06. Aug. 2018 | Panorama | von Ralf Augsburg

Albertus-Magnus-Gymnasium Regensburg: „Denken wagen“

Das Albertus-Magnus-Gymnasiums Regensburg ist „Stützpunktschule für Rudern“. Foto: Albertus-Magnus-Gymnasium

„Denken wagen“ ist das Motto des Albertus-Magnus-Gymnasiums Regensburg. Die Tradition des humanistischen Gymnasiums zur Persönlichkeitsbildung wird heute in moderner Form gelebt, einschließlich offener Ganztagsschule und „Stützpunktschule für Rudern“.

Vorläufer des Albertus-Magnus-Gymnasiums in Regensburg war das 1505 gegründete Poeticum. Die im süddeutschen Raum verbreiteten „Poetenschulen“ wurden von humanistisch gebildeten Gelehrten, „Poeten“, geführt, und ihre Besonderheit bestand darin, dass nicht die Kirche, sondern die Stadt ihr Träger war. Ende des 19. Jahrhunderts wurde das älteste Gymnasium von Regensburg schlicht in „Altes Gymnasium“ umbenannt. 1962 erhielt es den Namen des Scholastikers Albertus Magnus, der von 1260 bis 1262 Bischof von Regensburg war.

„Durch unsere Tradition werden wir von Öffentlichkeit und Eltern als gesetzt wahrgenommen. Es herrscht Vertrauen in unsere Solidität“, freut sich Sebastian Thammer, der seit 2014 die Schule leitet, nachdem er zuvor bereits sechs Jahre in der Schulleitung mitgewirkt hatte. Die Bezeichnung „Elitegymnasium“ findet Thammer aber „irrig“. Zwar ist der Leistungsgedanke der Schule wichtig. Aber der Schulleiter nimmt auch wahr, dass manche Eltern das Wort „Elitegymnasium“ abschreckt.

„Das mit der Elite mag wahr gewesen sein für die Zeiten, als unser Gymnasium das einzige in Regensburg war und sich die Elite in Politik, Verwaltung und Kirche in Regensburg zwangsläufig aus Abgängern der Schule rekrutierte“, erzählt Thammer. Heute sei das Albertus-Magnus-Gymnasium mit seinen rund 700 Schülerinnen und Schülern eine „sehr moderne und breit aufgestellte Schule, die, wie es die Bayerische Verfassung fordert, auch Herz und Charakter fördert“.

Ganztag als Integrationsfaktor
Dazu gehört seit 1999 auch das offene Ganztagsangebot für die Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 5 bis 9. Rund 80 von ihnen nutzen das Angebot von zwei bis zu fünf Tagen in der Woche. Träger ist der „Verein der Freunde des AMG“. Diplom-Sozialpädagogin Margit Fuchs und ihr siebenköpfiges Team, darunter ein Diplom-Biologe und ein englischsprachiger Betriebswirt, sind für die Schülerinnen und Schüler da. In eigenen Räumen gibt es „Sport und Spiel in der Mittagspause“ – Kickern, Billard, Basketball, Tischtennis –, Lesen, Basteln und Entspannen, Hausaufgabenbetreuung in Kleingruppen, unterstützt von den pädagogischen Fachkräften, aber auch von Tutorinnen und Tutoren.

Für das neue Schuljahr sind knapp die Hälfte der Fünftklässler im Ganztag angemeldet. Die Motive sind unterschiedlich: Für manche berufstätige Eltern steht der Betreuungsaspekt im Vordergrund, andere schätzen die individuelle Förderung durch pädagogisches Fachpersonal in den Kleingruppen. „Wir empfehlen die Teilnahme am Ganztag auch Schülerinnen und Schülern, die noch nicht so gut Deutsch sprechen. Wenn sie die Zeit hier mit Mitschülern verbringen, ist der Ganztag auch ein Integrationsfaktor“, sagt Sebastian Thammer.

„Mensch sein für andere – ein mündiger Staatsbürger und erwachsen werden“
"Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ lautete der Leitspruch der Aufklärung. Der mündige Bürger als Sinnbild für Erwachsensein gehört auch zum Konzept zur Persönlichkeitsbildung, das im Albertus-Magnus-Gymnasium von der 5. bis zur 12. Klasse ganz vorne steht. Unter der Überschrift „Werteerziehung, soziales Lernen und Selbstkonzept“ haben Kollegium und Schulleitung ein Curriculum erstellt, das für jeden Jahrgang ein Schwerpunktthema setzt, dieses mit fest verankerten Veranstaltungen und Projekten verbindet und in den Fachunterricht integriert.

So lautet das Thema für den 10. Jahrgang „Mensch sein für andere – ein mündiger Staatsbürger und erwachsen werden“. Verbunden ist dies mit einer Fahrt nach Berlin, um die demokratischen Institutionen besser kennenzulernen, und der Fortsetzung der Schüleraustauschprogramme mit Partnerschulen in Frankreich und Italien, Griechenland, Schottland, Tschechien und den USA.

Rund 30 Schülerinnen und Schüler bilden den Schulsanitätsdienst. Aus der Oberstufe rekrutieren sich die Tutorinnen und Tutoren, die jüngere Mitschüler in den Lernzeiten der Ganztagsschule unterstützen. Feste Termine in der 9. Klasse sind ein Betriebspraktikum, ein Anti-Drogen-Projekt, die Teilnahme an „Jugend debattiert“ und ein Synagogentag. Schülerinnen und Schüler der 10. bis 12. Klassen engagieren sich in der Indien-Hilfe. Durch Verkaufsaktionen über das gesamte Schuljahr hinweg erwirtschaften sie 1.200 Euro jährlich, mit denen ein Studiumzentrum für jüngere Schülerinnen und Schüler im südindischen Bundesstaat Kerala für ein ganzes Jahr finanziert werden kann.

In jedem Jahrgang finden Projekte und Vorträge zur Medienerziehung statt. Das Gymnasium habe einfach auf Veränderungen reagieren müssen: „Die Smartphones drängten in die Schule, und damit kamen auch Probleme wie Mobbing per Handy ins Haus.“ Das Modul „AMG gegen Cybermobbing“ soll schon präventiv in der 5. Jahrgangsstufe wirken. In Kleingruppen, die von den Medientutorinnen und -tutoren der 10. Jahrgangsstufe gestaltet werden, setzen sich die Kinder mit Aspekten von Cybermobbing auseinander und entwickeln Handlungsmöglichkeiten und Regeln, die in den Schulalltag übertragen werden können.

Dass die Schule es mit dem Kantschen Imperativ hält, zeigt im Übrigen die 2009 getroffene Vereinbarung zur Stärkung des Schulethos, unterzeichnet von Schülerausschuss, Elternbeirat und Kollegium: „Jeder Schüler hat das Recht, ungestört zu lernen! Die Lehrkräfte haben das Recht, ungestört zu unterrichten! Jeder respektiert die Rechte der anderen!“

"Denken wagen"
Das Konzept zur Persönlichkeitsbildung „ist in einem langen Prozess entstanden“, erläutert Sebastian Thammer. „Wir haben zusammengetragen, was punktuell schon im Gange war, und das in ein Gesamtkonzept eingebunden. Wir wollten einfach systematisieren, statt nur anlassbezogen etwas zu veranstalten.“ Die Schule habe den Auftrag, die Schülerinnen und Schüler gegen politischen Extremismus zu immunisieren, und da reiche nicht der Sozialkundeunterricht. Viele seien sehr unpolitisch. Auch aus diesem Grunde ist das Albertus-Magnus-Gymnasium „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ geworden. Alles getreu dem Schulmotto „Denken wagen“.

Im Deutschunterricht steht die Förderung rhetorischer Fähigkeiten und der Gesprächsführung auf dem Stundenplan. Im Englischunterricht lernen die Schülerinnen und Schüler, Meinungen, Gefühle und Gedanken klar und differenziert auszudrücken. Der Religions- beziehungsweise Ethikunterricht befasst sich mit dem Leistungsdruck im Arbeitsleben. Latein wird genutzt, um propagandistisch-manipulative Schriften zu erkennen, und Altgriechisch, um die Denkmodelle europäischer Kultur zu verstehen. Gerade hat der Lateinkurs Q 11 eine Horaz-Vorlesung an der Ludwig-Maximilians-Universität besucht, unter dem Motto „Ridentem dicere verum!“ („Lachend die Wahrheit sagen!“). In der Wirtschaftslehre geht es unter anderem um das Bewusstwerden des eigenen Verbraucherverhaltens. Im Kunstunterricht deuten die Schülerinnen und Schüler globale und lokale Jugendkulturen und vergleichen sie mit den eigenen Selbstkonzepten.

Viele Projekte werden durch Lehrerinnen und Lehrer angestoßen, wie der Wahlkurs „Politik und Zeitgeschichte“, das Engagement als „Fair Trade“-Schule oder die Bewerbung als Umweltschule, die auf einen bei Greenpeace engagierten Lehrer zurückgeht, der mit der Umweltgruppe nun „einen Preis nach dem anderen gewinnt“, wie Sebastian Thammer verrät.

Die Bewerbung als MINT-EC-Schule geht indes auf die Initiative des Schulleiters zurück. „Ich wollte mit der Bewerbung sehen, wie stark wir mit unserem naturwissenschaftlich-technologischen Zweig wirklich sind und im besten Fall eine Bestätigung unserer guten Arbeit sehen“, so Sebastian Thammer. Die ist erfolgt: Im Schuljahr 2017/2018 wurde das Albertus-Magnus-Gymnasium Vollmitglied des MINT-Excellence-Netzwerks. Die Jury dürften unter anderem die Profilfächer Astrophysik und Biophysik der Oberstufe, die Experimentierwerkstatt der Unterstufe, Wahlkurse, Projekte und Nachmittagsangebote überzeugt haben: Schach, Imkerei, Jugend forscht, Umwelt, Elektronik, „Mathematik und Knobeln“, Technik.

Ein weiteres Standbein ist die Musik. „Wir sind kein Musikgymnasium“, stellt der Schulleiter klar, „aber die Musik nimmt bei uns einen breiten Raum ein. Die Kolleginnen und Kollegen haben ein Auge für Talente, und wir haben viele Konzerte, so wie jetzt zum Schuljahresende das Konzert der Streicherklassen und des Nachwuchsorchesters.“

Über den Unterricht in die Vereine
Pokale und Medaillen räumen auch die Kletter-AG und die Rudergruppe ab. Seit 2013 ist das Albertus-Magnus-Gymnasium „Stützpunktschule für Rudern“. Es erhält eine kleine Zusatzförderung vom Kultusministerium und kann so noch intensiver mit dem Regensburger Ruder-Klub und dem Regensburger Ruderverein auf der Donau zusammenarbeiten. „Wir können das Vereinsheim und die Boote nutzen. Die Vereine stellen wiederum die Trainer, die zwei Stunden in der Woche mit unseren Schülerinnen und Schüler aller Jahrgangsstufen trainieren“, sagt Sebastian Thammer. „Über den Unterricht finden einige den Weg in die Vereine.“

Schon zum zweiten Mal richtete das AMG das „Quattroballturnier“ mit verschiedenen Gymnasien der Region in vier Ballsportarten aus. Bei der Organisation waren alle Klassenstufen vertreten - als Cheerleader, Helfer am Verkaufsstand, Grillmeister, Sanitäter, Turnierleiter und Schiedsrichter. Seit dem Schuljahr 2017/2018 gibt es eine Sportklasse für besonders talentierte und interessierte Schülerinnen und Schüler. Weil das AMG Ausbildungsschule für Sportreferendare ist, kann ein hochwertiges Training angeboten werden.

Bewegung wird aber noch umfassender verstanden: Im Wahlkurs „Bewegungskünste“ stehen Einradfahren, Jonglieren, Balancieren und Diabolo auf dem Programm und in der Parkour-AG der kreative Umgang mit Bewegungslandschaften. Es gibt eine Fitness- und eine Tanz-AG. Die Fachschaft Sport beruft sich auf Pestalozzi: „Wem es gelingt, Menschen durch Körperübungen leuchtende Augen zu schenken, der tut Großes auf dem Gebiet der Erziehung!“