The MOVEO 1000 Project
Jetzt oder nie - Die DIRS mit der Paradistanz von 1 km war um, die Wassersaison hatte noch nicht begonnen und man wird ja bekanntlich auch nicht jünger......Im März letzten Jahres hatten die Briten David Plumb und Stuart Thorp mir gegenüber im Rahmen der Veranstaltung in Chorley nahe Manchester, bei der ich mit 266, 061 Kilometern einen absoluten Weltrekord über 24 Stunden bei den Frauen aller Alter- und Gewichtsklassen auf dem Concept2-Ergo aufstellte, nebenbei erwähnt, dass die weltweite Rangliste über 1000 Kilometer bisher nur die Namen von sieben männlichen Ruderern enthielte. Bei Concept2 wird die Rangliste unter 1 Millionen Meter geführt. Das hört sich gleich noch viel weiter an.
Der Gedanke war in unseren Köpfen innerhalb der letzten Monate immer mehr ausgereift und wurde erst geplant, dann in die Tat umgesetzt. Eine Woche Urlaub musste für den Rekordversuch eingeplant und die perfekte Örtlichkeit mit dem entsprechenden Umfeld gefunden werden. Nicht ohne Grund hatten es bisher nur sieben Männer geschafft.
Eintausend Kilometer sind auf dem Rudergerät eine Dimension, die nicht nur mit einer extremen körperlichen, sondern, wenn nicht vor allem, mit außergewöhnlicher mentaler Anforderung verbunden ist.
Zunächst stand ich vor dem Zwiespalt im Winter im Rahmen der oben erwähnten Deutschen Meisterschafts-Serie ein gutes Ergebnis über 1000 Meter abliefern zu sollen. Große ruhige Trainingsumfänge wären hier zu Lasten von Schnellkraft und Kraftausdauer gegangen. So bereitete ich mich zunächst für 1000 Meter und nicht für 1000 Kilometer vor, startete zwei Wochen vor dem Tag X in Essen-Kettwig für den Waginger Ruderverein im letzten Bewerb der DIRS über die kurze Distanz und sicherte mir erneut den Titel in der Klasse LTA W, bevor der Kopf auf die ruhige Dauerbelastung programmiert werden konnte.
Am Samstag den 15. Februar um 8:35 Uhr war es dann soweit. Hans Schneese, Inhaber des Studios "MOVEO - Fitness an der Elbe", in dem jeder Jahr im Sommer die Deutsche Indoor Ergo Marathon Meisterschaft stattfindet, zählt den Countdown runter und schickte David und mich in Nünchritz, direkt am Elbufer zwischen Meißen und Riesa in Sachsen gelegen, auf die Strecke. Stuart kam später nach Deutschland gereist und wollte sich erneut an einen 24-Stunden Weltrekord machen.
Während David sich einen genauen Marsch- bzw. Ruderplan zurecht gelegt hatte, schwor ich eher auf Flexibilität und Rudern nach Gefühl, Gegebenheiten und Körperbefinden. Die Zeitnahme erfolgte offiziell über Rowpro, sowie zusätzlich über etliche Displayfotos mit Funkuhr kombiniert und unsere Logkarten zur automatischen Aufzeichnung aller Teilstrecken.
Wichtig war es vor allem auch dem Körper jederzeit genug Energie zuzuführen, also während des Ruderns ausreichend zu Essen und zu Trinken. Da man beim Rudern ja bekanntlich nicht im Stehen oder Liegen weiterfahren kann, waren durch die Nahrungsaufnahme, notwendige Schlafpausen, Toilettenbesuche, Kleidungswechsel und anderes Pausen unabdingbar. Je länger wir unterwegs waren, umso mehr wurden diese Pausen gern oder auch zwangsläufig notwendigerweise ausgedehnt. Innerhalb einer Woche hat jeder seine Höhen und Tiefen, ist zu anderen Tages- und Nachtzeiten gut oder schlecht drauf. Während ich meist vor Mitternacht ins Bett ging und um 3 Uhr morgens wieder anfing mich auf das nächste Teilstück vorzubereiten, ruderte David oft bis nach Mitternacht, stand aber später wieder auf. Bei so einer Distanz geht es nicht ganz ohne Schlaf, auch wenn er möglichst kurz gehalten wird. Man darf nicht vergessen, dass auch bei geringem Tempo die körperliche Dauerbelastung bei dieser Distanz nicht zu unterschätzen ist.
Aber auch andere Probleme neben der müden Muskulatur durch das eigentliche Rudern machten sich bemerkbar. Die menschliche Haut an Händen und vor allem auch am Gesäß ist zum Beispiel nicht für eine solche Belastung ausgelegt. Offene Blasen und Stellen wurden häufiger und größer.
Große Unterstützung erfuhren wir vom Team des Studios und auch von den Studiomitgliedern selbst. Neben aufmunternden Worten machten diese oft die Verpflegung zurecht, bedienten Wasserkocher, Kaffeemaschine und Mikrowelle oder brachten von zuhause Mahlzeiten mit. Neben sportgerechter Nahrung gab es somit auch viel Leckeres für Laib und Seele.
Am Sonntag ruderten Tino Kolitscher und Juliane Bläß, mein Teamkollegen vom Pararudern, die mit ihrem Trainer Herwig Ritter aus Halle angereist waren, ihr Training auf zusätzlich bereit gestellten Geräten und sorgten so für Abwechslung und mentale Unterstützung. Im Laufe der Woche gesellten sich auch Studiomitglieder oft vorübergehend dazu und ruderten auf den Ersatzgeräten zeitgleich ein paar Minuten mit.
In der Sonntagnacht, also nach dem zweiten Tag traf Stuart Thorp ein und das Trio war komplett. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits 350 Kilometer zurückgelegt und nahm mir vor nach drei Tagen bei der Hälfte der Strecke angelangt zu sein. Dass sich danach das Tempo von ganz alleine weiter reduziert war eh allen klar.
Leider wurde aus einem Rekord über 24 Stunden für Stuart nichts. Der alte Rekord war extrem hoch und nach 5 Stunden war ihm klar, dass es nicht klappen würde. Stuart schwenkte aber sofort um und stand unterstützend im Support zur Verfügung.
Die Tage und Nächte ähnelten einander, nur die Tagesform der Ruderer war ab und zu recht unterschiedlich. Am Donnerstag den 20. Februar war vorauszusehen, dass ich im Laufe des Freitagnachmittages das Ziel erreichen würde. Für David sollte es noch etwas länger dauern.
Unter tosenden Applaus im Studio, bei Anwesenheit der lokalen Presse und auch vieler begeisterter Fans von außerhalb, die den Weltrekordversuch im Laufe der Woche verfolgt hatten, legte ich dann am 21. Februar um 16:26 den letzten Meter zurück und dies bedeutete nicht nur absolute Damen- Weltrekordzeit von 6 Tagen, 7 Stunden, 51 Minuten und 10 Sekunden, sondern es ist überhaupt das erste Mal, dass eine Frau diese Distanz geschafft hat. In den Listen ist er in den Klassen W 50 lwt und LTA W zu finden. Nur drei Männer waren bisher schneller, alle anderen brauchten länger. Für David war das Ziel am Sonntagmorgen gegen 2 Uhr erreicht, knapp vor seinem Heimflug. Auch für ihn ist es mit 7 Tagen, 17 Stunde, 32 Minuten und 11 Sekunden ein sehr gutes Ergebnis und bedeutet Gesamtrang 6 von nunmehr seit Nünchritz insgesamt neun weltweiten Finishern.
Die Ergebnisse wurden nach der mehrtägiger Auswertung in den USA seitens der Firma Concept2 offiziell bestätigt.