02. Aug. 2018 | Nationalmannschaft | von Judith Garbe

Stephan Riemekasten - "Mein Ziel ist Tokio2020"

Nach vier Jahren als Student in den USA ist Stephan Riemekasten seit vergangenem Jahr zurück und will sich nun in die Mannschaft für Tokio2020 rudern. Foto: Detlev Seyb

Stephan Riemekasten wurde 2015 mit Tim-Ole Naske U23-Weltmeister im Doppelzweier. Zwischen 2013 und 2017 war er Student an der Yale University und hat dort seinen Bachelor mit Auszeichnung bestanden. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland heiratete der Berliner und wurde Vater einer Tochter. Zudem ging er als Sportsoldat zur Bundeswehr, um sich voll und ganz auf Rudern konzentrieren zu können. Jetzt startet er zusammen mit seinem Bootspartner Max Appel bei der EM im Männer-Doppelzweier, ihr Ziel ist das Finale.
Wir haben mit dem 25-Jährigen unter anderem über sein Studium an der Elite-Uni Yale, das dortige Rudertraining und seine weiteren Ziele gesprochen.

Du hast im vergangenen Jahr dein Studium mit dem Bachelor of Science in Neuropsychologie an der Yale University mit sehr guter Auszeichnung abgeschlossen. Herzlichen Glückwunsch.
Vielen Dank. Ja ich habe quasi das amerikanische Pendant zum deutschen Physikum gemacht und war von 2013 bis 2017, also vier Jahre, drüben. Man muss sich das vorstellen wie bei Harry Potter. Die insgesamt 1200 Studenten sind auf zwölf Häuser verteilt. Von den 100 pro Haus werden jeweils zwei Studenten vom Präsidenten der Uni für besondere Leistungen ausgezeichnet und ich war einer von denen. Das war schon ein besonderer Moment, vor etwa 6000 Leuten da oben zu stehen. Jetzt darf ich mich „Student Marshall“ nennen. Bei mir ist neben der Studienleistung aber auch die ruderische Leistung mit eingeflossen. Von meinem Ruderteam wurde ich zudem zum „Most cooperative team member“ gewählt, auch das hat mich sehr gefreut.

Wie muss man sich ein Studium in Yale vorstellen, die Uni hat ja schon einen sehr elitären Ruf?
Wenn man in den USA studiert, dann hat man den Vorteil, dass Uni und Sport am gleichen Ort stattfinden, dass der Trainer mit den Lehrern in Kontakt steht und die Professoren von der Uni über jeden Wettkampf etc informiert sind und dadurch Rücksicht auf einen nehmen. Logistisch ist das alles viel einfacher, da die Uni dir den Rücken freihält. Wenn du in einem Fach schlecht bist, dann schreibt der Prof deinem Trainer, dieser gibt dir dann mehr Freiraum zum Lernen für das Fach. Denen ist wichtig, dass keiner auf der Strecke bleibt. Im Gegenzug erwarten sie aber auch, dass man den Abschluss in Regelstudienzeit ohne Ausfälle schafft. In Yale hat man zusätzlich den Sonderfall, dass die Uni extrem reich ist und finanziell extrem viel in jeden einzelnen Studenten investieren kann. Als Student hat man dadurch total viele Zusatzmöglichkeiten, wie zum Beispiel Gastvorträge von Hillary Cliton, bezahlte Skiwochenenden oder finanzierte Zusatzprogramme. Der Campus ist voller hochintelligenter Menschen die Ihr Wissen teilen, dadurch gibt es immer etwas Spannendes zu sehen und zu lernen.
Generell kommt dir die Uni sehr entgegen. Es wird für dich gekocht, die Bibliothek Fuß nah zu erreichen – das System ist so ausgelegt, dass du dieses enorme Pensum auch schaffst. Aber der Druck ist dadurch auch extrem hoch, deine Zeit ist total getaktet und keine Sekunde wird vergeudet. Ich denke immer, so muss sich der Chef von Microsoft fühlen.

Wie unterscheidet sich das Rudertraining in den USA von dem in Deutschland?
In Amerika wird nur im Achter trainiert, in Deutschland sitzen wir auch viel im Kleinboot, vor allem im Herbst und Winter. Hinsichtlich des Trainingsumfangs trainieren wir in Deutschland viel Grundausbauer und viele Trainingsblöcke, währen die Amis kaum Grundausdauer, dafür aber eine hohe Rennintensität, hohe Frequenzen und viel Intervalltraining machen. Zudem haben sie dort eine ganze andere Härte bei der Selektierung, dadurch ist der Druck höher.

Hast du während deines USA-Aufenthaltes Rennen für den DRV-bestritten?
Ja, ich bin 2015 mit Tim-Ole Naske U23-Weltmeister im Doppelzweier geworden.
In der Vergangenheit war man im DRV ja eher gegen ein Aufenthalt in den USA, das hat mich schon etwas schockiert. Aber man merkt, dass es einen Paradigmenwechsel gegeben hat, die Einstellung hat sich geändert, da auch immer mehr Leute nach Amerika gehen und es besser geworden ist, dies zu kombinieren.

Du hast im vergangenen Jahr geheiratet und bist Vater einer Tochter geworden. Haben sich deine Prioritäten dadurch verändert?
Nein. Ich habe vorher schon immer versucht, Zeit mit meiner Frau zu verbringen und beim Training 100% zu geben. Ich bin immer sehr intrinsisch motiviert. Ich weiß, wie ich mir alles einteilen muss und wenn ich meine nötigen Stunden trainiert habe, weiß ich auch, dass es an der Zeit ist, nach Hause zu gehen.

Bekommst du denn noch genug Schlaf?
Jetzt auf jeden Fall. Am Anfang war es schlimmer, aber meine Frau ist wahnsinnig toll und hat alle Nachtschichten übernommen. Aber man wird natürlich nachts wach, aber das ist alles zu managen. Im Vergleich zu Yale ist die Kombi aus Bundeswehr, Rudern und Kind deutlich entspannter.

Nachdem du im vergangenen Jahr aus den USA zurückgekommen bist, bist du als Sportsoldat zur Bundeswehr gegangen. Welche Saisonziele hattest du dir gesteckt?
Mein Ziel war es, in diesem Jahr zur WM zu fahren. Beim Frühtest in Leipzig bin ich Siebter geworden, da hatte ich auch noch Hoffnung. Allerdings war meine physische Entwicklung nicht ganz so gut wie erhofft. Ich musste dann doch feststellen, dass 2.000 m im Einer etwas anderes sind als im Achter. Da musste ich dann etwas Tribut zollen. In Berlin trainiere ich zusammen mit den beiden Olympiasiegern im Doppelvierer, Karl Schulze und Hans Gruhne. Bei manchen Einheiten war ich sogar schneller als die beiden, das hat mich natürlich positiv gestimmt. Aber irgendwann war klar, dass es mit der WM dieses Jahr nichts wird, aber ich noch die Chance habe, zur EM zu fahren. Ab dann bin ich dann auch viele kleinere Regatten gefahren, um Ergebnisse vorweisen zu können. Dadurch habe ich mich dann in die Position gerudert, bei der EM starten zu dürfen.

Du startest zusammen mit Max Appel im Doppelzweier. Was habt ihr euch hier für Glasgow vorgenommen?
Unser Ziel ist auf jeden Fall das A-Finale. Wir haben aber ein sehr starkes internationales Feld hier, alle großen Namen sind dabei. Da müssen wir auch realistisch bleiben, zumal wir auch erst seit 12 Tagen zusammen rudern. Aber wir passen gut zusammen und sind beide zuversichtlich, hier eine gute Leistung abrufen zu können.

Leider sind eure beiden Koffer bei der Anreise irgendwo stecken geblieben. Schränkt euch das jetzt auch im Wettkampf ein?
Es wäre auf jeden Fall sehr frustrierend, die EM ohne die eigenen Sachen zu bestreiten. Zumal man bei dem Wetter ja auch nicht nur im Einteiler und T-Shirt rudert, wir aber derzeit nichts anderes besitzen. Wir haben uns schon von den anderen Athleten Sachen geliehen, einiges mussten wir uns aber auch schon neu kaufen. Wir hoffen aber, dass die Koffer noch rechtzeitig ankommen. 

Wie sind die Bedingungen hier im Strathclyde Country Park?
Also das Wetter ist auf jeden Fall angenehm zum Rudern, es ist nicht so heiß wie in Deutschland. Aber die Strecke ist zwischen 500 und 1500 relativ offen und daher sehr windanfällig, von daher gibt es sicherlich einfachere Bedingungen.

Ist Tokio 2020 dein Ziel?
Definitiv. Ich möchte bei den Olympischen Spielen in Tokio im Boot sitzen, ob Doppelzweier oder Doppelvierer ist mir fast egal. Wenn ich es mir allerdings aussuchen dürfte, würde ich mich für den Doppelzweier entscheiden, das liegt mir vielleicht noch ein bisschen mehr.

Wie geht es nach der EM für dich weiter?
Ich bereite mich momentan auf den Einstellungstest für das Medizinstudium vor, der ist eine Woche nach der EM. Dann hoffe ich, im Wintersemester einen Studienplatz zu bekommen, um mich dann auch ein wenig um die duale Karriere konzentrieren zu können. Rudern und meine Familie wird aber bis Tokio 2020 auf jeden Fall meine Priorität bleiben.

Vielen Dank für das Interview!