24. März 2020 | Nationalmannschaft | von Judith Garbe

Woldt: „Olympia sollte um ein Jahr verschoben werden“

Sportdirektor Mario Woldt ist für eine einjährige Verschiebung der Olympischen Spiele.

Das Corona-Virus bestimmt unser aller Alltag. Täglich gibt es neue Meldungen und Vorschriften – auch im Sport. „Corona kann man nicht wegargumentieren. Es bewegt uns alle - von morgens bis abends – es gibt keine anderen Nachrichten. Egal wo man hinschaut, was man macht oder nicht macht – es ist wegen Corona“, so Sportdirektor Mario Woldt. An Training auf dem Wasser ist seit vergangener Woche nicht mehr zu denken. An einigen Olympiastützpunkten ist ein Training für Olympiakader immerhin unter strengen Auflagen noch möglich, so beispielsweise in Berlin oder Hamburg. „Aktuell sind die Olympischen Spiele noch nicht abgesagt, deshalb müssen wir uns auch darauf vorbereiten. Nur ist dies innerhalb Europas kaum noch möglich“, so Woldt.

Keine faire Vorbereitung möglich
Die aktuellen Vorschriften und Einschränkungen sorgen bei Sportlern und Trainern nicht unbedingt für einen Motivationsanstieg. Wenn das Training vier Monate vor Olympia so aussieht, dass jeder individuell zuhause auf dem Balkon oder im Garten auf dem Ruder-Ergometer fleißig Meter sammelt – dann kann man in einer Mannschaftssportart nicht von einer fairen Vorbereitung sprechen. Der Fokus der vergangenen vier Jahre lag komplett auf Tokio 2020. Der Deutsche Ruderverband hat versucht, der Nationalmannschaft bestmögliche Rahmenbedingungen zu schaffen, um sich auf das große Highlight optimal vorbereiten zu können. Aktuell sind aber auch dem DRV die Hände gebunden. „Wir sind ein Verband und brauchen einheitliche Regeln – die können wir aber gar nicht mehr machen, weil jedes Bundesland unterschiedliche Verordnungen hat. Wir müssten eigentlich für jeden Disziplinbereich unterschiedliche Regeln aufstellen – das würden wir intern aber wiederum nicht fair umsetzen können“, erklärt Woldt.  

Verschiebung um ein Jahr
Deshalb gibt es für Woldt auch nur eine vernünftige Lösung – „die Verschiebung von Olympia um ein Jahr. Das wäre im Sinne der allgemeinen Gesundheit. Dann hätten wir zumindest Klarheit und es käme etwas Ruhe rein. Wenn die Spiele frühzeitig verschoben würden, dann kann die ganze Maschinerie jetzt anfangen, umzudenken.“ Gehe man von einer Verschiebung von einem Jahr aus, dann könnte der Verband zeitnah alle nötigen Vorbereitungen treffen. Dazu zählen beispielsweise die perfekten Rahmenbedingungen für die Mannschaften schaffen, neue Nominierungskriterien aufstellen, Beschaffung der finanziellen Mittel, Buchung von Trainingslager etc. „Es gibt genug, was organisiert werden muss“, so Woldt, der eine Verschiebung von drei oder sechs Monaten ausschließt. „Der Sommer ist der beste Zeitraum, auch für die Fernsehmärkte. Im Winter kollidiert man dann wieder mit Wintersport und Fußball.“

Entscheidung erst in vier Wochen
Doch das Internationale Olympische Komitee möchte sich erst in knapp vier Wochen festlegen. Laut IOC-Präsident Thomas Bach „steht eine Absage aber nicht auf der Tagesordnung. Olympische Spiele können Sie nicht verschieben wie ein Fußballspiel am nächsten Samstag. Das ist ein sehr komplexes Unternehmen, bei dem Sie nur dann verantwortlich handeln können, wenn sie verlässliche und klare Entscheidungsgrundlagen haben und die beobachten wir tagtäglich, 24 Stunden."

Solche Aussagen lassen die Fragezeichen sowohl beim Verband als auch bei Aktiven und Trainern immer größer werden. „Vier weitere Wochen in der Schwebe hängen, das macht es nicht besser. Aktuell ist überhaupt kein Ende in Sicht, die Situation verbessert sich ja nicht. Wir wissen nicht, was morgen kommt“, so Woldt. Erste Verbände haben deshalb auch schon die Reißleine gezogen und einen Start in Tokio in diesem Sommer ausgeschlossen. Auch einige Sportler melden sich selbst zu Wort und äußern ihre Zweifel. In den Medien wird ein Festhalten am aktuellen Zeitraum ebenfalls immer kritischer gesehen. Für Weltmeister Oliver Zeidler ist eine Absage aber aktuell kein Thema. "Ganz klar habe ich keinerlei Intention in diese Richtung. Ich weiß auch nicht, was sich Athleten dadurch erhoffen. Die letzte Instanz in der Entscheidung haben weder wir Athleten noch das IOC, sondern die WHO, die die ganze Lage am besten einschätzen kann. Wir Athleten sollten statt für eine Verschiebung der Spiele lieber darum kämpfen, Ausnahmegenehmigungen zu erhalten, um uns optimal vorbereiten zu können“ so Zeidler gegenüber dem SID.

„Sind wir doch mal ehrlich. Schon jetzt sind die wirtschaftlichen Auswirkungen des Corona-Virus enorm. Viele Menschen fürchten um ihre Jobs, zahlreiche Unternehmen stehen möglicherweise vor dem Aus. Die existenziellen Sorgen sind phänomenal. Und wir machen uns Gedanken um die Austragung einer Sportveranstaltung, das passt nicht“, findet der Sportdirektor ehrliche Worte. Woldt weiß aber auch, dass für viele Sportlerinnen und Sportler ein großer Rattenschwanz an der Entscheidung hängt. „Natürlich müssen auch unsere Sportler planen können. Viele studieren und haben sich für dieses Jahr extra freistellen lassen. Wenn sie jetzt wüssten, dass Olympia um ein Jahr verschoben wird, könnten sie sich zumindest zeitnah mit ihren Unis abstimmen.“

Finanziell neu planen
Und der Verband könnte finanziell neu planen. Dank der sehr guten Partnerschaften mit den jeweiligen Hotels, Trainingslager-Orten und Reisebüros, konnte der DRV zu recht kulanten Bedingungen von den diesjährig geplanten Reisen zurücktreten. Vergangene Woche musste noch das Team Deutschland-Achter aus Portugal zurückgeholt werden. „Unser Partner Teamsportreisen hat das alles sehr schnell organisiert. So konnten die Sportler alle noch auf normale Flüge umgebucht werden. Es mussten nicht extra Chartermaschinen beantragt werden, so wie es bei einigen anderen Verbänden der Fall war“, erklärt Woldt und ergänzt. „Finanziell belastet uns die aktuelle Situation nicht allzu sehr. Bislang haben wir deutlich weniger Ausgaben. All das, was wir dieses Jahr nicht ausgeben, geht normalerweise zurück zum BMI. Für das nächste Jahr müssten wir dann alles wieder neu beantragen. Je früher wir das machen können, umso eher und besser können wir alles planen.“

Wie die neue Road to Tokyo aussehen wird, muss dann die FISA in Abstimmung mit dem IOC entscheiden. „Die qualifizierten Boote sollten auch qualifiziert bleiben. Aber eine neue Nachqualifikation müsste terminiert werden. Wir müssen dann national schauen, wie wir unsere Boote bilden“, so Woldt.

Doch bis es soweit ist, müssen sich alle noch etwas gedulden und weiterhin von Tag zu Tag schauen.