02. Apr. 2019 | Wettkampfsport | von Judith Garbe

Vorfreude auf das legendäre „Boat Race“

v.l.: Die drei deutschen Teilnehmer Tina Christmann, Ben Landis und Achim Harzheim. Foto: The Boat Race Company
Cambridge (rechts) siegte sowohl bei den Frauen als auch bei den Männern. Foto: The Boat Race Company
Tina sitzt auf Position 7. Foto: AllMarkOne
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Am kommenden Sonntag, den 7. April, findet das legendäre „Boat Race“ zwischen den beiden renommierten englischen Universitäten Oxford und Cambridge statt.  Mit Tina Christmann, Achim Harzheim und Ben Landis mischen in diesem Jahr insgesamt drei deutsche Athleten bei der Boot gegen Boot Langstrecke über 6779 m zwischen Putney und Mortlake im Herzen Londons mit. 

Tina Christmann ist im September 2018 für ihren zweijährigen Forschungsmasters „Biodiversity, Conservation and Management“ (=Biologische Vielfalt, Naturschutz und Management) nach Oxford gezogen. Die 23-Jährige, die 2017 Bronze bei der U23-WM im Doppelvierer gewann, hat im letzten März ihre Leistungssportkarriere beendet. „Ich habe extrem früh – als 11-Jährige - mit dem Rudern angefangen. Nach elf Jahren hatte ich aber die Freude am Rudern und vor allem dem ganzen Einer-fahren verloren“, so ihre Begründung. „Ich hatte mich im Herbst 2017 schon in Oxford beworben und wurde mit einem Vollstipendium angenommen. Daher ging für mich mit meinem Bachelorabschluss im Sommer 2018 in Berlin ein Kapitel zu Ende, sodass ein Tapetenwechsel gut reingepasst hat. Ich wusste aber, dass ich nach einem halben Jahr Pause in Oxford mit neuen Einflüssen und einem anderen Programm wieder leistungssportlich einsteigen wollte“, erklärt die Studentin. Und da Rudern an englischen Unis, insbesondere in Oxford, groß geschrieben wird, dauerte es nicht lange, bis Tina wieder im Boot saß. „Der Stellenwert von Rudern hier ist schon ein anderer als in Deutschland. In jeder Universität gibt es hunderte Ruderer und mehrere College-Clubs. Auch in den Städten sind unzählige Ruder-Clubs ansässig, zudem werden viele große Langstrecken-Rennen auf der Themse, bei denen auch schnell mal über 400 Achter starten, ausgetragen.“

Rudertraining ist sehr technikfokussiert
Trainiert wird immer mit dem gesamten Team - von den morgendlichen Ergo-Einheiten über das Stabi-Training bis hin zu den nachmittäglichen Rudereinheiten. „Das bringt Freude, Spaß und einen unfassbaren Zusammenhalt“, findet Tina. Das Rudertraining selbst ist relativ technik- und rhythmusfokussiert. Neben einem Ruderbecken gibt es verschiedene Arten von Ruderergometern und zwei Trainer, „die sehr präzise und zielführende technischen Vorstellungen haben und diese auch gut mit uns umsetzen“, so die Stipendiatin. Das Trainingsumfeld empfindet Tina genauso professionell wie in Deutschland. „Wir machen Leistungsdiagnostik, alle möglichen Tests auf dem Wasser und Ergo, haben Physiotherapeuten und Physiologen, die uns unterstützen.“

Da es in England kein Teilzeit- sondern nur ein Vollzeitstudium gibt, ist Tina quasi gezwungen, das Rudern neben der Uni durchzuziehen. „Das Studium ist sehr intensiv und die duale Karriere noch einmal schwieriger zu koordinieren als in Deutschland. Aber man profitiert sehr, weil man von vielen intelligenten und interessanten Menschen umgeben ist“, erklärt die ehemalige Kaderathletin, die sich aufgrund ihrer guten Leistungen bei den Seat-Races, Ergotests und Testregatten in den vergangenen Monaten für einen der begehrten Plätze im Oxford-Achter der Frauen qualifiziert hat. „Dabei wird nicht nur Wert auf die physiologischen Parameter gelegt, sondern auch geschaut, wie gut man sich mental und technisch weiterentwickelt und ob man im Team funktioniert“, erklärt die Athletin des Hanauer Ruderclub Hassia e.V.

Im Winter um 05:45 Uhr auf’s Wasser
Da mit dem Boat Race das Saisonhighlight bereits im April stattfindet, spielt sich die komplette Trainingsvorbereitung im Winter ab. „Dann muss man auch schon mal um 5:45 Uhr auf’s Wasser. Dafür hat man dann im Sommer genug Zeit, den Uni-Stoff nachzuholen und einfach mal die Stadt zu genießen.“ Um den Kurs der Themse mit seinen außergewöhnlichen Gezeiten und Fahreigenschaften kennenzulernen, haben die Ruderinnen der Oxford Universität viele Wochenenden auf dem sogenannten „Tideway“ verbracht. Neben den zahlreichen Trainingseinheiten wurden auch Testrennen – sowohl Oxford-intern als auch extern gegen andere starke Uni-Teams und Clubs – gefahren. „So konnten wir verschiedene Abschnitte des Boat Races simulieren. Aufgrund des kurvigen Kurses ist es eine große strategische Steuerherausforderung.“

„Toll ein Teil der Boat Race Geschichte zu sein“
Um sich gemeinsam auf die „Alles oder Nichts“ Regatta einzustimmen, wohnt die Crew die letzte Woche vor dem Rennen zusammen in einem Haus in London. „Das ist schon alles sehr besonders und einzigartig. Alle Freunde und Bekannte aus Oxford kommen zum Rennen an die Themse, um zuzuschauen und anzufeuern“, freut sich Tina. Ob am Sonntag dann eine weitere Medaille und ein Pokal zu ihrer Sammlung hinzukommen, wird sich zeigen. „Aber darum geht es im Endeffekt nicht. Im Vordergrund stehen die gesamte Erfahrung, ein wunderbar anspruchsvolles und lohnenswertes drei-viertel Jahr als ein Team, eine große Challenge und Teil der Boat Race Geschichte zu sein - vor allem, weil die Frauen dieses Rennen erst seit 2015 auf dem Tideway austragen“, erklärt Tina voller Vorfreude.