22. Jan. 2021 | Verband | von Hajo Hollatz

Fachressortleiter Michael Stoffels im Interview

Michael Stoffels engagiert sich bereits seit Jahren beim DRV für Umwelt.
Müll im Gewässer zu sammeln stellt eine Möglichkeit dar, sich für die Umwelt einzusetzen.
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Michael Stoffels ist Präsidiumsmitglied und Vorsitzender des Fachressorts Ruderreviere, Umwelt und Technik im Deutschen Ruderverband. Wir haben im Vorfeld des Welttages der Umweltbildung, am 26.01.2021, mit Herrn Stoffels gesprochen und dabei spannende Einblicke erhalten. Wie wird beim Deutschen Ruderverband das Thema Umwelt behandelt? Was können Vereine zum Erhalt der Umwelt tun und was beinhaltet das neue Umweltzertifikat des DRV? Diese und weitere Fragen hat Herr Stoffels für uns beantwortet.

Hallo Herr Stoffels,
vielen Dank, dass Sie sich Zeit nehmen für ein kurzes Interview. Am 26.01.2021 ist Welttag der Umweltbildung. Welchen Stellenwert hat das Thema Umwelt aus Ihrer Sicht für den Deutschen Ruderverband und seine Mitglieder?

Rudern ist zuerst einmal ein Natursport. Beim Rudern, egal ob auf der Trainings- oder Regattastrecke, ob auf dem heimatlichen Fluss, Kanal oder See oder auf Wanderfahrt sind wir mit unseren Booten auf hoffentlich sauberem Wasser und in frischer Luft unterwegs. Wer in den 70-er-Jahren auf schäumenden Gewässern mit toten Fischen im Smog unterwegs war, weiß die Fortschritte im Umweltschutz seither sehr zu schätzen.

Gewässerschutz ist ein zentraler Aspekt der Verbandsarbeit. Warum ist das so und wie schätzen Sie die Bedeutung ein?
Wir wollen als Sportler unsere freie Zeit in einer angenehmen Umgebung erleben und sind mit am nächsten am Wasser. Wir können selbst zuhause, bei der Arbeit und in der Freizeit dazu beitragen, Abfälle aller Art ordnungsgemäß zu entsorgen und noch besser gar nicht erst entstehen zu lassen.

Als Wassersportler können wir an den Gewässern viel Schaden anrichten, wenn wir vor allem zu Brutzeiten Fische, Vögel und Insekten verschrecken. Wer als Ruderer weiß, was rund um das Boot herum im Wasser und am Ufer passiert, kann da viel mehr Rücksicht nehmen.

Die Ansprüche an die Gewässer gehen aber viel weiter: Viele unserer Gewässer in Deutschland sind über Jahrhunderte mit Wehren, Mühlen, Kraftwerken und für die Schifffahrt verbaut worden, mit Veränderungen an der Durchgängigkeit der Gewässer für Fische und Kleinlebewesen. Bei manchen Flüssen mit wenig Industrie - und damit Schifffahrt - könnte man die von Menschen errichteten Bauwerke wieder zurückbauen und den Flüssen zugunsten der in ihnen lebenden Lebewesen ihren natürlichen Verlauf wiedergeben. Wir Ruderer gehören mit vielen anderen Menschen zu denen, die mit dem Fluss leben wollen – in unserem Falle muss der Fluss breit und tief genug sein.

Damit machen wir historische Ansprüche geltend, die strengem Naturschutz im Widerspruch stehen. Als Ruderverband wollen wir aktiv und zusammen mit vielen gesellschaftlichen Gruppen um das richtige Maß des Umwelt- und Naturschutzes ringen. Kompromisse kommen dann zustande, wenn wir durch unsere Aktivitäten nachweisen, dass wir umweltbewusste und verantwortliche Nutzer der Natur sind.

Was können die Vereine tun, um sich für den Schutz ihrer Gewässer einzusetzen?
Kanuten, Ruderer und Segler beteiligen sich gemeinsam am MUSS, dem Müll- und Unrat-Sammel-Sack. Damit können kleinere Abfälle bei der Wanderfahrt oder der Tagestour von der Rast am Ufer oder im Boot wieder an Land gebracht und entsorgt werden, und der fremde Party-Abfall kommt gleich mit in den Sack.

Wir rudern regelmäßig auf unseren Heimatgewässern und sehen an den Ufern jeden Tag besser als die meisten Landbewohner, wenn durch Hochwasser, Partys oder Wind - Plastik, Papier, Metall und andere Abfälle angeschwemmt, liegengelassen oder angeweht werden. Vor allem zahlreiche Wassersportler haben sich schon vor vielen Jahren allein, in kleinen oder großen Gruppen mit Abfall-Sammelaktionen an den Ufern ihrer Heimatgewässer engagiert, ohne das besonders publik zu machen. Heute heißt so eine Aktion CleanUp, und das gibt es an den Küsten, am Rhein, der Weser und vielen anderen Flüssen und wird medial durch verschiedene Plattformen zur Koordinierung der Aktionen unterstützt. So eine Aktion macht man halt nicht in der Brutzeit, sondern eher im Spätsommer. Und wir Ruderer haben dafür zusammen mit dem Naturschutzbund Deutschland, dem Deutschen Kanu-Verband, dem Deutschen Seglerverband und dem Verband Deutscher Sporttaucher den „Gewässerretter“.

Können Sie hier „best practice“ Beispiele nennen?
2020 haben sich Rudervereine aus Mainz, Köln, Neuss und Wesel am Rhein, Bernkastel an der Mosel, Wetter an der Ruhr an solchen CleanUp-Aktionen beteiligt. Mein Heimatverein, der Neusser Ruderverein hat unter Leitung eines engagierten Vereinskameraden 130 Menschen aus dem eigenen und einem Nachbar-Verein, der Sparkasse sowie zahlreiche Anwohner zusammengebracht und an fünf Kilometern Rheinufer hunderte Müllsäcke gesammelt. Das war der Aktionsgemeinschaft „Gewässerretter“ einen Preis im Gewässerretter-Wettbewerb wert.

Welche weiteren Bereiche sind sowohl für uns Rudersportler als auch die Gesellschaft allgemein von Bedeutung?
Der Klimaschutz: Viele Bootshäuser sind in die Jahre gekommen. Oft sind sie schlecht isoliert, die Heiz- und Warmwasserversorgung ist nicht energieeffektiv und kostet zudem viel Wartung, Öl oder Gas. Da lässt sich in den nächsten Jahren auch mit zahlreichen Fördermitteln des Bundes und der Länder einiges machen.

Und auf der Fahrt zur Regatta oder auf Wanderfahrt kann man natürlich darüber nachdenken, ob alle Teilnehmer mit privaten Autos oder per Gruppentarif klimaschonend anreisen.

Seit kurzem vergibt der DRV sein Umweltzertifikat an interessierte Vereine, die bestimmte Kriterien erfüllen. Können Sie dieses kurz erläutern und den Nutzen für Vereine und Gesellschaft hervorheben?
Mit dem DRV-Umweltzertifikat hat jeder Verein die Möglichkeit, seine Optionen auf umweltfreundliches Verhalten zu erkennen, zu bündeln und in praktische Maßnahmen umzusetzen. Er ist ein Vorbild für die Mitglieder und für andere Rudervereine. Letztlich sollte der vielleicht kleine Anfang bei den Umweltschutzideen zu einer selbstbewussten Darstellung der Leistungsfähigkeit eines Vereins werden können – und natürlich auch des Rudersports insgesamt.

In einem zweiten Schritt haben auch Einzelpersonen die Möglichkeit, sich über das Thema Umwelt fortzubilden, um ihr Wissen dann gezielt an die Vereinsmitglieder weitergeben zu können. Was denken Sie, kann die Einzelperson beitragen?
An zahlreichen Gewässern gibt es naturschutzrechtlich begründete Befahrensregelungen. Immer mehr Behörden versuchen, dem Wildwuchs bei unerfahrenen und in Sachen Regeln ungebildeten Wassersportlern ohne Vereinsbindung, die sich auf den Gewässern mit Mietbooten oder im Supermarkt gekauften StandUp-Paddling-Brettern ausbreiten, Einhalt zu gebieten. Zunehmend werden nur Wassersportlern, die als Verein, Fahrtenleiter oder gar Bootsführer nachweislich eine wassersportbezogene Umweltausbildung absolviert haben, weitergehende Befahrensrechte eingeräumt. Die Kanuten sind da erheblich weiter als wir. Wir werden in den nächsten Jahren mit speziellen Schulungsangeboten da ordentlich nachziehen und setzen auf großes Interesse daran.

Wie kann man sich darüber hinaus generell über das Thema Umwelt fortbilden?
Der Deutsche Olympische Sportbund bietet mit SPORT SCHÜTZT UMWELT viel Material aus den verschiedenen Verbänden. Langfristig hoffen wir natürlich, dass die praktischen Beispiele von den Rudervereinen mit einem DRV-Umweltzertifikat, die hier dargestellt werden, ihre Vorbildwirkung entfalten.