06. Jan. 2023 | Nationalmannschaft | von Hans Strauss

Aus Nachbarn wird ein Erfolgsduo: Alexandra Föster und Sebastian Kleinsorgen

Alles begann beim nachbarschaftlichen Straßenfest: die EM-Dritte Alexandra Föster und ihr Trainer Sebastian Kleinsorgen bilden seit zehn Jahren ein erfolgreiches Team. Fotos: Meinruderbild
Professionell und trainingsfleißig: Schon als Kind wollte Alexandra Föster vier Mal in der Woche trainieren.
Bei der letzten Langstrecke in Dortmund selbst Teilnehmer: Trainer Sebastian Kleinsorgen bewies sich seine Fitness.
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Menschen aus dem Sauerland wird häufig ein Hang zur Sturheit, aber auch ausgeprägte Treue im Umgang mit anderen Menschen nachgesagt. Letzteres passt prima, wenn man die Geschichte von Alexandra Föster (20) und Sebastian Kleinsorgen (34) betrachtet. Seit Föster als Elfjährige vor zehn Jahren erstmals in ein Ruderboot kletterte, wird sie ausschließlich von Kleinsorgen trainiert. Das Duo aus Meschede im Hochsauerlandkreis machte nach vielen Erfolgen im Nachwuchsbereich im vergangenen Jahr erstmals auf der großen Bühne von sich reden. Nach EM-Bronze in München und dem Weltcup-Sieg in Luzern ist Föster im Frauen-Einer die große deutsche Hoffnung für die nächsten Jahre. Vielleicht schon für die Olympischen Spiele 2024 in Paris, spätestens aber für 2028 in Los Angeles.

Wie alles anfing, das ist eine wunderbare Story. Familie Föster und Familie Kleinsorgen wohnen nämlich in der gleichen Straße. „Jedes Jahr organisieren die Nachbarn ein Straßenfest. Als ich elf war, war Basti zufällig auch mal da, sonst war er zu diesem Termin immer bei den Deutschen Jugendmeisterschaften“, erzählt Alexandra. „Ich sprach sie an, ob sie montags nicht mal mit zum Training kommen wolle, um das Rudern auszuprobieren. Ihre Bedingung war: ‚Ich mach‘s, wenn Du mich das ganze Fest-Wochenende auf den Schultern rumträgst‘“, sagt Sebastian. Dass er es tatsächlich tat, wertet Alexandra heute lachend als „meine letzte große Verhandlungsleistung“.

Auf dem Wasser sofort Feuer gefangen

Es lohnte sich, dass sich Kleinsorgen mit dem andauernden Schleppen des Kindes für ein paar Tage „lahme Arme“ einbrockte. Auf dem Wasser des Hennesees, an dem der RC Meschede sein Vereinsgelände hat, fing Föster sofort Feuer. „Sie hat es ausprobiert und relativ schnell ein gutes Gefühl für den Einer entwickelt. Anfänger lernen bei mir das Rudern grundsätzlich im Einer. Nach zwei Wochen hatte sie es raus, wie man nicht reinfällt. Wir hatten damals eine gute Truppe, die sich gegenseitig mitgezogen hat. Mit zwölf Jahren wollte Alex schon vier Mal die Woche trainieren, danach war kein Halten mehr. So hat sie schnell auch viel erreicht“, sagt ihr Trainer. Auch Alexandras jüngere Schwester Frederike wurde Ruderin, saß 2021 bei der Junioren-WM im Achter, rudert mittlerweile aber nur noch gelegentlich. Über eine längere Zeit nicht mehr im Boot saß Alexandra seit ihrem Einstieg nur ganze zwei Mal: „Ein halbes Jahr, nachdem ich angefangen hatte, bekam ich Hausarrest, da durfte ich vier Wochen lang nicht zum Training kommen. Das war die längste Pause, bis ich Anfang 2021 Corona hatte.“

Mit dem Bachelor in das neue Jahr

Nach der A-Weltmeisterschaft im letzten September im tschechischen Račice hat sie das Training allerdings für drei Monate reduziert. Der Grund war ihre Bachelorarbeit, die sie noch vor Weihnachten an der Fachhochschule in Meschede abgeben wollte. Das klappte und auch das Kolloquium als abschließende Prüfung bestand sie drei Tage vor Heilig Abend. Das Bachelorstudium in Elektrotechnik hat sie damit erfolgreich und in ziemlicher Rekordzeit beendet. „Später will ich auf jeden Fall weiterstudieren. Ob ich ein Masterstudium draufsetze oder noch einmal ein Fach im Bachelor studiere, weiß ich aber noch nicht. Ich hatte den Schwerpunkt in Ingenieurinformatik gelegt, vielleicht würde ich die Informatik gerne weiter vertiefen“, sagt Föster. Sie freut sich nun, in den Winter-Trainingslagern „zwischen den Einheiten nichts mehr für die Uni machen zu müssen“.

Den Langstreckentest im November in Dortmund fuhr sie trotz des reduzierten Trainings mit. Ihr Ergometer-Wert war gut, auf dem Wasser reichte es nur zu Rang sechs auf der 6000-Meter-Distanz. Erklärbar, aber damit war sie nicht zufrieden. Ebenfalls als Aktiver dabei war in beiden Disziplinen ihr Trainer, der sich seine gute Fitness mit Platz 23 auf dem Wasser bewies. Bei den Schwergewichten, obwohl er eigentlich bei den Leichtgewichten zu Hause ist. „Ich war zwei Kilo über der Grenze, hatte aber keine Lust abzunehmen. Ich mache das ja sowieso nur aus Jux und Dollerei“, sagt Kleinsorgen. Dass es „auf dieser Distanz schon ein Stück weit weh tut“, nimmt er dabei in Kauf. Kleinsorgen sitzt einfach zu gerne selbst im Boot. Er begleitet die Trainingseinheiten mit Alexandra auch nicht am Land auf dem Rad oder im Motorboot, sondern im eigenen Einer nebenher.

Der Trainer reduziert seine Arbeitszeit im Beruf

Die Saison 2023 beginnt für beide erst jetzt so richtig – mit dem großen Ziel Olympia-Qualifikation bei der WM im September in Belgrad. Seit 3. Januar befinden sich beide im DRV-Trainingslager mit den Skull- und Riemen-Männern im portugiesischen Lago Azul. Der Grund für die ungewöhnliche Konstellation: Kleinsorgen hat während des Trainingslagers der Frauen „nicht verschiebbare Termine“. Er hat seine Arbeitszeit als Vermessungsingenieur bei der Bezirksregierung Arnsberg seit 1. Januar ohnehin schon auf 30 Stunden reduziert, um mehr Zeit für das Training zu haben und seine Familie mit den beiden kleinen Töchtern (5 und 3 Jahre) nicht zu vernachlässigen. Beim DRV hat er jetzt einen Honorarvertrag.

2022 brachte seinem Schützling, der am 13. Januar in Portugal den 21. Geburtstag feiert, den Durchbruch im Elite-Bereich: Weltcup-Rang vier in Poznań und Sieg in Luzern, Dritte bei der Europameisterschaft, Siebte bei der Weltmeisterschaft - dazu erneut U23-Weltmeisterin im Einer. Fösters packender Endspurt zu Bronze bei der EM in München war der emotionale Höhepunkt aus Sicht der ansonsten nicht verwöhnten deutschen Zuschauer. Die stets selbstkritische Alex hatte nach dem Finale aber keineswegs euphorisch reagiert. „Ich habe mich schon über meine Medaille gefreut in München. Ich hatte mich nur geärgert, dass die Griechin noch vor mir war“, stellt sie nun klar.

WM-Finale würde Paris-Ticket bedeuten

Das verpasste WM-Finale in Tschechien war für sie ein Schlag, den sie verdauen musste – und das mit dem Sieg im B-Finale auch bestens hinbekam. „Aus der ´Niederlage` im WM-Halbfinale haben wir unsere Schlüsse gezogen. Insgesamt bin ich schon super zufrieden mit der Saison; wenn das 2023 so weiterginge, wäre ich auch sehr glücklich damit“, sagt Föster. „Wir müssen das Training so steuern, dass wir den Leistungshöhepunkt bei der WM erreichen. Letzte Saison hatte ich den Eindruck, dass wir vor der WM besser drauf waren als in Prag, und das darf nicht wieder passieren. Ich hoffe schon, dass wir etwas mehr herausholen können“, sagt Kleinsorgen. Die Finalteilnahme in Belgrad würde bereits das Ticket für Paris bedeuten.

In Račice stand Föster bei der WM-Medaillenzeremonie für den Einer der Frauen unter den Zuschauern und klatschte den Dreien auf dem Podium herzlich Beifall. Man kann das bemerkenswert finden angesichts ihrer persönlichen Enttäuschung, aber für Alexandra gehört das dazu. „Karolien Florijn oder Emma Twigg sind noch eine andere Hausnummer als ich, und in dem Moment einfach Vorbilder. Ich finde es beeindruckend, was die beiden auf die Beine stellen, und dann ist es nur fair, wenn man ihnen den Erfolg gönnt.“ Aber irgendwann will sie auch mal da oben stehen. „Natürlich ist das langfristig mein Ziel. Ich hätte auch dieses Jahr schon gerne da oben gestanden.“

Athletin und Trainer auf Augenhöhe

Was sind Alexandras Stärken? Vielleicht ihre professionelle Einstellung und dass sie sich gut schinden kann? „Das passt“, sagt der Trainer. „Antreiben muss man den Sportler immer, aber auch ich als Trainer muss mich manchmal antreiben lassen, wenn es mal hapert an der Motivation. Die Begabung, beißen zu können, und auch körperlich einiges bringt sie mit.“ Ein wesentlicher Erfolgsfaktor scheint aber etwas anderes zu sein. „Alex kontrolliert das Training mit, wir steuern es gemeinsam. Wir machen es auf Augenhöhe. Das ist etwas Besonderes, das gibt es in keinem Stützpunkt, und macht uns aus. Alex trainiert jetzt schon fast zehn Jahre bei mir, das ist einfach so gewachsen“, sagt der Trainer.

Alexandra Föster freut sich, dass ihre Erfolge daheim in Meschede anerkannt werden und sich nun auch ein persönlicher Sponsor gefunden hat.  „Mit ITH Schraubtechnik haben wir eine Vereinbarung auf Zusammenarbeit getroffen. Das ist ein weltweit agierendes Familienunternehmen, das sich auch zu Hause sehr einbringt.“ Sebastian Kleinsorgen ergänzt: „Heimatverbunden und international erfolgreich – die Firma und wir passen sehr gut zusammen.“