06. Juli 2015 | Breitensport | von rkm

Baden-Württembergisches Wanderrudertreffen Radolfzell 1. bis 3. Mai 2015

Dr. Werner Rudolph, Wanderruderwart des LRV BW lud zum Baden-Württembergischen Wanderrudertreffen vom 1. bis 3. Mai 2015. Um die 80 Leute folgten seinem Ruf. Ausgerichtet wurde das Treffen von der Rudergemeinschaft "See x Rhein" Radolfzell, die mit dem Turnverein Radolfzell kooperiert. Dessen Vereinsgelände im Markelfinger Winkel war Veranstaltungsort.

Leider zeichnete sich der 1. Mai durch immer wieder durchlaufende Regenschauer und eine "s-teife Briese" aus SW aus, so dass doch mehr Boote als gedachtnicht über das Wasser, sondern auf dem Hänger ankamen. Trotzdem nicht schlecht, denn so konnte die Eignung des vom LRV-BW frisch angeschafften Kirchboots für genau dieses Wetter mit einer weit gefassten Schleife auf dem Untersee bestens erprobt werden. Und die Prüfung ergab ein herausragendes Testat: "Bestens geeignet!".

Am folgenden Freitag wurde das Boot von Taufpatin Renate Rudolph und Namensgeberin Johanna Kienzerle (langjährige Vorsitzende des LRV-BW) im Rahmen einer offiziellen Feier getauft auf den Namen "Johanna" - möge sie stets eine gute Fahrt und immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel haben! (...außer beim Trailern...)

Schon bei der dann offiziellen Jungfernfahrt zeigte sich eine weitere Tugend des Täuflings: auch mit dem Rudersport wenig Vertraute können sich innerhalb kürzester Zeit einfügen und dem Boote einen beachtlichen Vorschub verleihen, Probekandidaten für diesen Test waren bei der Jungfernfahrt der Erbauer des boots, die Bürgermeisterin der Stadt Radolfzell und der 1. Vorrsitzende des Turnvereins, alles Nicht-Ruderer. Dabei hilft, dass man nicht wie gewohnt abdrehen muss, sondern mit stehendem Blatt fahren kann. Das Abdrehen wäre technisch zwar möglich (die Riemen stecken in "normalen" C2-Riemendollen), ist aber nicht notwendig, denn man sitzt auf seinem Ergometer-ähnlichen Rollsitz gut 10 bis 15 cm höher über dem Wasser als in einem Standard-C-Boot. Dadurch hat man sehr viel Platz zum Wasser und eignet sich schnell eine "lässige", offene Handhaltung an auf den Griffen der Spezial-Riemen. "Spezial" wegen der höheren Sitzposition, wodurch der Knickwinkel von Standard-Bigblade-Riemen nicht mehr stimmen würde. Ein paar Ersatzriemen hat seinen festen Platz an Bord, Missgeschicken ist so vorgebeugt.

Mit der höheren Sitzposition geht auch ein deutlich höheres Freibord einher - zusammen mit den hochgezogenen Bug- und Heckpartien ist dem Boot so ohne jegliche Abdeckung von vorne herein eine große Wellentauglichkeit mitgegeben. Zudem befinden sich große Luftkästen als Auftriebskörper untern den Sitzen (leider etwas im Weg für die Waden Großgewachsener), und der Rest des Innenraums hält üppigen Raum für Gepäck aller Art bereit, und einen bequemeren Platz für das Kielschwein im Bug sah man noch nie. Derart ist da Boot bestens gerüstet für 14 Ruderer, einen Steuermann und einen "Wahrschauer" im Bug, so dass auch mehrtägige Reisen ohne Landdienst gemeistert werden können. 2 weiteren Personen (Steuerberater und Kielschwein-Berater) können zusätzlich im Boot bequem Platz finden.

Die Qualitäten auf dem Wasser sind ebenfalls überragend. Bei glattem Wasser stellt sich problemlos eine Geschwindigkeit ähnlich der gut besetzter C-Boote ein. Das Bootsgefühl ist weit weg von der Zähigkeit der bekannten, ponton-förmigen Barken, denn die "Johanna" hat nicht nur einen wahrhaft bootsförmigen Rumpf, sie ist auch entsprechend wendig, lässt sich so leicht manövrieren wie manches C-Boot und ist mit rund 22 kg/Nase ähnlich schwer. Seilschlaufen an den Bänken würden es sogar ermöglichen, sie aus dem flachen Wasser heraus an Land zu tragen - wenn es denn sein muss.

Die wahre Eignung und Überlegenheit zu A- bis E-Booten zeigt sich aber bei seetypisch rauerem Wetter. Die Ausfahrt des zweiten Tages führte uns um die Insel Reichenau herum bei stetigen 2-3 Bft und im Luv der Reichenau dem entsprechenden Wellengang von 20-40 cm Höhe. Selbst mit dem gedeckten C-Boot konnte man bestimmte Winkel zum Wind (45° ± immer mehr...) nicht mehr fahren, ohne fluchend Wasser zu übernehmen. Man musste regelrecht kreuzen ähnlich einem Segelboot: mehr direkt in den Wind vom Ufer weg, um dann mit Wind schräg von hinten und ablaufenden Wellen parallel zum Ufer um "Strecke zu machen". Und die "Johanna"? Bügelte einfach durch auf dem gewünschten Kurs und wurde immer kleiner voraus... und passierte als erstes Boot der kleinen Flottille die enge Passage unter dem Fahrdamm zur Reichenau hindurch. Mit lang gelegten Riemen kaum länger (12,5 m) und breiter (2,1 m) als ein Ausleger-bewehrtes C-Boot und auch vom Tiefgang her nur wenig "sperriger" ist sie auch dafür bestens geeignet.

Natürlich wurde nicht nur das Boot getestet, sondern auch das Revier. Gegenüber einem Flussrevier wie Lahn, Main, Neckar oder Weser muss man etwas anders planen, da Wind und Wellen so üblich sind wie der Sonnenaufgang. Dafür bieten sich unvergleichliche Ausblicke z. B. auf die Hegau-Vulkane, die gesamte Lieblichkeit des Seeufers und der daran liegenden Dörfer und Städte. Für deren Besonderheiten sei auf die einschlägigen Reiseführer z. B. aus dem Limpert-Verlag verwiesen. Mit Standort Radolfzell bieten sich Tagesfahrten an nach Konstanz oder Stein am Rhein (gleich hinter Öhningen links unten auf dem Bild), man kann aber auch einfach weiter fahren...

Das Anlanden mit der "Johanna" gestaltet sich ebenfalls überraschend einfach, da man durch die fehlenden Ausleger sehr dicht an die zahlreichen üblichen Bootsstege heranfahren kann. Und mit ein Bisschen Ausgleichen kann man dann auch einfach auf die hochliegenden Stegplattformen aufsteigen, Leinen und Fender gehören zu Grundausrüstung. Die andere Art des Anlandens am flachen Strand geht dafür zumindest für einzelne Person nicht ohne nasse Füße ab, die Anforderungen an Wassertiefe und Manövrierbarkeit sind doch höher als bei Gig-Booten, aber mit beherztem Hinlangen kann man auch die "Johanna" ans Ufer tragen und "trockenlegen".

Wer nun Lust bekommen hat, mal eine Wanderfahrt mit dem Kirchboot zu probieren, wende sich an Ansprechpartner Dr. Werner Rudolph (

wernerrudolph@gmx.de , Telefon 07622 9019451). Interessenten erhalten detaillierte Informationen zur Ausleihe des Boots per Mail zugesendet. Grundlagen für das Ausleihen sind der Abschluss eines Vertrags, Zahlung einer Benutzungsgebühr, sowie ein Nachweis für einen kompetenten Bootsführer und - soweit der Bootstrailer bewegt werden soll - für einen kompetenten Bootsanhängerfahrer.

Als Nachweis gilt neben einschlägiger Erfahrung aus der Vereinsarbeit u.a. auch die Teilnahme an diversen Lehrveranstaltungen des LRV BW (siehe auch

http://www.lrvbw.de/wanderrudern.html )