Küste - Kraft - Kognition — Deutschlands Coastal-Rowing-Team testet im TSG ResearchLab für Olympia 2028
Was bislang wie ein actionreicher Freizeitbereich des Ruderns wirkte, wird ab 2028 olympisch: Coastal Rowing feiert bei den Spielen in Los Angeles seine Premiere. Die Bilder sind spektakulär: Start am Strand, Sprint zu den Booten, Wellenritt mit Richtungswechseln um See-Bojen, ein Finish barfuß sprintend — wer den Buzzer am Strand als Erste oder Erster drückt, gewinnt. Doch hinter dem Spektakel verbirgt sich ein hochanforderndes Wettkampfformat, das weit über Kraft und Technik hinausgeht.
Orientierung unter Extrembedingungen
Coastal Rowing verlangt alles ab. Neben physischer Stärke und technisch flexiblem Rudern rückt vor allem die räumliche Orientierung in den Fokus. Wo im klassischen Rudern minimales Steuern dominiert, herrscht auf dem Meer Unwägbarkeit: Wellen, Wind und Richtungswechsel erfordern schnelle Entscheidungen und exzellente periphere Wahrnehmung.
Deshalb besuchte das deutsche Coastal-Rowing-Nationalteam am 27. Juni 2025 das TSG ResearchLab in Zuzenhausen in Baden-Württemberg. Das gemeinnützige Zentrum steht in enger Verbindung zum Fußball-Bundesligisten TSG 1899 Hoffenheim, arbeitet aber auch mit anderen Sportarten oder Klienten zusammen — bspw. in der Rehabilitation nach Schlaganfällen. Durch einen Vortrag des Geschäftsführers Dr. Jan Spielmann auf einem Kongress im Jahr 2024 wurde der DRV-Wissenschaftskoordinator Dr. Kay Winkert auf das Institut aufmerksam und erkannte sofort die Mehrwerte für die neue Ruderdisziplin. Kurze Zeit später war der Kontakt geknüpft, und das Team des TSG ResearchLabs — ebenfalls vom Coastal Rowing fasziniert — lud das Coastal-Rowing-Germany-Team auf das Trainingsgelände der TSG ein.
Im Zentrum des Besuchs stand eine sportpsychologische Diagnostik, die klassische psychophysische Testverfahren mit innovativen Virtual-Reality-Szenarien kombinierte. Sechs Athletinnen und Athleten — darunter Julia Tertünte, Sophie Leupold, Marion Reichardt, Laura Brenker, Franz Werner und Moritz Wolff — stellten sich gemeinsam mit Bundestrainer Adrian Bretting der Frage: Wie testen und trainieren wir die kognitiven Fähigkeiten, die auf dem Meer den Unterschied machen?
Rudern in der Helix Arena: Wissenschaft trifft Praxis
Für das Forschungsteam rund um Dr. Jan Spielmann war es eine Premiere: Zum ersten Mal wurde ein Ruderergometer in die weltweit einmalige „Helix Arena“ — eine 360°-Projektionsumgebung — integriert. Anders als bei sonst üblichen, stehenden Orientierungs- und Aufmerksamkeitsaufgaben mussten die Sportlerinnen und Sportler ihre kognitive Leistungsfähigkeit unter körperlicher Belastung auf dem Ergometer abrufen. „Eine realitätsnahe Simulation“, wie Spielmann betont.
Analysiert wurden u. a. Exekutivfunktionen, Motivation, Stressverarbeitung und insbesondere das periphere Sehen — also die Fähigkeit, Reize und Objekte außerhalb des direkten Blickfelds zu erfassen. Eine Fähigkeit, die bei Seegang und engem Gegnerkontakt im Coastal Rowing entscheidend ist.
Adrian Bretting: „Neue Erkenntnisse auf dem Weg nach Los Angeles“
Bundestrainer Adrian Bretting zeigte sich nach dem Besuch beeindruckt: „Es war auf vielen Ebenen beeindruckend. Nicht nur die Expertise des Teams rund um die Tests ließ keine Wünsche offen, sondern insbesondere auch die Herzlichkeit, mit der wir empfangen wurden, wird den Athlet:innen und mir noch lange im Gedächtnis bleiben. Wir sind sehr glücklich, dass wir mit dem TSG ResearchLab einen extrem starken Partner zur Weiterentwicklung unserer kognitiven Fähigkeiten für uns begeistern konnten. Wir freuen uns extrem auf die weitere Zusammenarbeit auf unserem Weg nach Los Angeles.“
Wissenschaft als Leistungspartner
Der Besuch markiert einen wichtigen Schritt in der Vorbereitung auf die Olympischen Spiele — und zeigt exemplarisch, wie sich Leistungssport weiterentwickelt: nicht nur durch härteres Training, sondern durch kluge Kooperationen und evidenzbasierte Diagnostik. Ein besonderer Dank gilt dem Forschungsteam des TSG ResearchLabs: Jan Spielmann, Jonathan Ott, Lena Steindorf und Leslie Carleton-Schweitzer — und ebenso den Athletinnen und Athleten des DRV für ihre Offenheit und ihren Pioniergeist im neuen olympischen Terrain.
Weitere Informationen zum TSG ResearchLab: https://www.tsg-researchlab.de/