutiert. Allerdings sind die Argumente gegen gemeinsame Spiele gewichtig. Die Zahl der Teilnehmer, Sportarten, Veranstaltungen und Zuschauer würde außerordentlich steigen und die Organisatoren vor schwer lösbare Herausforderungen stellen. In der medialen Aufmerksamkeit ist die Verteilung offen. Einer der beiden bisher unabhängig von einander agierenden Verbände IPC und IOC verlöre seine Existenzberechtigung und dies ist wohl das Haupthindernis. Organisationen sichern immer ihre Existenz ab und kämpfen gegen die eigene Abschaffung. Das spricht wohl in erster Linie gegen eine Zusammenführung.

In Rio der Janeiro werden wir ohne Zweifel zwei getrennte Veranstaltungen erleben. Der paralympische Sport dürfte dennoch weiteren Auftrieb erhalten, da er in Brasilien eine große Bedeutung hat. Absehbar wird das Leistungsniveau weiter steigen und entsprechende Anforderungen an das Training stellen. Dies muss Auswirkungen auf den Rudersport, der als Ausnahme nicht unter der fachlichen Regie des DBS sondern des Fachverbandes verankert ist, haben. Wenn weiterhin der Anspruch besteht, an der Weltspitze zu rudern, müssen die Strukturen ausgebaut werden. Talentfindung und -förderung bis hin zur Eingliederung in die Sportfördergruppen der Bundeswehr und die Trainingsumfänge sind zu diskutieren und zu verändern. Die Strukturen des olympischen und des paralympischen Bereichs müssen sich daher weiter nähern.