22. Nov. 2016 | Panorama | von Iris Loch

Trainerfortbildung des LRV Rheinland-Pfalz in Osthofen

36 Trainer waren beim Lehrgang von Landestrainer Robert Sens in Osthofen dabei.

Was gehört von Trainer-, Verbands-  und natürlich von Athletenseite dazu, damit ein sportliches Projekt gelingt? Rund um dieses Thema drehten sich zwei  hochinteressante Tage mit einem langen diskussionsreichen Abend dazwischen.  Landestrainer Robert Sens hatte nach Osthofen eingeladen, 36 Trainerinnen und Trainer versammelten sich im bestens ausgestatteten Tagungsraum.

Welche Parameter sind zu beachten? Zunächst der Ansatz direkt am Menschen im leider noch zu oft vernachlässigten Bereich der psychologischen Betreuung. Hier konnte Dr. Annelen Collatz aus Essen aus ihrem beruflichen Alltag sowohl in der Begleitung von Menschen in Führungspositionen als auch von Ruderern berichten. Die Psychologin arbeitet als eine von vier Fachkräften seit 2011 im Team des DRV. Die Trainer-Athlet-Beziehung ist einer ihrer Arbeitsschwerpunkte. Beide Elemente hochsensibel und damit gleichermaßen zu betreuen.  Frau Dr. Colletz wünscht sich eine noch größere Offenheit, der Gang zum Psychologen sollte mit derselben Selbstverständlichkeit eingeplant werden wie der Termin beim Physiotherapeuten. Hier sind uns andere Sportarten, beispielsweise die Fußballer,  um Längen voraus.

Professor Dr. Mark Pfeiffer von der Johannes-Gutenberg- Universität in Mainz stellte Das REGman-Projekt vor. Diese Studie untersucht das individuelle Regenerationsmanagement von Athleten. Dazu gehört vor allem ein gezieltes Athletenmonitoring, also eine Datenerhebung medizinischer, psychometrischer und leistungsbezogener Daten über Traininigsprotokolle.  Diese müssen akribisch genau geführt werden, damit eine Trainingssteuerung überhaupt möglich ist. Neue Modelle mit vereinfachter Eintragung und Versendung direkt aus der Eintragungsmaske sind in Arbeit. Ein spannender Ansatz ist der Versuch, eine Entwicklungsprognose zu erstellen. Aufgrund vorhandener, real erhobener Daten kann durch Eingabe fiktiver Daten versucht werden, die weitere Leistungsentwicklung zu prognostizieren. Ohne, dass ich das Training meines Athleten in der Realität umstellen muss und ihn damit womöglich in eine Richtung schiebe, aus der ich ihn nicht mehr rechtzeitig herauslösen kann.

Ebenfalls aus der Arbeitsgruppe von Professor Pfeiffer stammten Erkenntnisse aus dem Bereich „Periodisierung im Krafttraining“. Herr Thiemo Pelzer stellte diese den 36 anwesenden Trainerinnen und Trainern vor. Periodisierung ist zu empfehlen, interessanterweise erzielten die Forscher aber ähnliche Ergebnisse bei unterschiedlichem Aufbau. Ob Blockweise oder wochenweise bestimmte Trainingsinhalte bearbeitet werden, zeigte keine signifikant unterschiedliche Wirkung. In der Beachtung der Wechselwirkung aller Trainingselemente muss individuell gearbeitet werden, auch im Bereich der Intensität, um Trainings- und natürlich Wettkampferfolge zu erzielen.

„ Und dann dachte ich mir, dann gehe ich eben mal zum Rudern.  Damals wusste ich noch nicht, dass das eine der  härtesten Sportarten  ist.“, ein Zitat  aus dem Bericht von Detlef Kirchhoff, dem ehemaligem Partner von Landestrainer Robert Sens. Drei olympische Medaillen hat Kirchhof errudert, das DDR-Sportsystem von Kindesbeinen an durchlaufen und nach der Wende noch bis einschließlich der Olympiade in Sydney gerudert. Zusammen mit  Roberts Vater, Manfred Sens, führte Kirchhoff am Sonntag morgen in den zweiten Lehrgangstag ein.  Herr Sens, der bis zur Wende im Bereich Leichtathletik als Trainer im DDR-System arbeitete, stellte die Talentsuche und  -förderung ab dem Altern von 9 Jahren vor. Ausgehend von einer Strukturbetrachtung des DDR-Sportsystems entspann sich im Plenum eine angeregte Diskussion. Ohne Frage ist vieles an der Durchführung ,  der Planerreichung um fast jeden Preis zu kritisieren und das möchte niemand zurück haben. Doch die Struktur des langfristigen Talentaufbaus vermissen wir heute in den meisten Sportarten, auch im Rudern. Die angemessene Entlohnung des Trainers auch und gerade im Nachwuchsbereich mutet den heute, zumeist ehrenamtlich neben einer außersportlichen Vollzeitstelle tätigen  Trainern vollkommen unrealistisch an. Zusammenarbeit unter den Trainern verschiedenster Sportarten im Hinblick auf Empfehlung, die für den Einzelnen aussichtsreichere, neue Sportart zu  probieren scheitert heute auch an durchaus verständlichen Vereinsinteressen. Weniger Mitglieder heißt weniger Zuschüsse, weniger Eltern, die zum Wettkampf fahren und die Kuchen backen beim Sommerfest. Doch im Sinne des Athleten wäre dies eine sehr sinnvolle Sache. Laufbahnberatung schon zu Schulzeiten, flexiblere Unterrichtszeiten für Spitzensportler und eine sichere Überführung in den Arbeitsmarkt.  Eine größere gesellschaftliche Akzeptanz, ja besser Anerkennung desjenigen, der sich wie in unserer Sportart üblich, mehr als täglich zum Training begibt, ist unabdingbar und zwar nicht nur bezogen auf Medaillengewinner bei Olympia!

Olympia – Rückschau auf das Projekt Moos/Osborne von 2012 bis 2016. Was sich hinter diesem Tagungsordnungspunkt von Landestrainer Robert Sens verbergen sollte, hatte sicher viele Teilnehmer nach Osthofen gelockt. Und es wurde niemand enttäuscht. Ganz im Gegenteil, den Anwesenden wurde durch Sens eine detaillierte, offene und selbstkritische Einsicht in vier Jahre Vorbereitung und Durchführung gewährt. Es ging gemeinsam in sportliche und menschliche Höhen und in schwierige Phasen. Woche für Woche der gesamten Olympiade war durch akribisch genaue Protokollierung von Trainer- und Athletenseite diskutiert. Es finden sich die Parameter aller Referenten wieder, die Psychologie in der Frage nach der Befindlichkeit, täglich. Die Laufbahnberatung in Reaktion auf Abitur und Studienbeginn, hier musste Training umgestellt werden, wohlgemerkt das Training eines der beiden Athleten individuell.  Welche Regenerationsparameter brauchte Moos, welche Osborne, welche Sens? Wie wurde reagiert auf Verletzungen? Welche Vor- und welche Nachteile brachte die Zusammenarbeit im Verband? Immer wieder auch die  Frage nach dem Krafttraining, eines der bestimmenden Elemente des Mainzer Modells, nämlich kein Krafttraining außerhalb des Bootes zu absolvieren. Die hohen Umfänge auf dem Rennrad. Für die anwesenden Trainerinnen und Trainer gab es Ausflüge in die internationale Sportwissenschaft, einiges wurde ausprobiert, manches rechtzeitig verworfen, manches fast zu spät und dadurch wurden Leistungen auch mal schwächer, Regatten weniger erfolgreich. Hier könnte in der Zukunft möglicherweise die Entwicklungsprognose aus der Trainingswissenschaft helfen, die am Computer zeigen kann, ob beispielsweise der Max-Kraft-Block zu diesem Zeitpunkt der Saison Sinn macht oder nicht.

Beide rheinland-pfälzischen Ruderer, Moritz Moos und Jason Osborne, hatten sich dem Plenum für Nachfragen zur Verfügung gestellt, was vom Plenum sehr positiv angenommen. Denn leider ist es heute für einen Sportler, der mit einem 9. Platz von der Olympiade nach Hause kommt, nicht sicher, ob er für seine Leistung tatsächlich Anerkennung erfährt oder nicht. Und sich dennoch einer großen Gruppe Trainer zu stellen, verdient Respekt.

Was wird mitgenommen? Zurück zu Detlef Kirchhoff: „Rudern ist eine der härtesten  Sportarten.“  Um dem Rechnung zu tragen, müssen viele Parameter passen. Ein hohes Engagement und Ausbildungsniveau der Trainerinnen und Trainer; Ruderinnen und Ruderer, die sich ganz auf ihr Sporttreiben konzentrieren können und Unterstützung in ihrem Leben außerhalb des Trainings erhalten. Ausgangspunkt erfolgreichen Sporttreibens ist eine gelungene, professionelle Trainer-Athlet-Beziehung, die an den richtigen Stellen individuelle Unterstützung aus Sportwissenschaft, Medizin und Verband erhält.