28. Aug. 2021 | Nationalmannschaft | von Judith Garbe

Christian Felkel: „Wir müssen Entscheidungen konsequent durchziehen“

DRV-Cheftrainer ab September 2021 - Christian Felkel

Am 1. September übernimmt Christian Felkel das Ruder vom leitenden Bundestrainer Ralf Holtmeyer, der sich in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet. Im Interview berichtet Felkel über seinen ersten Eindruck und erklärt, was sich im DRV ändern muss. 

Herr Felkel, Sie sind bereits seit Anfang des Jahres an Bord. Wie ist ihr erster Eindruck?
Ich war überwiegend im U19- und U23-Bereich unterwegs. Dort wird wirklich sehr gute Arbeit geleistet. Es wird als Team gut zusammengearbeitet. Das hat mir sehr gut gefallen.  

Zudem habe ich einige Stützpunkte besucht. Hier gibt es meiner Meinung nach Verbesserungspotenzial. Es wird zu wenig untereinander kommuniziert und zusammengearbeitet. Es passiert nicht wirklich viel übergreifend und es sind viele Einzelkämpfer unterwegs. Das hilft einem Dachverband wenig.

Immer wieder wird die Aufforderung nach Auflösung der Leitstützpunkte laut. Ist das der richtige Weg?
Es ist immer wichtig, interne Kritik anzunehmen, aber die Auflösung der Stützpunkte ist definitiv nicht die richtige Antwort auf die Ergebnisse der vergangenen Jahre. Ich warne davor, dass Kinde mit dem Bade auszuschütten. Ich sehe das Problem eher darin, dass die Leitstützpunktidee eigentlich nie richtig vollzogen wurde. Es gab wenig generelle Unterstützung im Verband. Wenngleich es in der Theorie größtenteils mitgetragen wurde, fehlte es in der Praxis an Konsequenz. Deshalb finde ich es schwierig, ein Konzept zu beurteilen, was so nicht stattgefunden hat.

Ich glaube, der Denkansatz, der bei uns zum Thema Standortgeschichte vorherrscht, ist falsch. Ich bin viel gereist und kenne viele Nationen. Wir verkaufen ein falsches Weltbild. Leute gehen heute dahin, wo die Leistung ist. Das zeigt sich beispielsweise auch unter den Studenten, von denen viele zum Studieren in die USA gehen. Nur Lokal zu leben, kann nicht der richtige Weg sein. Natürlich sollte man keinen zwingen, irgendwohin zu ziehen. Aber es muss uns gelingen, die Einstellung zu ändern, damit die Besten miteinander trainieren und sich gegenseitig anspornen.

Wir müssen jetzt entscheiden, wohin die Reise gehen soll. Ich habe bereits erste Gespräche mit vielen Verantwortungsträgern geführt. Ein erstes Konzept wollen wir bis zum Rudertag abstimmen. Wenn darin Einigkeit besteht, müssen wir den Weg konsequent durchziehen – ohne Wenn und Aber.

Sie waren zuletzt 12 Jahre in Großbritannien als Trainer tätig. Wie läuft es dort?
In Großbritannien trainieren alle Teams an nur einem Stützpunkt. Dort funktioniert es. Alles, was dort entschieden wird, wird konsequent durchgezogen. Die Leistungen in der Vergangenheit zeigen, dass es ein solides Vorgehen ist. Allerdings ist es nicht ein Garant für Siege. Aber das ist nicht unbedingt das Problem des Systems. Vier Tage nach den Spielen hat die Regierung direkt mehr finanzielle Unterstützung zugesichert. In Deutschland hingegen passiert seitens der Politik nichts, im Gegenteil, da ist es still. Das ist der falsche Weg.

Für mich geht es aber nicht darum, es zu machen wie die Briten. Die Ausführung ist zweitrangig. Aber dort wurde ein Konzept, eine Strategie herausgearbeitet, die von der Regierung, allen nationalen Sportverbänden, auch dem Ruderverband, abgesegnet und durchgezogen wurde.

In Deutschland schauen sich viele Leute den Leistungssport nur von ihrem Standpunkt an – wie läuft es in meinem Umfeld, was hilft mir persönlich – dadurch hängen wir. Wir sind nicht leistungssportlich orientiert, sondern am föderalistischen System. Der Leistungsgedanke ist in den Hintergrund und der politische Gedanke in den Vordergrund gerückt, das macht alles schwierig.

Wie schätzen Sie die Ergebnisse von Tokio ein?
Generell ist erstmal zu sagen, dass es an der Spitze ganz schwer ist. Wenn es einfach wäre, würde es jeder machen. Es geht immer darum, zu gewinnen. Der Achter als Konzept der zentralen Konzentrierung hat mit der Silbermedaille die Leistung gebracht. Auf der anderen Seite hat auch der leichte Männer-Doppelzweier, ein Gegenstück der Zentralisierung, ein sehr gutes Ergebnis erzielt. Darüber muss man jetzt diskutieren. 

Im Großen und Ganzen war auch Pech dabei, der 5. Platz im W4x war unglücklich. Aber das ist leider auch anderen passiert. Auch für Oliver Zeidler war es sehr schade. Erfolg und Niederlage liegen hier ganz dicht beisammen. Wichtig ist, dass wir als Team zusammenarbeiten und sich keiner total isoliert. Nur so können wir uns gegenseitig helfen.

Im Frauen-Riemenbereich waren wir leider gar nicht vertreten, daran müssen wir arbeiten.

Was können wir für Paris 2024 besser machen?
Es gibt 14 olympische Bootsklassen, wir sollten als Verband den Anspruch haben, soviel wie möglich zu qualifizieren. Deshalb müssen wir wieder mehr in die Breite gehen. Es ist sicherlich schwierig, alle 14 Boote zu qualifizieren, aber mehr als bisher sollte der Anspruch sein. Zudem sollten wir uns einig werden, was für eine Strategie wir verfolgen - viele Medaillen oder nur auf Goldmedaillen ziehlen.

Wir haben hervorragende Sportler. Wir müssen die nächsten eineinhalb Jahre nutzen und die schnellsten Athletinnen und Athleten in die schnellsten Boote bringen - dann können wir relativ zeitnah, auch schon in Paris, wieder vorne mitrudern. Am Ende werden für die Olympiade natürlich „nur“ 46 Sportlerinnen und Sportler gebraucht werden. Das ist für die Größe unseres Landes sehr wenig.

Für mich ist es jetzt wichtig, ein Team aufzubauen. Leute zu finden, die mitmachen und Begeisterung für den Wettkampfsport zeigen. Die für Deutschland rudern und gewinnen wollen. Diesen Anspruch müssen wir täglich leben. Dabei spielt auch Ehrlichkeit eine große Rolle. Das Ganze muss von ganz oben, dem Vorstand, bis nach ganz unten, den Mitgliedern in den Vereinen, unterstützt und gelebt werden.

Was bringen Sie für diese Aufgaben mit?
Zunächst möchte ich noch einmal betonen, dass wir ein strukturelles, kein personengebundenes Problem haben. Einfach einen Menschen auszutauschen, hilft da nicht. Alleine kann man wenig verändern. Wir müssen als Team arbeiten und das gleiche Ziel verfolgen, ansonsten wird es schwer.

Ich bringe auf jeden Fall die nötige Energie und den Spaß mit. Ich bin sehr stolz darauf, mein Land als leitender Bundestrainer vertreten zu dürfen. Ich möchte meine Erfahrungen gerne teilen und das Land und die Ruderer unterstützen. Mir hat es schon immer Spaß gemacht, Rudern zu trainieren. Ich mache es alles aus Überzeugung.