06. Nov. 2025 | Breitensport | von Philipp Richard, Limburger Club für Wassersport von 1895/1907 und Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz GmbH

Wie die Autonome Schifffahrt unser Ruderrevier verändert

Forschungsschiff NOVA. Quelle: https://www.dst-org.de/innovative-hydrodynamische-konzepte/

Was Ruderinnen und Ruderer jetzt wissen sollten

Der Wandel auf dem Wasser

Die Binnenschifffahrt steht vor einem tiefgreifenden technologischen Umbruch. Immer mehr Forschungsprojekte und erste Praxistests bringen autonome oder teilautonome Schiffe auf deutsche Wasserstraßen. Das Ziel dieser Entwicklungen besteht darin, mithilfe von Sensorik, künstlicher Intelligenz (KI) und digitaler Kommunikationstechnologien den Gütertransport nicht nur effizienter zu gestalten, sondern vor allem dem wachsenden Fachkräftemangel in der Branche zu begegnen. Viele Reedereien berichten bereits von sinkendem Nachwuchsinteresse und einer zunehmenden Zahl altersbedingt ausscheidender Schiffsführer*innen.

Was für Außenstehende noch wie Zukunftsmusik klingt, ist auf bestimmten Wasserwegen bereits Realität: Auf der Spree-Oder-Wasserstraße, dem Rhein und im Hafen von Duisburg testen Unternehmen und Forschungsinstitute automatisierte Fahrmanöver, computergestützte Schleusenvorgänge und vorausschauende Routenplanung von Binnenschiffen [1], [2]. Ergänzt werden diese realen Erprobungen durch moderne Simulationsumgebungen wie das VeLABi, ein Versuchs- und Leistungszentrum für autonome Binnenschiffe, in dem KI-Systeme unter realitätsnahen Bedingungen trainiert werden können [3]. Schon bei dessen Eröffnung war der DRV präsent und machte auf die Beachtung des Rudersports aufmerksam, da sich im geplanten Testfeld zwei große Rudervereine und der Bundesstützpunkt Dortmund, an dem die Riemenruderer des Deutschen Ruderverbandes trainieren, befinden [4]. 

Mit diesen Entwicklungen gehen jedoch auch neue sicherheitsrelevante Fragen einher, insbesondere im Hinblick auf den nichtmotorisierten Wassersport: 

  • Wie verhalten sich diese neuen, automatisierten Verkehrsteilnehmer gegenüber muskelbetriebenen Booten?
  • Können Ruderboote zuverlässig erkannt werden und was geschieht, wenn ein Manöver einmal nicht vorhersehbar abläuft?

Der Rudersport, der vielerorts auf denselben Wasserflächen stattfindet wie die Berufsschifffahrt, ist von diesen Entwicklungen unmittelbar betroffen. Rudernden muss das Verhalten autonomer Schiffe bewusst sein. Gleichzeitig stellt sich die Frage, wie sich der Sport selbst auf diese Veränderungen technisch, organisatorisch und pädagogisch vorbereitet. 

Was macht ein Schiff autonom?

Ein autonomes Schiff navigiert selbstständig, ohne dass eine Person an Bord eingreift. Dies erfolgt durch das koordinierte Zusammenspiel mehrerer mechatronischer Subsysteme. Zu Beginn erfassen verschiedene Sensoren wie beispielsweise Radar, optische Kameras, LiDAR (Light Detection and Ranging), Infrarot sowie satellitengestützte Ortungssysteme kontinuierlich die Umgebung und die eigene Position. Diese heterogenen Datenquellen werden in der Sensorfusion zusammengeführt, wodurch ein digitales Abbild der Umgebung entsteht, das andere Verkehrsteilnehmer, Uferstrukturen, Hindernisse und relevante Umweltparameter umfasst. Die resultierenden Umgebungsdaten werden von Algorithmen verarbeitet, die in der Lage sind, Verkehrssituationen zu analysieren und regelkonforme Navigationsentscheidungen zu treffen. Dabei werden nicht nur dynamische Parameter wie Geschwindigkeit, Kurs oder Abstand ausgewertet, sondern auch rechtliche Vorgaben berücksichtigt – insbesondere die internationalen Kollisionsverhütungsregeln (COLREGs) [5] sowie die Binnenschifffahrtsstraßen-Ordnung (BinSchStrO) [6].

Ein zentrales Element der autonomen Navigation ist die Pfadplanung. Autonome Schiffe müssen kontinuierlich dynamisch realisierbare und kollisionsfreie Trajektorien berechnen, die den physikalischen Möglichkeiten des jeweiligen Fahrzeugs entsprechen. Diese Pfade berücksichtigen die Trägheit, den eingeschränkten Wendekreis sowie Umweltfaktoren wie Strömung, Wind oder wechselnde Verkehrsdichte. Aufgrund der langsamen Reaktionsfähigkeit großer Wasserfahrzeuge ist insbesondere die prädiktive Planung in engen oder stark frequentierten Revieren von zentraler Bedeutung.
In meiner Forschungsarbeit [7] wurde ein modellprädiktiver Planungsansatz zur Pfadgenerierung für autonome Binnenschiffe entwickelt, der diese fahrdynamischen Einschränkungen systematisch einbezieht. Der Schwerpunkt lag dabei auf der Generierung sogenannter „feasible paths“, also physikalisch befahrbarer und kollisionsfreier Trajektorien in komplexen Hafenumgebungen. Die Architektur des Systems basiert auf einem zweistufigen Ansatz: Ein Planungsalgorithmus erstellt globale Routenoptionen auf Basis eines Umgebungsrasters (weitreichende Pfade, vergleichbar mit Google Maps), welche anschließend durch eine lokale, reaktive Steuerungseinheit kontinuierlich angepasst werden (Sozusagen die Anpassung im Sichtfeld vom Fahrer). Die Ergebnisse des Papers zeigen auch Limitierungen auf: Während die globale Berechnung fahrdynamisch zulässiger Routen zuverlässig gelingt, bestehen erhebliche Herausforderungen in der vorausschauenden, lokalen Anpassung an sich dynamisch verändernde Umgebungen und der darin beinhalteten Erkennung von Ruderbooten und anderen Kleinbooten. 

Warum sind Ruderboote schwer zu erkennen?

Ruderboote stellen aus technischer Sicht eine besondere Herausforderung für die Sensorik und Erkennungsalgorithmen autonomer Schiffe dar. Ihre schlanke, flache Bauweise und die Verwendung radarabsorbierender Materialien wie Carbon oder Holz führen dazu, dass sie auf Radarsystemen nur schwach oder gar nicht erkennbar sind. Dazu besteht auch Verwechslungsgefahr beispielsweise mit Treibgut oder anderen schwimmenden Kleinhindernissen. Hinzu kommt das Fehlen elektronischer Identifikationsmittel wie AIS (Automatic Identification System) -Transponder, wodurch sie in digitalen Navigationssystemen oft unsichtbar bleiben. Auch optische Kamerasysteme und LiDAR-Sensoren stoßen an Grenzen: Bei Gegenlicht, reflektierender Wasseroberfläche, Wellenkämmen oder teilweiser Verdeckung im Wellengang werden Konturen des Bootes nur unzuverlässig erfasst. Die geringe Bauhöhe führt zudem dazu, dass Ruderboote in vielen Sensormodalitäten im Hintergrundrauschen oder in Wasserreflexionen untergehen. In einer aktuellen Übersichtsarbeit zu Erkennungsmethoden anderer Schiffsverkehrsteilnehmer wird darauf hingewiesen, dass Kleinfahrzeuge ohne AIS in Trainingsdatensätzen für KI-basierte Objekterkennung bislang nur unzureichend berücksichtigt sind. Daher stellen sie ein signifikantes Risiko im Mischverkehr dar [8]. 

Erschwerend wirkt sich die dynamische Fahrweise im Trainingsbetrieb aus: Ruderboote ändern häufig abrupt den Kurs, etwa beim Wenden, bei Technikübungen oder infolge von Strömungs- und Windeinflüssen. Diese unregelmäßigen Bewegungsmuster sind für algorithmische Systeme schwer vorhersehbar. Zudem sitzen die Rudernden mit dem Rücken zur Fahrtrichtung, was ihre eigene Wahrnehmung für herannahende Gefahren verzögert. 

Ruderboote vereinen aus Sicht autonomer Schifffahrt also alle kritischen Merkmale einer schwer detektierbaren Objektklasse: Sie sind klein, radar- und sensorschwach, verfügen über keine elektronischen Identifikationsmittel und zeigen unvorhersehbare Bewegungsmuster. Dadurch entziehen sie sich sowohl der sensorischen Erfassung als auch modellbasierten Vorhersagesystemen und stellen somit eine der größten Herausforderungen der maritimen Umgebungserkennung dar.

Typische Gefahrensituationen im Mischverkehr

Gefährlich wird es vor allem dort, wo enge Raumverhältnisse, eingeschränkte Sicht und unterschiedliche Manövriereigenschaften aufeinandertreffen. Das sind typischerweise Kurvenbereiche, Schleusenzufahrten oder während Überholmanövern. Große beziehungsweise autonome Schiffe unterliegen erheblichen physikalischen Grenzen: Ihr Bremsweg ist lang, der Wendekreis groß, und Kursänderungen müssen frühzeitig eingeleitet werden, da sie nur verzögert umgesetzt werden können. Ruderboote hingegen reagieren sehr direkt auf Steuerimpulse. Die dadurch resultierende hohe Beweglichkeit und die Möglichkeit spontaner Kurswechsel erschweren es autonomen Navigationssystemen, ihre Bewegungen vorherzusagen und angemessen darauf zu reagieren. In Schleusenvorhäfen treffen mehrere Fahrzeuge mit unterschiedlichen Navigationsabsichten auf engem Raum zusammen. Autonome Schiffe folgen dort fest programmierten Entscheidungslogiken, die für Rudernde nicht immer transparent sind. In Kurven verschärfen eingeschränkte Sicht und die begrenzte Sensorreichweite die Lage zusätzlich – kleine Boote ohne Radarreflektor werden durch Radar oder optische Sensoren häufig erst spät oder unvollständig erfasst. Die Kombination aus eingeschränkter Sichtbarkeit, ungleichen Bewegungsmustern und technischer Unvorhersehbarkeit führt zu einem erhöhten Kollisionsrisiko – sowohl im menschlich gesteuerten als auch im autonomen Mischverkehr. Deshalb sind erhöhte Sichtbarkeit, bewusstes Abstandhalten und eine defensive Fahrweise zentrale Maßnahmen, auf die Rudernde und Trainer*innen gezielt vorbereitet werden sollten.

Technische und rechtliche Lösungsansätze

Um die Risiken im Mischverkehr zwischen autonomer Schifffahrt und muskelbetriebenen Booten zu verringern, werden derzeit sowohl technische als auch regulatorische Maßnahmen diskutiert. Eine unmittelbar umsetzbare Maßnahme ist die Ausstattung von Ruderbooten mit Radarreflektoren. Diese passiven Systeme vergrößern den Radarquerschnitt deutlich und erleichtern die Detektion durch Berufsschifffahrt und autonome Einheiten. Auch der Einsatz von AIS-Mikrotranspondern wird erwogen, da damit Position und Identität des Bootes aktiv ausgesendet werden könnten. Allerdings entstehen dadurch Kosten, zusätzlicher Wartungsaufwand und es wäre eine dauerhafte Energieversorgung an Bord notwendig. Parallel dazu müssen KI-Systeme autonomer Schiffe mit realistischen Daten von Sportbooten trainiert werden. In aktuellen Datensätzen sind Ruder- und Paddelboote oft unterrepräsentiert, was dazu führt, dass Algorithmen sie mit Treibgut oder statischen Objekten verwechseln. Denkbar ist zudem, dass autonome Schiffe in Bereichen mit erhöhtem Sportbootaufkommen automatisch in einen defensiven Modus wechseln – etwa mit reduziertem Tempo, vergrößerten Sicherheitsabständen oder erhöhter Sensorkalibrierung. 

Neben technischen Lösungen bleibt der rechtliche Rahmen entscheidend. Autonome Systeme unterliegen denselben Fahrregeln wie bemannte Schiffe. Zentral sind dabei die Kollisionsverhütungsregeln (COLREGs) und die Binnenschifffahrtsstraßen-Ordnung (BinSchStrO):

  • Grundprinzip: Sportboote wie Ruderboote gelten als Kleinfahrzeuge und müssen größeren, manövrierbeschränkten Fahrzeugen – insbesondere der Berufsschifffahrt – grundsätzlich ausweichen (§ 6.02 BinSchStrO).
  • Begegnung: Bei Gegenverkehr halten Fahrzeuge steuerbord (rechts), sofern keine anderslautenden Revierkennzeichnungen bestehen.
  • Überholen: Das überholende Fahrzeug trägt die volle Verantwortung, eine Gefährdung zu vermeiden – allerdings muss das überholte Fahrzeug seinen Kurs halten und darf nicht plötzlich ausweichen.
  • Schifffahrtszeichen und Vorrangstellen (z. B. Schleusen, Engstellen) haben immer Vorrang gegenüber allgemeiner Ausweichlogik.
  • Autonome Schiffe sind rechtlich nicht privilegiert – sie müssen sich an dieselben Regeln halten wie bemannte Fahrzeuge und dürfen sich nicht darauf verlassen, dass Kleinfahrzeuge „aus dem Weg springen“.

Die Zentralkommission für die Rheinschifffahrt (CCNR) weist in ihren Papieren ausdrücklich darauf hin, dass die Interaktion zwischen autonomen Schiffen und nicht AIS-pflichtigen Verkehrsteilnehmern – insbesondere Sportbooten – besondere Beachtung erfordert [9]. Kleine Fahrzeuge müssten technisch erkennbar bleiben, ohne dass ihnen zwingend eine AIS-Pflicht auferlegt wird. Erste Handlungsempfehlungen hierzu wurden bereits vom Deutschen Verkehrsgerichtstag und der EMSA formuliert [10]. Diese sprechen sich gegen eine generelle AIS-Pflicht für Sport- und Ruderboote aus, fordern jedoch deren sichere technische Detektierbarkeit – etwa durch Radarreflektoren oder freiwillig genutzte AIS-Mikrotransponder. Zugleich wird betont, dass autonome Schiffe ihre Sensorik und Fahrweise so auslegen müssen, dass auch nicht-ausgerüstete Kleinfahrzeuge zuverlässig erkannt und berücksichtigt werden.

Was Trainer*innen und Vereine jetzt tun können

Die Vorbereitung des Rudersports auf autonome Schifffahrt ist keine rein technische Aufgabe. Sie erfordert ein abgestimmtes Vorgehen auf drei Ebenen: Ausstattung der Boote, Schulung der Aktiven und organisatorische Einbindung in lokale Verkehrsstrukturen.

1. Technische Sichtbarkeit und Ausrüstung

Ein pragmatischer erster Schritt besteht darin, Boote technisch besser sichtbar zu machen. Radarreflektoren können auf ausgewählten Vereins- oder Begleitbooten installiert werden, um den Radarquerschnitt deutlich zu erhöhen. Besonders geeignet sind sie für Begleitboote oder Boote, die in den frühen Morgen- oder Abendstunden eingesetzt werden. Perspektivisch kann auch die Ausstattung einzelner Trainer- oder Wettkampfboote mit AIS-Mikrotranspondern sinnvoll sein. Sie übertragen die Position aktiv an andere Schiffe und Verkehrszentralen, setzen jedoch eine Stromversorgung und Wartung voraus und sind derzeit noch mit Kosten verbunden. Ergänzend sollten Begleitboote über Schall- und Lichtsignale verfügen – etwa Rundumlichter bei Dämmerung sowie Signalhörner oder Funkgeräte für die Verständigung mit der Berufsschifffahrt.

2. Ausbildung, Verhalten und pädagogische Verantwortung

Technik allein reicht jedoch nicht. Trainer*innen haben die Aufgabe, Rudernde gezielt auf Begegnungen mit Berufsschifffahrt und autonomen Einheiten vorzubereiten. Dazu gehört die Vermittlung grundlegender Fahrregeln: Kleinfahrzeuge wie Ruderboote müssen nach BinSchStrO grundsätzlich manövrierbeschränkten Fahrzeugen ausweichen; bei Gegenverkehr gilt das Rechtsfahrgebot, und beim Überholtwerden ist ein stabiler, berechenbarer Kurs zu halten. Diese Regeln sollten bereits in der Grundausbildung vermittelt und regelmäßig im Training wiederholt werden.

Besonders wirksam ist szenariobasiertes Training: Wie verhält sich ein Ruderboot, wenn ein Frachtschiff überholt? Was geschieht beim Wenden in enger Fahrrinne? Wer übernimmt welche Rolle im Begleitboot – Steuerperson, Ausguck, Funk? Defensives Fahren bedeutet in diesem Kontext: frühzeitig reagieren, Kursänderungen ankündigen, Sichtkontakt herstellen und hektische Lenkbewegungen vermeiden. Auch Notfallstrategien lassen sich einüben – etwa das gezielte Ausweichen an den Uferrand, das Anhalten bei unklarer Lage oder das Absetzen eines Funkspruchs.

3. Organisation, Kommunikation und Zusammenarbeit

Neben Technik und Schulung ist die organisatorische Einbindung entscheidend. Vereine sollten frühzeitig den Kontakt zu Wasserstraßen- und Schifffahrtsämtern, Wasserschutzpolizei oder lokalen Testfeldbetreibern autonomer Schiffe suchen. So lassen sich Trainingszeiten, besonders sensible Flussabschnitte und Ansprechpartner im Notfall abstimmen. Wo autonome Testfelder eingerichtet sind, können Informationen über Versuchsfahrten, Schleusensperrungen oder geänderte Verkehrsführungen direkt in die Trainingsplanung einfließen.

Wertvoll ist zudem die systematische Dokumentation von Beinahe-Kollisionen oder ungewöhnlichen Fahrmanövern autonomer Schiffe. Diese Berichte – mit Angaben zu Ort, Uhrzeit, Sichtverhältnissen, beteiligten Fahrzeugen und Manövern – können anonymisiert an Verbände, Forschungsprojekte oder zuständige Behörden weitergegeben werden. Sie liefern wichtige Erkenntnisse für die Weiterentwicklung technischer Systeme und regulatorischer Maßnahmen. Langfristig kann so ein gemeinsames Lagebild entstehen, das den Rudersport nicht als Störfaktor, sondern als aktiven Partner in der Entwicklung sicherer Wasserwege positioniert.

Zusammenfassung und Ausblick

Die zunehmende Automatisierung der Schifffahrt wird das Bild unserer Wasserstraßen nachhaltig verändern – und damit auch die Bedingungen, unter denen Ruderinnen und Ruderer unterwegs sind. Langfristig können autonome Systeme die Sicherheit erhöhen. Doch in der Übergangsphase entstehen neue Risiken, insbesondere für muskelbetriebene Kleinfahrzeuge. Ruderboote sind schwer zu erkennen, reagieren dynamisch und unterliegen anderen Bewegungslogiken als die Berufsschifffahrt – genau hier braucht es Aufmerksamkeit.

Sicherheit im Rudersport wird daher nicht allein technisch gelöst. Sie entsteht durch ein Zusammenspiel aus technischer Nachrüstung, regelbewusstem Verhalten auf dem Wasser und pädagogischer Begleitung im Training. Vereine, Trainer*innen und Verbände können hier aktiv gestalten – statt nur zu reagieren.

Gelingt es dem Rudersport, sich frühzeitig einzubringen, Erfahrungen zu teilen und Kooperationen mit Behörden und Forschung zu suchen, wird er vom Betroffenen zum Mitgestalter dieser Entwicklung. Die autonome Schifffahrt ist keine Bedrohung, sondern eine Veränderung, auf die man sich vorbereiten kann. Mit Offenheit, klaren Standards und verantwortungsbewusster Ausbildung ist eine sichere Koexistenz auf unseren Wasserstraßen möglich.

Quellen

[1] Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), „Startschuss für digitales Testfeld Spree-Oder-Wasserstraße“, 2021. [Online]. Verfügbar: https://www.dlr.de/de/forschung-und-transfer/projekte-und-missionen/digitalsow Zugriff am: 3. Nov. 2025.

[2] DST – Entwicklungszentrum für Schiffstechnik und Transportsysteme, „ELLA – Autonomes Binnenschiff im Maßstab 1:6“, Duisburg, 2022. [Online]. Verfügbar: https://www.dst-org.de/ella/. Zugriff am: 3. Nov. 2025.

[3] „VelaBi“ Versuchs- und Leitungszentrum autonome Binnenschiffe - Entwicklungszentrum für Schiffstechnik und Transportsysteme e. V.
https://www.smartshipping.info/velabi/. Zugriff am: 3. Nov. 2025.

[4] Michael Stoffels in den Rudersport-Magazin News, „Autonome Schifffahrt: Was bedeutet das für den Rudersport?“, Rudersport, Ausgabe 03/2022, S. 26–28. [Online]. Verfügbar: https://www.rudersport-magazin.de/index.php/aktuell/110-autonome-schifffahrt. Zugriff am: 3. Nov. 2025.

[5] International Maritime Organization (IMO), Convention on the International Regulations for Preventing Collisions at Sea (COLREGs), London, 1972.

[6] Bundesministerium für Digitales und Verkehr, Binnenschifffahrtsstraßen-Ordnung (BinSchStrO), 16. Dez. 2011, zuletzt geändert durch Art. 4 der Verordnung vom 14. Okt. 2025, BGBl. 2025 I Nr. 242. [Online]. Verfügbar: https://www.gesetze-im-internet.de/binschstro_2012/BinSchStrO.pdf

[7] P. Richard, A. Wagner, M. Ruskowski und P. Regier, „Path Planning for Autonomous Inland Vessels in Complex Harbor Environments“, in 2023 21st International Conference on Advanced Robotics (ICAR), 2023, S. 387–394. doi: 10.1109/ICAR58858.2023.10406220.

[8] C. Domenighini, “Autonomous inland navigation: a literature review and extracontractual liability issues,” *Journal of Shipping and Trade*, vol. 9, no. 1, p. 14, Apr. 2024, doi: 10.1186/s41072-024-00171-2

[9] Zentralkommission für die Rheinschifffahrt (ZKR), Vision for the Development of Automation in Inland Navigation, Straßburg, 2018. [Online]. Verfügbar: https://www.ccr-zkr.org/files/documents/AutomatisationNav/Vision_detaillee_de.pdf#page=13.29. Zugriff am: 3. Nov. 2025.

[10] Verkehrsgerichtstag Goslar, „Empfehlungen des Arbeitskreises V – Autonomes Fahren auf Wasserstraßen“, in Dokumentation 57. Deutscher Verkehrsgerichtstag, Goslar, 2019. [Online]. Verfügbar: https://deutscher-verkehrsgerichtstag.de/media/Editoren/Dokumentationen/57.%20Dokumentation%20VGT%202019.pdf. Zugriff am: 3. Nov. 2025.
 

 

Anhang: Handlungsempfehlungen für Vereine und Trainer*innen 

Technische Maßnahmen zur Sichtbarkeit

  • Radarreflektoren auf Begleitbooten oder Booten anbringen.
  • Optional: AIS-Mikrotransponder auf Begleitbooten testen (Positionsübertragung, ggf. Akku-/Wartungsplan festlegen).
  • Begleitboote mit UKW-Binnenfunk, Signalhorn und weißem Rundumlicht ausrüsten.
  • Beleuchtung bei Dämmerung/Nebel verbindlich regeln (Bootslicht, Stirnlampen nur ergänzend).
  • Revierkarten im Verein hinterlegen (Schleusen, enge Kurven, Testfelder autonomer Schiffe, Begegnungszonen).

Ausbildung und Verhalten der Rudernden

  • Fahrregeln regelmäßig schulen:
    • Ruderboote = Kleinfahrzeuge → müssen Groß- und Berufsschifffahrt ausweichen (§ 6.02 BinSchStrO).
    • Rechtsfahrgebot bei Begegnung.
    • Beim Überholtwerden Kurs halten und berechenbar bleiben.
  • Szenarien trainieren:
    • Überholung durch Frachtschiff oder autonomes Fahrzeug.
    • Wenden nur mit Sicherung (Begleitboot/Ansage).
    • Verhalten in Schleusenbereichen und Kurven.
  • Defensives Fahren erklären: früh reagieren, keine hektischen Manöver, Sichtkontakt suchen.
  • Blick nach hinten systematisch üben – insbesondere bei Rennbooten.
  • Notfallverhalten einstudieren: anhalten, ans Ufer, Sichtbarkeit erhöhen, Funkkontakt über Begleitboot herstellen.

Organisation und Kommunikation im Verein

  • Kontakt zum Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt (WSA), Wasserschutzpolizei und Testfeldbetreibern autonomer Schiffe aufnehmen.
  • Trainingszeiten, Jugendgruppen und Trainingsabschnitte anmelden – besonders bei Testfeldern oder engem Schifffahrtsraum.
  • Near-Miss-Dokumentation einführen: Ort, Uhrzeit, beteiligte Boote (Name, AIS falls vorhanden), Sicht, Manöver → gesammelt an Verband / DRV / Forschung melden.
  • Vereinsspezifische Sicherheitsregeln festlegen:
    • Wer darf ohne Begleitboot aufs Wasser?
    • Ab wann wird Training bei Nebel, Dunkelheit oder Berufsschifffahrt eingestellt?
    • Wo liegen Funkgerät, Signalhorn und Notfallkontakte?
  • Austausch mit benachbarten Rudervereinen auf demselben Flussabschnitt – gemeinsame Verhaltensstandards und Kommunikationswege.