03. Jan. 2018 | Elite | von Judith Garbe

Ruderer abroad – Studium und Training in den USA

Der Campus der University of Washington in Seattle.
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Insgesamt 32 Ruderinnen und Ruderer befinden sich derzeit für ein Auslandssemester an 16 Universitäten in den USA. 50 Prozent der Athleten studieren an den drei Unis University of Washington, University of California (Berkeley) und Boston University. Doch was bewegt die Hochleistungssportler, ihr gewohntes Trainingsumfeld in Deutschland zu verlassen? Wie unterscheidet sich die Duale Karriere in den USA zu der in Deutschland? Wie sind die Trainings- und Wettkampfbedingungen vor Ort? Wir haben uns mal umgehört und mit einigen Studenten der University of Washington in Seattle gesprochen.

Bessere Kombination von Leistungssport und Studium
Die Gründe für ein Auslandsstudium sind sehr vielfältig. „Das Angebot, Leistungssport und Studium auf hohem Level zu kombinieren“, freut sich Tabea Schendekehl (Ruderclub Hansa Dortmund) und ergänzt: „Zudem bringt es viele neue Herausforderungen mit sich: Englisch sprechen, die amerikanische Kultur oder rudern in einem großen Team. Denn hier in den USA wird viel Großboottraining absolviert und wir haben viele internationale Mannschaftsmitglieder aus aller Welt.“ Auch die finanzielle und akademische Unterstützung dank Tutoren und flexibler Zusammenarbeit mit den Professoren ist eine andere. Der Unterricht bzw. die Studienbetreuung rund um den Unterricht ist auf Sportler zugeschnitten. Sie genießen ein hohes Ansehen. „Hier haben wir die Zusicherung eines Bachelor-Abschlusses innerhalb von vier Jahren. Außerdem bieten sie uns hochwertiges Training, ohne Druck sich für einen internationalen Wettkampf qualifizieren zu müssen“, erklärt Calina Schanze (Ratzeburger Ruderclub) und ihre Schwester Annemieke ergänzt. „Dank des Studiums haben wir die Möglichkeit, viel von den USA zu sehen, weil man zu den Regatten und Trainingslagern in viele verschiedene Städte reist.“

U23-Bundestrainerin Brigitte Bielig sieht den Trend des Auslandstudiums mit gemischten Gefühlen. „Aus DRV-Sicht betrübt es mich schon, dass viele unserer Sportlerinnen und Sportler den Angeboten amerikanischer Universitäten folgen, die sich ohne Zweifel sehr lukrativ anhören. Andererseits verstehe ich auch die Beweggründe der Sportler und ihren Eltern, wenn man in seinem Lebenslauf ein Auslandsstudium an namhaften amerikanischen Universitäten nachweisen kann, auch wenn nicht alle Studiengänge in Deutschland anerkannt werden.“  

Gute Trainingsbedingungen
Das Bootshaus ist oft fußläufig vom Uni Campus zu erreichen und bietet eine eigene Mensa, für die alle Mahlzeiten unter der Woche gestellt werden. „Wir haben einen kostenlosen Wäscheservice, Lernräume, Trainerbüros sowie einen Kraftraum mit teameigenen Krafttrainer und Physios und Ärzte“, erklärt Klara Grube (Lübecker Rudergesellschaft). Das Ruderrevier in Seattle mit einer Seenplatte und dem Schiffskanal ermöglicht ganzjähriges Rudern, eine zwei Kilometer lange Rennstrecke bietet optimale Wettkampfbedingungen. „Wir sind circa 75 Athletinnen, vier hauptamtliche Trainer und drei Praktikanten hier in Seattle. Pro Woche absolvieren wir um die elf bis zwölf Trainingseinheiten, darunter mehrere Ergo- und Wasserbelastungen. Am Sonntag haben wir trainingsfrei“, so Tabea.

„Durch dieses hohe Trainingspensum verzeichnen die Sportler sicherlich eine schnelle Leistungsentwicklung“, analysiert die U23-Bundestrainerin und ergänzt. „In den USA hat die Kombination von Studium und Sport eine ganz andere politische Stellung als in Deutschland, die durch die Universitäten finanziert und ermöglicht wird. Man trifft an den Universitäten auf ein System, welches zwischen Studium, Sport, Sportteam, Ausrüstung, Ernährung, Betreuung und Unterkunft optimiert ist.“ weiß Bielig. In Deutschland steht trotz vieler Kooperationen mit Universitäten der Sport besten Falls nur an zweiter Stelle. „Hier müssen von staatlicher Seite noch bessere Strukturen in der Vereinbarkeit Ausbildung und Hochleistungssport geschaffen werden“, fordert die U23-Bundestrainerin.

Der Unterschied zum amerikanischen Universitätsrudern und dem deutschen Hochleistungssport im Rudern besteht laut Bielig darin, „dass wir in der Langfristigkeit unsere Sportler zum Olympiasieger von morgen entwickeln wollen, in den USA hingegen setzen die Universitäten auf den schnellen Erfolg bei den Universitätsmeisterschaften. Da wird die technische und die systematische Ausbildung auch schon mal vernachlässigt.“

Unterschied Vereins- und Verbandsrudern in den USA
„Rudern ist in den USA höher angesehen und bekommt auch mehr (finanzielle) Unterstützung als in Deutschland“, so Calina. Mit über 7000 College-Ruderinnen in den USA ist die Leistungsdichte im Riemenrudern auch viel höher als in der Bundesrepublik, zudem ist das Trainings- und Wettkampfpensum permanent hoch. „Im großen Team fällt es aber viel leichter, sich für Trainingseinheiten zu motivieren“, erklärt Annemieke. Obwohl Rudern an amerikanischen Universitäten ein hohes Ansehen hat, so schlägt sich das nicht in der Gesamtheit des Verbandes wieder, der in etwa die Größe des DRV hat.

Permanenter Austausch zwischen Athleten und deutschen Trainern
„Wir stehen in regelmäßigem Kontakt zu unseren Trainern, um wichtige Daten auszutauschen und uns auf dem aktuellen Stand zu halten, was in Deutschland passiert“, so Klara. Auch Brigitte Bielig macht sich stets ein Bild von den Leistungen der Athleten. „Ich habe engeren Kontakt zu Juliane Faralisch (Frankfurter Rudergesellschaft 'Germania' 1869 e.V.) und Calina Schanze, die sich sehr engagiert haben, alle Sportler zu erfassen.“ Der Kontakt zu den dortigen Trainern ist aufgrund von Sprachbarrieren noch etwas eingeschränkt. „Hier baue ich auf die Unterstützung unseres Sportdirektors Mario Woldt“, so Bielig.

Gespräche mit möglichen Partnerunis wurden aufgenommen
In diesem Jahr wurden erste Versuche unternommen, mit amerikanischen Universitäten Partnerschaften aufzubauen. Mit der University of Washington, hat sich der DRV die Uni ausgesucht, an denen die meisten deutschen Ruderinnen und Ruderer studieren. „Wir sind in engerem Kontakt mit Coach Matt Rung von der University of Washington, der in diesem Sommer eine längere Zeit in Deutschland war und sich den U19 und U23-Trainern vorgestellt hat.“ Nächstes Jahr möchte Bielig gerne selbst in die USA reisen, um sich ein eigenes Bild von den Trainingsbedingungen dort zu machen.

Um eine gemeinsame Vorbereitung in Richtung Nationalmannschaftsboote zu gewährleisten, strebt der DRV an, das die Auslandsstudenten die Zeitschiene der nationalen Leistungskontrollen wie Ergo und Kraft vor Ort einhalten können und nach Möglichkeit unmittelbar nach den amerikanischen Universitätsmeisterschaften zurück nach Deutschland kommen. „Es wäre natürlich schön, wenn sich die deutschen Studenten in den USA auch schon das ein oder andere Mal zusammen in die Boote setzen könnten, um gemeinsam im Zweier oder Vierer zu rudern“, wünscht sich Bielig.  

Die Ziele der Athleten sind klar. „Wir wollen weiter erfolgreich mit unserem Uni-Team rudern sowie mit der deutschen Nationalmannschaft viele Erfolge einfahren“, erklärt Tabea.

Wir wünschen allen Auslandsstudenten bei dieser Mission viel Erfolg.