30. Dez. 2014 | Fachressort Bildung, Wissenschaft und Forschung | von Deutscher Ruderverband

Das rudertechnische Leitbild des Deutschen Ruderverbandes - Riemen

Vorbemerkungen Trainingsmethodische Grundkonzeption Zeitraum 2013-2016

Auf Basis der Trainingsmethodischen Grundkonzeption 2010-2012 wurde die Trainingsmethodische Grundkonzeption für die Jahre 2014-2016 erarbeitet. Das rudertechnische Leitbild wurde in Abstimmung mit dem A-Trainerteam überarbeitet und mit aktuellem Bildmaterial illustriert.

Rudertechnik

Anzustreben ist eine effektive Rudertechnik, die es ermöglicht, die auf hohem Niveau entwickelten konditionellen Leistungsvoraussetzungen in eine hohe Bootsgeschwindigkeit umzusetzen. Die Rudertechnik orientiert sich am rudertechnischen Leitbild des Deutschen Ruderverbandes. Im Rahmen dieses Leitbildes besteht Spielraum für individuelle Ausprägungen, solange sie innerhalb des Mannschaftsruderns eine ausreichende Passfähigkeit ermöglichen. Das Erreichen von Weltspitzenleistungen in rudertechnischer Hinsicht erfordert ein hohes Maß koordinativer Fähigkeiten, um bei hohen Bootsund Bewegungsgeschwindigkeiten vortriebswirksam und verlustarm physische Leistung in Bootsgeschwindigkeit umsetzen zu können. Dabei sollten folgende Bereiche im Trainingsprozess Berücksichtigung finden:

  • Einhalten stabiler Schlagweiten über alle Schlagfrequenzen,
  • Erhöhung der mittleren Kraftabgabe im Durchzug über alle Teilbereiche des Durchzuges (Vorder-, Mittel- und Endzug),
  • gleichbleibende Schlagstruktur im Wettkampfprofil,
  • verlustarme Umkehrphasen innerhalb des Schlages sowie verlustarme Freilaufgestaltung mit dem Ziel, eine hohe mittlere Bootsgeschwindigkeit zu erreichen,
  • bei trainingsjüngeren bzw. technisch schwächeren Ruderern ist zunächst die Verbesserung der Einzelschläge anzustreben, während bei trainingsälteren bzw. technisch besseren Ruderern die Verbesserung der Stabilität der Technik im Vordergrund des Trainings stehen sollte.

Um die rudertechnischen Ziele im Training erreichen zu können, sollten folgende Punkte Einzug in den Trainingsprozess halten:

  • gemeinsame Vorstellung und Sprache über das rudertechnische Leitbild,
  • ausreichende Zeit im Training für die rudertechnische Entwicklung, ohne die konditionelle Entwicklung zu vernachlässigen,
  • regelmäßige Überprüfung der Rudertechnik durch Einsatz von Hilfsmitteln wie Video, Messboot, Fahrzeitkontrollen und Streckentests mit Belastungskontrolle.

Vorbemerkung

  • Rudertechnik dient in erster Linie dazu, die phy- sische Leistungsfähigkeit möglichst verlustarm in hohe Bootsgeschwindigkeit umzusetzen. Konditionelle Potentiale lassen sich nur in eine hohe Wettkampfleistungsfähigkeit umsetzen, wenn eine zweckmäßige und effektive Rudertechnik eingesetzt wird.
  • Der Deutsche Ruderverband will und muss seine Vorstellung von einer optimalen Rudertechnik in alle Rudervereine und Stützpunkte transportieren. Die vergangenen Olympischen Spiele haben gezeigt, dass in den Großbooten das meiste Potential zu Erringung von Medaillen auf Zielwettkämpfen liegt. Ausnahmeathleten, die Medaillen bei Olympischen Spielen in Kleinbooten erringen können, haben wir derzeit nur begrenzt. Unsere Stärke ist eine breitere Spitze und geschlossene Großboote. Diese Stärke muss ausgebaut werden. Je besser in allen Vereinen und Stützpunkten nach einheitlichen Vorstellungen Talente entwickelt werden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, diese notwendigen Voraussetzungen für erfolgreiche Großboote zu erreichen.
  • Die nachfolgende Darstellung der Bewegungsmerkmale unseres rudertechnischen Leitbildes ist keine abschließende Beschreibung aller technischen Fein- heiten. Sie soll den Trainern als Orientierung dienen, wie innerhalb des Deutschen Ruderverbandes aktuell gerudert werden sollte. Zur Erläuterung und Begründung des Leitbildes verweisen wir an dieser Stelle auf die Ausführungen im Kapitel 3.3.2 im Handbuch Rudertraining. 2. Aufl. Dieter Altenburg, Klaus Mattes, Jürgen M. Steinacker. Wiebelsheim: Limpert 2013.

Rudertechnisches Leitbild Riemen

Ausheben und hintere Bewegungsumkehr

Nach dem Ausschieben der voll getauchten Blätter erfolgt das senkrechte Ausheben mit anschließendem Flachdrehen der Blätter. Beim Ausheben der Blätter kommt das komplette Blatt in einer Bewegung aus dem Wasser heraus und berührt es nicht mehr (Bild 4). Die Aushebebewegung muss so weit reichen, dass im weiteren Verlauf des Freilaufes keine weitere Vertikalbewegung mit dem Innenhebel mehr nötig ist. Das Abdrehen geschieht mit der Innenhand. Der Oberkörper ist im Moment des Aushebens fixiert und macht weder Vertikalbewegungen, noch bewegt er sich aus der Bootslängsachse heraus (Bild 2-3).

Freilaufphase

Am Körper beginnt unmittelbar ohne Bewegungspause das Wegführen der Hände in derselben Geschwindigkeit, in der die Hände zum Endzug gebracht wurden. Zeitgleich mit dem Vorführen der Hände erfolgt die Vorbereitung des Oberkörpers, das heißt, der Oberkörper wird aus der Rücklage in eine Vorlageposition gebracht. Das Becken ist dabei aufgerichtet, die Hüfte stellt in der Positionierung des Oberkörpers die Drehachse dar (Bild 5-7).

Wenn die Hände die Knie passiert haben, beginnt mit gleichbleibender Innenhebelgeschwindigkeit das ruckfreie Anrollen (Bild 7). Mit dem Anrollen beginnt das Eindrehen des Körpers. Als Orientierung sollte immer die Parallelität zwischen Schulterachse und Innenhebel dienen. Die Eindrehbewegung muss immer aus dem gesamten Oberkörper und nicht isoliert aus den Schultern kommen.

Wenn die Hände auf Höhe des Flügels (Füße) sind, muss der Oberkörper seine endgültige Vorlageposition eingenommen haben (Bild 9,11,13).

Die Eindrehung der Schulterachse muss in dieser Phase deutlich zu sehen sein. Jetzt beginnt mit dem Eindrehen ein leichtes Verlassen der Bootslängsachse hin zur eigenen Dolle (Bild 10,12,14). Für den Freilauf gilt:

  • Das Blatt wird gleichmäßig, mit einer Blattbreite Abstand zum Wasser, vorgeführt, ohne dass die Hände zur Auslage abgesenkt werden müssen.
  • Anzustreben ist ein exaktes und zentrales Sitzen auf der Bootslängsachse und ein möglichst geringes Herauslehnen zur eigenen Seite. Für die Praxis gilt: In Bootslängsrichtung darf in der Auslageposition zwischen den Köpfen der Ruderer kein Wasser zu sehen sein (Bild 14).
  • Verlässt der Riemen die Orthogonale (Riemen 90° zur Bootlängsachse) Richtung Auslage, so beginnt die Eindrehung des Oberkörpers, wobei der Innenarm in einer natürlichen Position locker gestreckt bleibt (Bild 15,16,17).
  • Das Aufdrehen der Blätter erfolgt kurz vor Erreichen der Auslage, so dass das Blatt aufgedreht in der Auslage ankommt.
  • Beide Schultern sind auf gleicher Höhe.
  • Im letzten Drittel des Freilaufs soll sich der Vorlagewinkel des Oberkörpers nicht mehr verändern. Das Eindrehen des Oberkörpers wird zum Abschluss gebracht. Je präziser dies gelingt , desto weniger wird das Boot zur Auslage hin abgebremst.
  • Während der gesamten Freilaufphase wird der Bootslauf durch ein leichtes, gleichmäßiges Ziehen am Stemmbrett unterstützt.
  • Der Freilauf sollte mit einer gleichbleibenden Innenhebel- und Rollsitzgeschwindigkeit ohne Geschwindigkeitsspitzen und Bewegungspausen gestaltet werden. Zur Auslage wird die Innenhebel- und Rollsitzgeschwindigkeit möglichst spät abgebremst, um die Dauer der negativen Beschleunigung möglichst gering zu halten.

Vordere Bewegungsumkehr und Durchzug

In der Auslageposition steht der Unterschenkel senkrecht. Vertikale Bewegungen des Körpers sind zu minimieren. Das Setzen des Blattes erfolgt unmittelbar aus der Rollbewegung heraus, dabei ist es wichtig, dass das Setzen schnell, senkrecht und im weitesten Punkt der Auslage geschieht. Die Setzbewegung erfolgt ausschließlich aus den Armen (Drehachse Schultergelenk), die Körperposition ändert sich im Moment des Setzens nicht (Bild 18).

Die Blattoberkante begrenzt die Tauchtiefe, sie bleibt über den gesamten Durchzug konstant. Die Knie sind nur so weit geöffnet, dass der Außenarm dazwischen passt. Ein zu weites Abwinkeln des dollenseitigen Beines beeinflusst die Effektivität des Beinstoßes negativ. Alle Finger der Außenhand umfassen den Innenhebel. Der Abstand zwischen Innen- und Außenhand beträgt etwa zweieinhalb Handbreiten.

Die Antriebsphase beginnt ausschließlich mit dem Beinstoß, kurz vor dem Flügel/Schuhspitzen (Bild 20) kommt der aktive Körpereinsatz hinzu, die Arme sind zu diesem Zeitpunkt gestreckt.

In diesem Augenblick befinden sich, über die Bootslängsachse betrachtet, die Oberkörper der Mannschaft deckungsgleich hintereinander (Bild 21).

Der Körpereinsatz beginnt über den Fußspitzen und reicht dann über den ganzen restlichen Schlag (Bild 22).

Der Armeinsatz setzt bei 75-85 Grad* (Bild 23) ein. Beinstoß und Armzug überlagern sich, um Krafteinbrüche im Mittelzug zu vermeiden.

Setzt der Armzug zu früh ein, leisten die gebeugten Arme Haltearbeit, die nicht effektiv für den weiteren Schlagverlauf ist.

Die Beinstreckung endet im Bereich von 100 Grad Ruderwinkel. Der Oberkörperschwung verbindet den Beinstoß und den Armzug.Die Überlagerung von Beinstoß, Armeinsatz und Oberkörperschwung erfolgt mit einer hohen Dynamik zur Aufrechterhaltung der Bootsbeschleunigung.

Körperschwung und Armzug enden annähernd gemeinsam in der hinteren Umkehr (Bild 24,25,26). Dies geschieht ohne ruckartige Bewegungen von Rumpf und Armen und ohne Vertikalbewegungen des Oberkörpers.

In der Bootslängsrichtung liegen die Oberkörper hintereinander und bewegen sich nicht aus der Bootslängsachse heraus (Bild 27).

Der innere Unterarm ist im Endzug parallel zur Wasseroberfläche und rechtwinklig zum Innenhebel positioniert. Die Position des äußeren Unterarms ist ebenfalls parallel zum Wasser. Von oben gesehen, bildet der äußere Unterarm nahezu die Verlängerung des Innenhebels (Bild 28).

* Die Gradangaben stehen in Bezug zur Bootslängsachs. Senkrecht zur Bootslängsachse sind 90 Grad, parallel in der Auslage sind 0 Grad, parallel in der Rücklage sind 180 Grad.