28. Juli 2016 | Elite | von Werner Löwenstein, Köln

Olympische Ruderwettkämpfe 1936

Vorbemerkung: Die olympischen Spiele 1936 standen in dem politisch-historischen Kontext des Nationalsozialismus und wurden vom Regime für seine Propaganda und politischen Zwecke eingesetzt. Die Auswahl der deutschen Mannschaft wurde auch unter den damaligen politischen Prämissen vorgenommen. Gleichwohl stehen die sportlichen Wettkämpfe nicht in Frage und werden im folgenden Beitrag gewürdigt. (Dag Danzglock) 

Vor 80 Jahren, genau am 14. August (in diesem Jahr übrigens der Schlusstag der Ruderrennen in Rio), feierte der Deutsche Ruderverband einen olympischen Triumph, der bis heute einmalig ist: Bei sieben Bootsgattungen der Männer (den Doppelvierer gab es noch nicht, das Frauenrudern wurde erst 40 Jahre später olympisch, und von olympischen Leichtgewichten war noch keine Rede) gewann Deutschland fünf Goldmedaillen, eine Silber- und eine Bronzemedaille. Die schöne runde Zahl verführt - wie bei einem 80. Geburtstg - dazu, an die großen Rudererfolge von Berlin-Grünau zu erinnern.

Nein, ich war leider nicht dabei, liebe Freunde, ich wurde erst ein Jahr später geboren. Aber ich weiß eine ganze Menge aus dieser Zeit und von diesem denkwürdigen Tag, aus verschiedener Literatur, aber auch (und das ist viel schöner und wichtiger) von Zeitzeugen, von später mit mir befreundeten Medaillengewinnern. Sieben Rennen also an diesem olympischen Endlauftag, in der damals üblichen Reihenfolge:

Der VIERER MIT STEUERMANN eröffnete den Reigen. Trainer Fritz Gwinner von der Mannheimer Amicitia, dessen 100. Geburtstag (!) ich 1990 in Luzern miterleben durfte, hatte eine gesunde Mischung zusammengestellt: Die Steuerbordseite mit reicher Erfahrung (Silber im Vierer ohne 1932), die Backbordseite mit jungen Leuten, dazu einen versierten Steuermann. Was die Fachwelt nicht erwartet hatte, trat ein: Die Mannschaft Maier, Volle, Gaber, Söllner, Stm. Bauer, schlug den berühmten, favorisierten Schweizer "Wundervierer", gewann die erste Ruder-Goldmedaille dieses Tages und sorgte für eine "positive Grundstimmung". Walter Volle, die Nr. 2, war dann seinerseits viele Jahre später Trainer des großen Vierers mit Steuermann vom Berliner Ruder-Club (Weltmeister 1962, Olympiasieger 1964).

Im ZWEIER OHNE STEUERMANN hatten Eichhorn/Strauß vom Mannheimer Ruder-Club das Vertrauen des Deutschen Ruderverbandes bekommen und enttäuschten es nicht: Es wurde die zweite, nicht unbedingt eingeplante, Goldmedaille.

Dann der EINER. Gustav "Gummi" Schäfer vom Dresdner Ruderverein war erst spät vom Schwimmen zum Rudern gekommen und hatte unter seinem englischen Trainer Cordery 1934 überraschend in Mainz die Deutsche und in Luzern die Europa-Meisterschaft gewonnen. 1935 war er eingebrochen, aber im olympischen Jahr wieder "auferstanden". Im windigen Finale von Grünau nahm er sein Herz in beide Hände, schlug den Österreicher Hasenöhrl und den Amerikaner Barrow und holte die dritte Goldmedaille für Deutschland.
Gummi Schäfer war nach dem Krieg noch Trainer in Wilhelmshaven und München, ein Mann der ersten Stunde bei der Gründung der Deutschen Olympischen Gesellschaft (DOG) 1951 und erreichte eine für einen Ruderer unglaubliche Popularität im deutschen Sport. Ich durfte bis zu seinem Tod 1991 zu seinen Freunden gehören.

ZWEIER MIT STEUERMANN. Gustmann/Adamski, Stm. Arend, hieß die deutsche Vertretung, die den Goldrausch souverän vervollständigte. Auch Gerhard Gustmann, der 1935 schon im Meisterachter gesessen hatte, wurde nach dem Krieg Trainer und war mitverantwortlich für die großen Erfolge des Vierers ohne von ETUF Essen (Europameister 1957).

Als fünftes Rennen der VIERER OHNE STEUERMANN. Die Mannschaft des Würzburger Rudervereins hatte auch ihre Geschichte. 1933 war sie Deutscher Meister im Achter. Ein Jahr später gewannen die vier Besten daraus die Deutsche und - wie Gummi Schäfer überraschend - die Europa-Meisterschaft im Vierer ohne; 1935 dann die Deutsche Meisterschaft in beiden Vierern und die Europa-Meisterschaft im Vierer MIT. Nach vielen Krankheiten hatte Trainer Freyeisen die Mannschaft zum olympischen Endlauf topfit gemacht. Nicht der Schweizer "Wundervierer", der bereits den Vierer mit gegen Mannheim verloren hatte und das zweite Finale an diesem Tag bestritt, war der große Gegner, sondern England. Aber die Würzburger Eckstein, Rom, Karl, Menne entschieden dieses Rennen mit ca. zwei Längen für sich; es war die fünfte deutsche Ruder-Goldmedaille in Folge.
Die Nr. 2, Toni Rom, gehörte 1967 zu den Gründern des "Ruder-Clubs Deutschland" und rief 1978 eine Wanderfahrt innerhalb des RCD ins Leben, die seitdem bis heute ohne Ausfall jedes Jahr durchgeführt wird. Ich erinnere mich mit großer Dankbarkeit an diesen bescheidenen, wunderbaren Menschen. Er wird allen, die ihn erleben durften, unvergessen bleiben.

Der DOPPELZWEIER. Kaidel/Pirsch waren aus der sogenannten "Skullerzelle" des Deutschen Ruderverbandes als Sieger hervorgegangen. Sie fuhren ein beherztes Rennen, mussten sich aber letztlich der Routine der Engländer beugen. Jack Beresford saß im Bug des englischen Zweiers. Er hatte 1920 olympisches Silber und 1924 Gold im Einer gewonnen. 1928 erreichte er Silber im Achter, 1932 Gold im Vierer ohne. Und nun die Goldmedaille im Doppelzweier, mit 37 Jahren. Wenn der Krieg es nicht verhindert hätte, dann hätte dieser Ausnahmeathlet 1940 mit 41 Jahren an seinen sechsten olympischen Ruderwettkämpfen teilnehmen können! In diesem Rennen also Silber für Deutschland.
"Bubi" Kaidels Sohn Siegfried ist der heutige Vorsitzende des Deutschen Ruderverbandes.

Und zum Schluss der ACHTER. 1935 hatte eine vom DRV aufgebaute Renngemeinschaft die Deutsche Meisterschaft gewonnen und war knapp Vierter der Europa-Meisterschaft geworden. Aber sie hielt ihre Form nicht und verlor die Deutsche Meisterschaft 1936 gegen den jungen Nachwuchsachter von Wiking Berlin, der nun die olympische Vertretung des Deutschen Ruderverbandes war.
Was wurde es für ein Rennen! Im Ziel Gold für USA, Silber für Italien, Bronze für Deutschland, alle drei innerhalb einer Sekunde. Die deutsche Mannschaft hieß Rieck, Radach, Kuschke, Kaufmann, Völs, Loeckle, Hannemann, Schmidt, Stm. Mahlow. Kaufmann und Mahlow wurden ein Jahr später in Amsterdam noch Europa-Meister im Vierer mit. Hannemann gehörte - wie Toni Rom - 1967 zu den Gründern des Ruder-Clubs Deutschland, heute "Ruder-Club Deutschland Stiftung Rudern".