24. Sep 2014 | Panorama | von Peter Janssen (Tegernsee)

Sport in Natur und Landschaft

Die Wandlung des deutschen Naturschutzrechts

Der Autor Peter Janssen ist Rechtsanwalt und Vorstandsmitglied des Kuratoriums Sport und Natur

Ehrenvorstand des Rudervereins am Tegernsee von 1949 e.V.

Ehemaliger Vorsitzender des Deutschen Gleitschirmverband und Drachenflugverband sowie Bürgermeister i.R. der Stadt Tegernsee

Es wurde eng für den Natursport in den 1980er und 1990er Jahren. Naturschützer hatten den Sport als schwere Belastung für die natur ausgemacht und ins Visier genommen. Anlass boten die damals neuen Trendsportarten wie Mountainbiking oder Gleitschirmfliegen. Diese jungen Sportarten waren in ihrer Anfangsphase noch weitgehend ungeordnet, die Sportler erhielten oft nur eine kurze Einweisung, aber über ihre Wirkung auf Tiere und Pflanzen waren sie nicht informiert und entsprechend haben viele sich verhalten. Befürchtet wurde auch, das etablierte Sportarten infolge ihrer Weiterentwicklung überhand nehmen: beispielsweise der Bergsport mit Sportklettern und der Kanusport mit preisgünstigen Kunststoffbooten.

 

Bei ihrer Reaktion nutzten die Naturschutzbehörden in den Bundesländern die Spielräume, die ihnen das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) und ihre Landesgesetze gaben, sehr unterschiedlich und oft überzogen: In einzelnen Ländern errichteten sie abschreckende Hürden in Form aufwändiger Verträglichkeitsgutachten, so für Gleitsegelgelände. Im Extremfall verfügten sie umfassende Verbote, beispielsweise für Klettern und Mountainbiking in Mittelgebirgen. Der Wassersport wurde vielerorts durch engmaschige Befahrensverbote so eingeschränkt, dass er unattraktiv wurde. Und schließlich kamen noch, auch auf Betreiben privater Grundbesitzer, großflächige Einschränkungen des allgemeinen Betretungsrechts ins Gespräch. Die Folge war eine tiefe Kluft zwischen Naturschützern und Natursportlern. Es kam zu zahllosen Übertretungen. Das Wort „Naturschützer“ war negativ besetzt und zahlreiche Sportler mit ihren Familien und Vereinen begannen – ebenso überzogen – den Naturschutz und seinen Ziele pauschal abzulehnen. Der Naturschutzgedanke drohte bei einem wesentlichen Teil der deutschen Bevölkerung seinen Ruf und Rückhalt einzubüßen.

 

In dieser kritischen Lage taten sich im Jahr 1992 unter der Führung des Deutschen Alpenvereins sieben Natursportverbände – heute sind es 14 Verbände mit 4 Millionen Mitglieder – zusammen, gründeten das „Kuratorium „Sport und Natur e.V.“ und wählten den Bergsteiger und Gleitschirmfliegen Dr. Heiner Geißler zum Vorsitzenden. Gemäß seiner Satzung fördert das Kuratorium den natur- und landschaftsverträglichen Sport, um dadurch die Natur nachhaltig zu schützen, wirkt an der Lösung des Konflikt Sport und Natur mit und vertritt das Recht zur naturschonenden Sportausübung.

 

Es bleibt nicht beim bloßen Satzungsauftrag: Die Sportvertreter gingen auf die Naturschutzbehörden und –verbände zu und konnten sie zunehmend für pragmatische Lösungen, auch für vertragliche Vereinbarungen, gewinnen. Die Sportverbände erarbeiteten Regeln für die natur- und landschaftsverträgliche Sportausübung und verstärkten ihre Bemühungen um Naturverständnis ihrer Mitglieder so erfolgreich, das der negative Meinungstrend zum Naturschutz sich wieder umkehrte. Die Chancen für beide Seiten wurden erkannt: Der Naturschutz gewinnt einen starken Verbündeten in der politischen Diskussion und gegen große naturschädliche Projekte. Die Sportler können sich weitgehend frei in einer intakten Natur bewegen, wenn sie sich naturschonend verhalten. Und gleichermaßen für Sport und Naturschutz entfällt ein Konflikt, der Freundschaften entzweit und Ortsgemeinschaften belastet hat. Unterstützt wurde dieser mehrjährige Prozess der Annäherung in den vergangenen Jahren besonders aktiv vom Deutschen Olympischen Sportbund, nach anfänglichem Widerstand auch vom Deutschen Naturschutzrind sowie staatlicherseits vom Beirat für Umwelt und Sport des Bundesumweltministeriums, der 1995 von der damaligen Umweltministerin Angela Merkel erstmals berufen worden war. Diesem Beirat ist auch die „fachliche Erläuterung zum Begriff der Natur- und Landschaftsverträglichkeit sportlicher Betätigung in der freien Natur“ zu verdanken, eine wichtige Grundlage für die Novellierungen des Bundesnaturschutzgesetzes 2002 und 2010 und nachfolgender Landesgesetze.

 

In drei Novellierungen spiegelt sich die schrittweise Annäherung von Natursport und Naturschutz. Eine erste im Jahr 1998 in der Amtszeit von Umweltministerin Angela Merkel betraf nur wenige Paragrafen und für den Sport die gesetzliche Legitimierung von Vereinbarungen. Noch sehr vorsichtig, um die Länder nicht aufzubringen, war im neuen § 3a formuliert: „ Die Länder stellen sicher, dass bei Maßnahmen (…) geprüft werden soll, ob der Zweck auch durch vertragliche Vereinbarungen erreicht werden kann“.

 

In der umfassenden Novellierung 2002 unter Federführung des Umweltministers Jürgen Trittin gelang mit Unterstützung des Innenministers Otto Schilly der Durchbruch: In §2 Abs. 1 Nr.13 werden erstmals „natur- und landschaftsverträgliche sportliche Betätigung in der freien Natur“ ausdrücklich der Erholung zugeordnet und gehören damit zweifelsfrei zu den in §1 bestimmten Zielen des Bundesnaturschutzgesetzes.

 

Die positive Integration des Natursports in das Bundesnaturschutzgesetzes 2002 ergibt sich weiter aus der amtlichen Begründung: Zu §8 (vertragliche Vereinbarungen) wird hervorgehoben, dass es gerade auch im Bereich des Sports hilfreich ist, auf freiwillige Mitwirkung der Betroffenen zurückzugreifen und Lösungen durch vertragliche Vereinbarungen zu suchen. Ebenfalls in der amtlichen Begründung wird zu §18 (Eingriffe in die Natur und Landschaft) klargestellt: „Die natur- und landschaftsverträgliche sportliche Betätigung in der freien Natur ist nicht als Eingriff anzusehen, soweit dabei die Ziele und Grundsätze des Naturschutzes und der Landschaftspflege berücksichtigt werden. (…) Unter natur- und landschaftsverträgliche sportliche Betätigung sind sportliche Betätigungen wie Wandern, Klettern, Rudern und Kanufahren erfasst. (…)“ Nicht entsprochen wurde der Wunsch der Sportseite, auch Sportvereinen die Anerkennung zur Mitwirkung an naturschutz- und planungsrechtlichen Verfahren nach §§ 58 ff. realistisch zu öffnen. Ersatzweise aber den Behörden „bei Maßnahmen des Naturschutzes und Landschaftspflege (…) ein frühzeitiger Informationsaustausch mit der betroffenen und interessierten Öffentlichkeit zu gewährleisten.“ In der Begründung dazu ist festgehalten, damit Korrespondiert die Pflicht der Betroffenen, Meinungsäußerungen zu beabsichtigten Maßnahmen (…) entgegenzunehmen und zu berücksichtigen.“

 

Mit dieser Novellierung 2002 schienen die anfänglichen Befürchtungen der Natursportler, aus dem Naturraum verdrängt zu werden, endgültig erledigt zu sein. Dann kam die Förderalismusreform, nach der die Bundesländer beim Naturschutz von den Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes mit eigenen Gesetzen abweichen können, ausgenommen von „Allgemeinen Grundsätzen“. Im Gefolge der Förderalismusreform wurde auch das Bundesnaturschutzgesetz mit Wirkung vom 1.3.2010 umfassend novelliert, „zuständig war Umweltminister Sigmar Gabriel. Es wurde wieder spannend, aber beim Ergebnis konnten die Sportler aufatmen: Für den Sport entspricht die Neufassung 2010 inhaltlich weitgehend der von 2002.

 

Besonders wichtig für den Sport ist, dass in §1 die Erholung – und damit auch der Sport nach §7 – wieder ein Gesetzesziel darstellt und als abweichungsfester allgemeiner Grundsatz ausgewiesen wurde. Ebenfalls als allgemeiner Grundsatz festgelegt ist das „Grundrecht“ der Natursportler, das Betretungsrecht in §59, das sich jetzt umfassend auf die „freie Landschaft“ erstreckt. Eine weitere Verbesserung gibt es für die vertraglichen Vereinbarungen: Gemäß §3 Abs. 3 soll jetzt „vorrangig geprüft werden, ob Zweck (der Maßnahmen) mit angemessenem Aufwand auch durch vertragliche Vereinbarungen erreicht werden kann.“

 

Die Gesetzgebung der Bundesländer hat die Annäherung weitgehend übernommen und aus der Praxis der Naturschutzverwaltungen gibt es viele gute Beispiele für allseits befriedigende Lösungen. Dennoch bleibt noch viel zu tun, bis die gemeinsamen Lösungsstrategien überall bekannt und willkommen sind.

 

Abgedruckt in „Sport schützt Umwelt“ des DOSB