19. Juni 2025 | Verband

Erfassung von Kraft-Geschwindigkeits-Profilen im Rudern

Während positive Zusammenhänge zwischen der reinen Maximalkraft und der 2000 m Ruderleistung gut belegt sind, gibt es Hinweise darauf, dass auch die Bewegungsgeschwindigkeit mit der eine Last bewegt werden kann (d.h. die Power, definiert als Produkt aus bewegter Last und Bewegungsgeschwindigkeit) einen relevanten Einfluss haben kann. Besonders relevant ist dies im Hinblick auf die Bewegungsgeschwindigkeit von etwa 0,8–0,9 m·s⁻¹, wie sie bei Schlagfrequenz von 36–38 Schlägen pro Minute im Ruderrennen in Kombination mit einer möglichst hohen Kraftentfaltung auftreten. Eine etablierte Methode zur Erfassung der Bewegungsgeschwindigkeiten bei unterschiedlichen Lasten stellt die Erfassung individueller Kraft-Geschwindigkeits-Profile dar.

Eine Forschungsgruppe rund um Prof. Dr. Moritz Schumann von der Technischen Universität Chemnitz ist zusammen mit dem Deutschen Ruderverband e.V. (DRV) der Fragestellung nachgegangen, welchen Einfluss unterschiedliche Kraftfähigkeiten auf die 2000 m Ergo-Leistung haben. Die Untersuchung verfolgte hierbei zwei wesentliche Ziele:

  1. Erhebung des Ist-Zustands des Kraftniveaus im DRV mittels Kraft-Geschwindigkeits-Profilen unter Berücksichtigung des Geschlechts und der Altersklasse.
  2. Untersuchung potenzieller Zusammenhänge – insbesondere zwischen der maximalen Power, d.h. das Optimum des Produkts aus Last und entsprechender Bewegungsgeschwindigkeit, sowie der Power bei verschiedenen Lasten und somit bei unterschiedlichen Bewegungsgeschwindigkeiten und der 2000 m Ergo-Leistung.

An der Studie nahmen 63 männliche und 50 weibliche Athlet:innen aus den verschiedenen Altersklassen entlang des langfristigen Leistungsaufbaus teil. Die Untersuchung bestand in der Erhebung des individuellen Kraft-Geschwindigkeits-Profils in den Langhantelübungen Kniebeuge, Kreuzheben und Bankziehen. Hierzu absolvierten die Athlet:innen jeweils einen progressiven 1-Wiederholungs-Maximum-Test (1RM), bei dem die Bewegungsgeschwindigkeit für jede Last erfasst wurde. Diese Daten wurden später in Zusammenhang mit der 2000 m Ergo-Leistung gebracht. Zusätzlich wurde die 2000 m Ergo-Leistung in 500 m Abschnitte unterteilt, um potenzielle Zusammenhänge mit spezifischen Abschnitten der Wettkampfdistanz zu analysieren.

Die Studie bestätigte insgesamt, dass sowohl das 1RM als auch die maximale Power der getesteten Langhantelübungen einen positiven Einfluss auf die 2000 m Ergo-Leistung haben. Dabei korreliert die maximale Power der Kniebeuge nur mit den ersten 500 m, während Kreuzheben und Bankziehen mit allen 2000 m Teilstrecken und der Gesamtleistung in Verbindung stehen. Zudem zeigten sich leistungsrelevante Zusammenhänge zwischen bestimmten Bewegungsgeschwindigkeiten und der 2000 m Ergo-Leistung. Während für Kreuzheben und Bankziehen sowohl hohe (30% und 50% des 1RM) und niedrige Bewegungsgeschwindigkeiten (70% und 90% des 1RM) positiv mit der 2000 m Ergo-Leistung assoziiert waren, war dies für die Kniebeuge lediglich bei hohen Bewegungsgeschwindigkeiten der Fall. Eine mögliche Erklärung hierfür könnte, neben Defiziten in der Bewegungsausführung, in den unterschiedlichen Beiträgen der Bein-, Rumpf- und Armmuskulatur während der verschiedenen Phasen und Bewegungsgeschwindigkeiten des Ruderschlags liegen. Wird dieser Zusammenhang künftig bestätigt, könnten Trainingsreize gezielt auf spezifische Muskelgruppen und deren jeweilige Bewegungsgeschwindigkeit ausgerichtet werden, mit dem Ziel das Krafttraining im Rudersport noch individueller und effektiver zu gestalten.

Im Vergleich zu nationalen und internationalen Referenzwerten zeigen sich insgesamt noch Potenziale in den Kraftfähigkeiten, insbesondere bei Athlet:innen, deren Maximalraftentwicklung ab der U23-Klasse stagniert. Neben der Ausprägung einer guten Allgemeinathletik, einschließlich Rumpfkraft, Beweglichkeit sowie Langhantelbewegungstechnik im Nachwuchsbereich, gilt es ab dem U23-Bereich  ein gutes Maximalkraftniveau, sowie weiterführend auch die maximale Power mit geeigneten Trainingsmitteln individuell zu optimieren und dadurch zusätzliche Leistungsreserven gezielt zu erschließen. Entsprechend des Anforderungsprofils des Ruderschlags im 2000 m Rennen (d.h. ca. 0,8-0,9 m∙s-1), sollte der Fokus für das Power Training weniger auf der Erzeugung hoher absoluter Bewegungsgeschwindigkeiten, z.B. in Form von Sprüngen, liegen, sondern vielmehr auf der maximal antizipierten Bewegungsgeschwindigkeit in moderaten bis hohes Lasten. Hierbei ist das Trainingsmittel z.B. Kniebeuge und Kreuzheben vs. Bankziehen und Beinpresse unbedingt unter der Voraussetzung einer sauberen Bewegungstechnik zu wählen.

Trotz der ersten Ergebnisse bezüglich der Bedeutung der Power als weiterführende Kraftfähigkeit zur Maximalkraft, bedarf es noch weiterer Untersuchungen zur Optimierung der Kraftfähigkeiten im Rudern. Hierbei gilt es insbesondere auch die Streckenverkürzung auf 1500 m bei den Olympischen Spielen 2028 in Los Angeles zu berücksichtigen, die voraussichtlich einen höheren Anteil kraftbezogener Fähigkeiten erfordern wird. Durch eine gezielte Optimierung der Maximalkraft sowie der Power könnten perspektivisch zusätzliche Leistungspotenziale erschlossen werden.

Das Projekt wurde durch das Bundesinstitut für Sportwissenschaften unterstützt (AZ 072016/24).

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Dr. Kay Winkert

Wissenschaftskoordinator

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Prof. Dr. Moritz Schumann

TU Chemnitz, Sportmedizin und Sporttherapie