08. Juli 2021 | Nationalmannschaft | von Hans Strauß

Virtuelle Pressekonferenz der Nationalmannschaft: Gute Fragen, gute Antworten

Herzlich willkommen waren auch die zahlreichen Fragen der Journalisten in der virtuellen Pressekonferenz.

Von ihrer besten Seite zeigten sich die Athlet*innen des Deutschen Ruderverbandes, die am Mittwoch (8. Juli) an der virtuellen Pressekonferenz der Nationalmannschaft vor den Olympischen Spielen in Tokio teilnahmen. Nach einer Stunde bedankte sich Sportdirektor Mario Woldt nicht nur bei den knapp 20 zugeschalteten Journalisten aus ganz Deutschland für ihr Interesse und „intelligente Fragen“, sondern auch bei den teilnehmenden Sportlern aus den sieben qualifizierten Booten für teilweise sehr in die Tiefe gehende Antworten. „Jeder geht hier mit seiner eigenen Geschichte an den Start“, sagte Woldt.

Am meisten beeindruckte wohl „Mr. Doppelzweier“ Stephan Krüger, der vor seinen vierten Spielen eine offene Bilanz seiner Karriere und seiner persönlichen Entwicklung zog. „Vier Mal Olympia und vier verschiedene Stephans sind angetreten“, sagte der 32-Jährige. Sein aktuelles Fazit zeugte von Ergriffenheit: „Für mich werden es die letzten Spiele sein, ich genieße jeden Ruderschlag. So fit werde ich nie mehr sein.“

Aus dem japanischen Kinosaki, wo sie sich seit 2. Juli in den Wochen vor dem Start der olympischen Spiele in einem Trainingslager an das Klima und die Zeitumstellung gewöhnen, waren neben Woldt und Krüger der leitende Bundestrainer Ralf Holtmeyer, Jonathan Rommelmann (LM2x), Annekatrin Thiele (W2x), Frieda Hämmerling und Carlotta Nwajide (beide W4x), Karl Schulze (M4x) und Richardt Schmidt (M8x) in die Pressekonferenz zugeschaltet.

Zu Hause in Oberbayern saß hingegen Oliver Zeidler (M1x) vor dem Rechner. In Absprache mit dem Verband bereitet sich der Einer-Weltmeister auf der gewohnten Regattastrecke von Oberschleißheim auf die Spiele vor und fliegt erst zu den Wettkämpfen nach Japan. Warum, erklärte der 24-Jährige den Journalisten. „Die Strömung auf der Strecke in Kinosaki, die im Einer von großer Bedeutung sein kann, hat mir Sorgen gemacht. Ich möchte mich auf einem stehenden Gewässer, wie es in Tokio gegeben ist, vorbereiten. Da ist auch die Vergleichbarkeit meiner Zeiten gegeben.“

Oliver Zeidler simuliert Tokio in der heimischen Sauna
Um sich auf die für Tokio prognostizierten 32 Grad Temperatur und 90 Prozent Luftfeuchtigkeit einstellen zu können, haben sich Oliver und sein Vater Heino, der ihn trainiert, etwas einfallen lassen. Das Ergometertraining findet im aufgeheizten Sauna-Raum des Elternhauses statt. Für die Feuchtigkeit sorgt die parallel zur offenen Saunatür aufgedrehte Dusche. „Eine halbe Stunde muss sie schon laufen. 87 Prozent Luftfeuchtigkeit haben wir damit bisher hinbekommen“, verriet Zeidler.

Die Erfahrung der Athleten in Kinosaki mit der Strömung fallen hingegen nicht dramatisch aus. „Ich bin Elbe-Ruderer, aus meiner Sicht hält sich die Strömung in Grenzen“, sagte der zweifache Olympiasieger Karl Schulze aus dem Doppelvierer, bei dem nach dem schwierigen Saisonstart mittlerweile „ein gutes Selbstvertrauen“ herrsche. Die Temperaturen sind mit 22 bis 26 Grad nicht so hoch wie für Tokio erwartet, die Luftfeuchtigkeit ist durch den häufigen warmen Regen aber anstrengend. „Nach 20 Minuten Training bist Du durchgeschwitzt und dann läuft der Schweiß unaufhörlich“, berichtete Jonathan Rommelmann. Insgesamt sind alle Athleten froh, dass sie ausreichend Zeit haben, sich an die Bedingungen anzupassen, bevor am 17. Juli der Umzug nach Tokio ins Olympische Dorf folgt. „Es war eine echt gute Entscheidung, so früh anzureisen“, sagte Richard Schmidt, der mit dem Deutschlandachter schon Gold und Silber geholt hat.

Cheftrainer Ralf Holtmeyer sagt „unerwartete Ergebnisse“ voraus
Cheftrainer Holtmeyer, für den es nach 36 Jahren in DRV-Diensten die zehnten und letzten Olympischen Spiele sein werden, hielt sich mit Prognosen für die Spiele bei der Pressekonferenz zurück. Schon die windanfällige Strecke auf dem Sea and Forest Waterway könne für “unerwartete Ergebnisse“ sorgen, sagte er. Zudem gebe es in einigen Bootsklassen nur eingeschränkte Vergleichsmöglichkeiten, weil die Übersee-Nationen wegen der Pandemie auf die Weltcups verzichtet hatten. Besonders trifft das den Deutschlandachter, wie Richard Schmidt erläuterte, wo sich beispielsweise die USA seit dem Weltmeistertitel 2019 „nicht mehr blicken haben lassen“ und auch die Verfassung von Australien ein Rätsel ist.

Fünf Boote hoffen auf Medaillen
Trotz aller Unwägbarkeiten durften die Fragen nach den Zielen der deutschen Top-Ruderer für Tokio natürlich nicht fehlen. Die beiden Doppelzweier wollen überraschen. Die beiden Doppelvierer hoffen auf Medaillen, genauso wie der leichte Doppelzweier der Männer. Ebenfalls Edelmetall haben natürlich der Achter und der Einer zum Ziel, von Gold sprachen Richard Schmidt und Oliver Zeidler in der Pressekonferenz aber nicht. „Auf jeden Fall eine Medaille“ möchte Zeidler gewinnen. „Beim letzten Weltcup in Sabaudia“ (als er zum ersten Mal in diesem Jahr geschlagen und Dritter wurde), „waren die ersten Drei sehr eng beieinander. Deshalb möchte ich mir keine andere Zielsetzung geben“, sagte Zeidler.

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