03. Mai 2023 | Nationalmannschaft | von Hans Strauss

Oliver Zeidler: Zurück am Ort seines besten Rennens

Oliver Zeidler bei den Deutschen Kleinbootmeisterschaften vor wenigen Wochen. Foto: Seyb/Derlien

Mit nur einem Boot ist der Deutsche Ruderverband beim Auftakt der neuen Weltcup-Saison von Freitag bis Sonntag (5. bis 7. Mai 2023) in Zagreb vertreten. In dem sitzt allerdings sein einziger amtierender Weltmeister: Oliver Zeidler (Frankfurter RG Germania) nutzt die Chance, schon internationale Wettkampfpraxis zu sammeln. Vor zwei Jahren hatte er auf dem Jarun-See trotz einer deutlich niedrigeren Schlagzahl als der Zweit- und Drittplatzierte einen klaren Weltcup-Sieg gelandet. „Es war das beste Rennen seiner Ruderkarriere“, sagt sein Vater und Trainer Heino Zeidler heute. „Dieses Feeling will ich noch mal mitnehmen“, unterstrich Olli schon nach seinem Sieg bei der deutschen Kleinboot-Meisterschaft in Brandenburg an der Havel.

Von der Papierform her ist er in Zagreb der klare Favorit. Keiner seiner fünf Konkurrenten aus dem WM-Finale vom vergangenen September hat in Kroatien gemeldet, alle wollen erst bei der Europameisterschaft Ende Mai in Bled (Slowenien) ihre Karten aufdecken. Der Niederländer Melvin Twellaar, den Zeidler bei der WM deutlich auf Platz zwei verwiesen hatte, scheint ihm sogar ganz aus dem Weg gehen zu wollen. Auf seinem Instagram-Kanal ist zu sehen, dass Twellaar für die EM derzeit wieder mit seinem langjährigen Partner Stef Broenink im Doppelzweier trainiert.

Comeback von Sverri Nielsen

Einige namhafte Gegner warten auf Zeidler in Zagreb trotzdem. Sverri Nielsen (Dänemark), der WM-Zweite von 2019 und Olympia-Vierte von Tokio 2021, gibt nach einem Jahr Wettkampfpause sein Comeback. Am Start sind auch der letztjährige EM-Dritte Kristian Vasilev (Bulgarien) und Lokalmatador Damir Martin (Kroatien), der Olympia-Dritte von Tokio.

Neben den guten Erinnerungen an Zagreb sprechen für Heino Zeidler noch weitere Argumente für einen Start in der kroatischen Hauptstadt. „Einmal ist jeder Weltcup besser als Training. Zum anderen kann man, weil das Feld beim Weltcup-Auftakt eher beschaulich ist, während der Rennen auch mal etwas ausprobieren. Zum Beispiel einen schnellen oder einen verhaltenen Start. Die Vorfreude ist groß bei uns.“

Vater und Sohn werden nach der EM auch die beiden anderen Weltcups in Varese und Luzern bestreiten. Alles ist aber auf die Weltmeisterschaft Anfang September in Belgrad (Serbien) ausgerichtet. Dort geht es für Oliver Zeidler dann zwar auch um die erfolgreiche Titelverteidigung, in erster Linie aber um die Qualifikation für die Olympischen Spiele 2024 in Paris. Die ersten Neun der WM im Männer-Einer haben es geschafft. „Man sollte nie einen Schritt vor dem anderen machen. Ein Fehler im Vorlauf und Du bist raus. Lass uns erst einmal ins A-Finale kommen, das würde die Qualifikation bedeuten. Und erst dann geht es um eine Medaille“, sagt Heino Zeidler. „Das Ticket holen und dann volle Kraft Richtung Paris“, beschreibt Olli sein Ziel. Mit den Olympischen Spielen hat er nach seinem Halbfinal-Aus in Tokio schließlich noch eine Rechnung offen.

Mit Blick auf Paris eine „dosierte Vorbereitung“

Die Vorbereitung auf die Saison bezeichnet Heino Zeidler als „dosiert“, schon im Hinblick auf Paris: „Nach der holprigen letzten Saison, auch wenn sie mit der Weltmeisterschaft so positiv geendet hat, wollten wir im Hinblick auf 2024 nicht schon alles ausreizen.“ Im Winter habe es viele lange Einheiten gegeben, Olli habe viel im Ausdauerbereich gemacht und sich auch zehn Tage auf Langlaufskiern betätigt. Der Sieg bei der Ergometer-WM in Kanada unterstrich die überragende Physis des blonden Hünen. Und auch technisch scheint er zugelegt zu haben. „Brandenburg war ein kleiner Fingerzeig, dass Olli auch bei Wellen fahren kann“, sagt Heino Zeidler mit einem Anflug von Ironie.

Dass Olli zwei Wochen vor der deutschen Meisterschaft beim Langstrecken-Test in Leipzig nur Rang zwei hinter dem stark auftretenden Jonas Gelsen belegt hatte, wurmte Vater und Sohn Zeidler wohl mehr, als sie zunächst zugeben wollten. „Als Weltmeister hast Du gewisse Erwartungen an dich selbst“, sagt Heino Zeidler. „Danach war klar, dass wir in Brandenburg etwas zeigen müssen.“ Und bei der DM wies Oliver Zeidler trotz der widrigen Bedingungen nach, dass ihm den Einer-Rollsitz im Nationalteam so schnell keiner streitig machen wird.

Dass er es nach Brandenburg etwas gemütlicher angehen ließ, wie er bei Twitter schrieb, ist Auslegungssache. Sein letztjähriger Trainingspartner Hannes Ocik kommentierte unwidersprochen, dass Zeidlers „relaxte Woche“ 60 Minuten auf dem Ruderergometer mit einem 500-Meter-Schnitt von 1:40 Minuten beinhaltet hatte. Das würden nur wenige als relaxed bezeichnen…

Livestream bei worldrowing.com

Worldrowing.com streamt den ersten Weltcup des Jahres in Zagreb live auf seiner Webseite. Die Halbfinals im Männer-Einer sind am Samstag um 10.42 und 10.48 Uhr angesetzt, das Finale am Sonntag um 13.11 Uhr.