18. Jan. 2013 | Nationalmannschaft | von Carsten Oberhagemann

Achter-Weltmeister Matthias Ungemach: Als Ruderfamilie in Down Under zu Hause

Was macht eigentlich Matthias Ungemach?

In unserer Serie "Was macht eigentlich...?" stellen wir Ruderer vor, die vor einiger Zeit im Deutschland-Achter erfolgreich waren, und zeigen, wie sich ihr Leben nach dem Leistungssport verändert hat.

Bei seiner ersten Weltmeisterschaft startete Matthias Ungemach 1990 in Australien. "Damals habe ich mich in das Land verliebt und war später noch einige Male zu Besuch", sagt er heute. Der inzwischen 44-Jährige startete damals im Deutschland-Achter und wurde mit seinem Team Weltmeister. Der Erfolg auf dem Lake Barrington in Tasmanien hat sich als Schlüsselerlebnis erwiesen.

Nach dem Ende seiner Ruderkarriere dauerte es nicht lange, bis Matthias Ungemach nach Australien zurückkehrte. Dieses Mal suchte er die private Herausforderung: Denn nach einigen Jahren bei dem Energiversorger VEW - und später RWE - wollte er eine neue Herrausforderung und in Australien beruflich wie privat Fuss fassen. "Ich habe damals im Vertrieb gearbeitet. Auch die australische Arbeitsweise ist herrausfordend, aber dennoch wird dort ein entspanter Umgang gepflegt." Mit seiner Frau Judith, die 1988 selbst Olympiasiegerin im Frauenachter wurde, und den beiden kleinen Söhnen ging es dann also nach Sydney.

"Wir wollten am Strand leben und gleichzeitig arbeiten." Der Plan ging auf. Das Haus, in dem Matthias Ungemach heute mit seiner Familie lebt, liegt nur 300 Meter vom Meer entfernt. Am Curl Curl Beach, ein paar Kilometer außerhalb der Millionenmetropole, kann Matthias schon früh morgens mit den Kindern ins Wasser springen. "Jeden Sonntag surfen wir zusammen."
Zurück zum Beginn seines Australien-Abenteuers: Als er und Judith mit den beiden Söhnen nach Australien kamen, mussten sie sich zuerst durchschlagen. "Wir haben bei einem Ruderkumpel auf der Couch geschlafen." Judith und Matthias hatten glücklicherweise zuvor schon gute Kontakte über Ruderer nach Australien geknüpft.

Bei Accenture arbeitete der studierte Elektrotechniker und Betriebswirt im IT-Beratungsbereich. Nach rund acht Jahren als Zuständiger für die Asien-Pazific-Region (APAC), in denen er ständig unterwegs war, war der Wunsch da, häufiger bei der Familie zu sein. "Ich wollte einen Job nur in Australien. Ich konnte einfach keine Flugzeuge mehr sehen."

Dadurch kam auch kein Heimweh nach Deutschland auf. "Wer so busy ist, spürt kein Heimweh." Vor vier Jahren kam dann das dritte Kind von Matthias und Judith zur Welt. Tochter Julia ist sozusagen eine waschechte Australierin. Matthias und seine Familie haben inzwischen die australische Staatsbürgerschaft angenommen.

Nach Deutschland kam er in diesem Winter mitsamt der Familie für ein paar Tage zurück. "Die Kinder kennen keinen Schnee", sagt er und lacht. "Außerdem kann ich denen dann mal zeigen, wo ich früher gerudert habe." Am Ruderleistungszentrum und bei seinem alten Verein, dem RC Hansa, schaute er kurz nach dem Jahreswechsel vorbei.

Sohn Bjarne rudert derweil auch schon. In der Schule gibt es ein Ruderprogramm. Auch Surfen steht ganz weit oben. Dennoch: "Rudern ist hier in Australien ein großer Begriff an privaten Schulen und Universitäten", stellt Matthias fest. "Die wissen alle, was es bedeutet, 2.000 Meter zu rudern oder sein Land bei Olympia zu vertreten."

Judith und Matthias sind ihrer Leidenschaft auch in Australien treu geblieben. "Judith ist Headcoach an einem Privat College", sagt Matthias. Er ist zudem fünf Mal pro Woche Rudertrainer. "Wenn es dann um 5:15 Uhr am Hafen losgeht, müssen wir mit Lichtern rudern." Der gesamte Schulsport findet vor dem Unterricht statt. Speziell beim Rudern sei der Morgen wichtig. "Später kann es im Hafen zu wellig werden."

In den Rudergruppen sind 55 Schüler zwischen der siebten und zwölften Klasse. Die Schule hat ein eigenes Leichtathletikstadion, ein 25-Meter-Schwimmbecken und bietet ein Rundum-Training für die Schüler. Matthias Ungemach wirft seinen Blick für einen kurzen Moment quer über die Erde nach Großbritannien, dem Mutterland des Rudersports: "In Eton - wo die olympischen Ruderwettbewerbe stattgefunden haben - ist es genauso. Der Dorney-Lake ist von der Schule angelegt worden."

Er selbst rudert noch regelmäßig mit australischen Ruderern, die zwischen 1984 und 2004 ihr Land international vertreten haben. Daneben hat er eine weitere Sportart für sich entdeckt: Surfboatrudern. Ein Boot mit vier Ruderern und einem Steuermann muss dabei im Wettkampf in der Brandung einen Bojen-Parcours durchfahren. Besonders in Australien ist dieser Sport sehr populär. Matthias war einige Male bei den nationalen Meisterschaften mit im Rennen.

Ein Sport, der direkt am Strand betrieben werden kann. Ein Ruderer, der direkt an den Strand gezogen ist. Was passt besser zusammen? "Auch nach zehn Jahren wird man das Leben am Strand nicht leid."

Die Bindung zum australischen Rudersport wurde über die Jahre immer enger. Nichtsdestotrotz drückte Matthias Ungemach im August dem deutschen Boot die Daumen, als es um den Olympiasieg ging. "Manchmal ist man da schon zwiespältig. 2004 und 2008 habe ich zum Beispiel den Australiern die Daumen gedrückt. Ich war sehr nah an den Sportlern. "Es hat Spaß gemacht dem deutschen Achter in 2012 zuzuschauen, viele Australier haben den Deutschen den Sieg gegönnt."

Auch die Beziehungen zu seinen deutschen Ruderkollegen hält Matthias nach wie vor aufrecht. Zu seinem früheren Ruderkollegen pflegt er selbst in der Ferne Kontakt.