18. Sep 2025 | Nationalmannschaft | von Hans Strauss

WM-Vorschau, Teil 1: Unsere Boote im Skullbereich und im Para-Rudern

Mit welchen Voraussetzungen und Chancen gehen die Boote des Deutschen Ruderverbandes bei den Weltmeisterschaften in Shanghai an den Start? Teil 1 unserer detaillierten WM-Vorschau beschäftigt sich mit den Bereichen Männer Skull, Frauen Skull und Paralympisches Rudern. In Teil 2 folgen dann Männer Riemen, Frauen Riemen, Mixed-Boote und Leichtgewichtsrudern.

Der Männer-Einer

Was kann Oliver Zeidler in Shanghai erreichen? Das ist die Frage, deren Beantwortung er und Vater Heino als Trainer selbst mit Spannung erwarten. Sein einjähriges Masterstudium in Lausanne beanspruchte den Olympiasieger zeitlich mehr, als er zunächst erwartet hatte. Er konnte kein Rennen fahren, mit Ausnahme der Henley-Regatta, bei der es in diesem Jahr nicht zum Einzug ins Finale reichte. „Ohne Vorbereitung war seine Performance wie erwartet: Ganz vorne geht dann nicht“, sagt Heino Zeidler. Seitdem habe Oliver aber gut trainiert, mit langen Wochenenden von Donnerstag bis Sonntag in München, und einem dreiwöchigen Trainingslager zwischendurch. Heino Zeidlers Fazit: „Er ist nicht in der Form des letzten Jahres, aber gut drauf.“ Das Ziel für Shanghai ist den Voraussetzungen angepasst und damit keineswegs der vierte WM-Titel: „Wir wollen auf alle Fälle ins A-Finale.“ Zunächst einmal gelte es aber, schon den Vorlauf am Montag sehr ernst zu nehmen („Wir müssen beim ersten Schlag da sein“) und sich dann von Rennen zu Rennen zu steigern. „Für ein Halbfinale haben wir uns vorgenommen, dass Olli sein derzeitiges Leistungsvermögen voll abruft – und dann sehen wir, wofür es reicht.“

Zwei seiner stärksten WM-Konkurrenten standen mit ihm in Paris auf dem Siegersteg: der Olympia-Zweite Yauheni Zalaty (Unabhängige Neutrale Athleten), in diesem Jahr schon Europameister, und der Dritte Simon van Dorp (Niederlande). Dazu schob sich Logan Ullrich (Neuseeland), der bei seinem Luzern-Sieg Zalaty bezwang, ins Rampenlicht. Und den Griechen Stefanos Ntouskos, 2021 Olympiasieger in Tokyo, hat der Trainer als unberechenbar stets auf der Rechnung. „Die Gegnerschaft hat nach Olympia weitertrainiert. Wir werden sehen, wo wir uns da einordnen“, sagt Heino Zeidler. Er sei dem DRV dankbar, dass man mit nur einem Auftritt in dieser Saison (3. Platz bei der Langstrecke Dortmund) nominiert worden sei. „Dass ist nicht selbstverständlich, auch als Olympiasieger. Dieses Vertrauen wollen wir zurückzahlen.“            

Oliver Zeidler geht wie immer hochkonzentriert in die WM - er ist Titelverteidiger - Foto Jerome Laurent

Der Männer-Doppelvierer

Von dem Boot, das im olympischen Finale von Paris den fünften Platz belegte, ist in Shanghai keiner mehr dabei: Moritz Wolff wechselte zum Coastal Rowing, Tim Ole Naske und Anton Finger legten eine Pausensaison ein, Max Appel beendete seine Karriere. Die Nachfolger sind jung, sehr jung: Tom Gränitz (23), Felix Heinrich (24), Ole Hohensee (18), Oliver Holtz (22) und Ersatzmann Til Schindelhauer (23) sorgen für einen Altersschnitt von nur 22 Jahren. Da passt es gut, dass auch Trainer Francesco Fossi mit 37 Jahren einer der Jüngeren seiner Zunft ist, sehr offen und locker agiert. Der Italiener kam mit der Empfehlung von drei olympischen Medaillen im Männer-Skull an den Stützpunkt nach Hamburg/Ratzeburg. Nun ist für ihn wieder Aufbauarbeit angesagt. Mit zwei vierten Plätzen und einem fünften Rang lieferte der neue Doppelvierer international gleich solide Ergebnisse. „Seit Luzern hatten wir eine sehr gute Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft. Wir sind auch als Team weiter gewachsen“, sagt Fossi, der dem Boot rudertechnisch seine Handschrift verpasst hat. Der Einzug ins A-Finale in einem 14-Boote-Feld wäre ein Erfolg. Aber Fossi baut keinen Druck auf: „Wir stehen im ersten von vier Jahren bis zu den Olympischen Spielen 2028.“ Großbritannien und Italien sind für ihn die WM-Favoriten, „dahinter ist es offen“.

Der Männer-Doppelvierer mit Tom Gränitz, Felix Heinrich, Ole Hohensee und Oliver Holtz. Foto: Tizian Hillemann

Der Frauen-Einer

Hinter Alexandra Föster liegt bisher keine einfache Saison. Dennoch möchte die 23-Jährige in Shanghai erstmals in ein A-Finale der offenen Klasse fahren. Das hat die dreifache U23-Weltmeisterin bisher drei Mal knapp verpasst. Bei den Olympischen Spielen vergangenes Jahr in Paris wurde sie als Siegerin des B-Finales ebenso Siebte wie bei der WM 2022, Rang acht war es bei der WM 2023. „Das A-Finale ist das Ziel – und dann so weit wie möglich vorne ran pirschen“, sagt Fösters Trainer Sebastian Kleinsorgen, der sie seit Kindertagen betreut. Große WM-Favoritin ist die Britin Lauren Henry, die aus dem Pariser Gold-Doppelvierer kam und bei allen drei Starts in dieser Saison gewonnen hat.

Krankheiten und Verletzung zogen sich durch die Frühphase von Fösters Saison. Dennoch war der Absturz auf EM-Platz 11 in Plovdiv auch für Kleinsorgen eine Überraschung. Medizinische Gründe seien dafür nicht zu finden gewesen, sagt der Trainer. Nach der Europameisterschaft stellten beide das Training um, kehrten zurück zur früheren Arbeitsweise. „Die Schlagdynamik wurde deutlich besser“, sagt Kleinsorgen. Statt den Einer gab es für Föster in Luzern einen Ausflug in den Doppelzweier zusammen mit Juliane Faralisch, den sie danach wieder beendete. Im Einer-Finale der Universiade in Duisburg traten gesundheitliche Probleme auf, die ihr Gold kosteten. Im internen Ausscheid um dem WM-Startplatz in Ratzeburg zu Beginn der Vorbereitung gelang Föster gegen Faralisch dann aber ein kontrollierter Start-Ziel-Sieg. „Wir sind taktisch flexibler geworden. Jeder wusste mittlerweile, dass Föster hinten im Rennen kommt. Nun kann sie den Überraschungseffekt zu ihrem Vorteil einsetzen“, sagt der Trainer, der seinen Schützling gut vorbereitet in den Vorlauf am Sonntag gehen sieht.   

Der Frauen-Einer mit Alexandra Föster. Foto: Tizian Hillemann

Der Frauen-Doppelvierer

Im Frauen-Doppelvierer ist mit Schlagfrau Pia Greiten nur noch eine der vier Ruderinnen an Bord, die im letzten Jahr mit einem gewaltigen Endspurt olympische Bronze holten. Leonie Menzel und Maren Volz legten ein Pausenjahr ein; Tabea Schendekehl kehrte vorzeitig daraus zurück, verstärkt aber jetzt den Achter. Auch die neue Besatzung hat viel Power zu bieten. Sarah Wibberenz, die letztjährige Ersatzfrau Frauke Hundeling, Lisa Gutfleisch und Greiten sind nach ihren bisherigen Saison-Ergebnissen selbstbewusst genug, erneut einen Platz auf dem Siegersteg anzusteuern. „Wir haben gezeigt, dass wir vorne mitfahren wollen und es auch können“, sagte Schlagfrau Greiten. Bei der Europameisterschaft und beim Weltcup in Varese belegte der Doppelvierer jeweils Rang zwei, in Luzern gewann er das Weltcup-Rennen. Die WM-Favoriten Großbritannien (mit zwei Ruderinnen aus dem Olympiasieger-Boot) und Niederlande (mit einer Ruderin aus der Silber-Besatzung) waren in der Schweiz allerdings nicht am Start.

Das Relationsrennen zum Abschluss der Vorbereitung in Ratzeburg hat Trainer Marcin Witkowski gezeigt, dass die Arbeit an einer „starken und schnellen ersten Rennphase“ erfolgreich war. Was das Abschneiden in Shanghai angeht, will Witkowski „nicht spekulieren. Wir haben zwei Rennen, beide sind nach den neuen Regeln wichtig. Wir sind fokussiert, wollen konstant und gut fahren.“ 

Der Frauen-Doppelvierer mit Sarah Wibberenz, Frauke Hundeling, Lisa Gutfleisch und Pia Greiten. Foto Tizian Hillemann

Der Para-Einer PR1

In vier der fünf paralympischen Bootsklassen ist der DRV in Shanghai am Start. Im PR1-Einer der Männer vertritt Marcus Klemp die deutschen Farben. In dem zwölf Boote starken Feld gehört der Routinier aus Rostock nicht zu den Topfavoriten. Für Klemp und seinen Trainer Lutz Bühnert wäre das Erreichen des A-Finales bereits ein großer Erfolg, aber auch ein erfolgreiches B-Finale könnte sich sehenlassen. So wie bei den Paralympics vergangenes Jahr in Paris, als Klemp Siebter wurde. Der neue Modus ohne Hoffnungsläufe verlangt auch von ihm, gleich voll da zu sein. Die WM-Vorbereitung verlief für Klemp störungsfrei.

Der Männer-Einer PR1 mit Marcus Klemp. Foto: Tizian Hillemann

Der Mixed-Doppelzweier PR2

Überraschend groß ist mit zehn Booten das Feld im PR2-Mixed-Doppelzweier. Für Jasmina Bier und Paul Umbach liegt der Schwerpunkt in diesem Jahr auf Studium und Beruf. Deshalb ist die WM erst die zweite Regatta, die Beide in diesem Jahr bestreiten. Läuft es so gut wie bei der Europameisterschaft, die Bier/Umbach den Titel einbrachte, dann sollten sie sich in Shanghai auf jeden Fall für das A-Finale qualifizieren. Ob es dort für das von Stephan Froelke betreute Boot auch zum Griff nach einer Medaille reichen kann, bleibt abzuwarten.

Der Mixed-Doppelzweier PR2 mit Jasmina Bier und Paul Umbach. Foto: Tizian Hillemann

Der Mixed-Doppelzweier PR3

Mit Kathrin Marchand und Valentin Luz hat der DRV im PR3-Mixed-Doppelzweier ein heißes Eisen im Feuer. Beide beeindruckten beim EM-Sieg mit einer Fabel-Weltbestzeit, setzten sich auch im internen Ausscheid gegen Jan Helmich und Hermine Krumbein durch und gehören in einem 14 Boote großen Feld nun zu den Titelanwärtern. Die Vorbereitung verlief nach Plan.

 

Der Mixed-Doppelzweier PR3 mit Valentin Luz und Kathrin Marchand. Foto: Tizian Hillemann

Der Mixed-Vierer PR3

Die ehemalige A-Kader-Ruderin Kathrin Marchand stellt sich auch für den gesteuerten PR3-Mixed-Vierer zur Verfügung, der ohne sie nur sehr schwach besetzt hätte starten können. Mit ihr ist die Besetzung mit mindestens zwei Rudernden mit körperlicher Behinderung und maximal zwei Rudernden mit einer Behinderung durch Blindheit regelgerecht. Der Doppelstart stellt Marchand allerdings vor eine Herausforderung, zumal sie im Doppelzweier aufgrund der vielen Starter auch ein Halbfinale bestreiten muss. Im Vierer sitzt die ehemalige A-Ruderin im Bug, gefolgt von Philipp Dosse, der aus dem Doppelzweier gekommenen Hermine Krumbein und Marc Lembeck am Schlag. Gesteuert wird der Vierer von Inga Thöne. Ziel im Acht-Boote-Feld ist erst einmal das Erreichen des A-Finales. „Die Absicherung der vom Deutschen Behinderten-Sportverband vergebenen Kaderplätze und die damit verbundene Förderung hat hier größte Priorität“, sagt Marc Stallberg, der Bundestrainer Para-Rudern. Betreut wird das „PR3-Team“ gemeinsam von ihm und von Ralf Müller.

Cheftrainer Marcus Schwarzrock und Marc Stallberg sind Susanne Lackner dankbar, die ihren WM-Platz im Vierer verlor, sich bei der unmittelbaren Wettkampfvorbereitung in Ratzeburg aber trotzdem zur Verfügung stellte. Ohne sie wäre dieses PR3-Projekt in China nicht möglich gewesen. Nur so konnten beide Bootsklassen trainieren und entsprechende Wasser-Kilometer sammeln. „Ein sehr nobles Verhalten von Susanne, das hätten nur wenige gemacht“, sagt Marcus Schwarzrock. Für Lembeck und Thöne wird es die letzte große Regatta sein, sie beenden ihre Nationalmannschaftskarriere nach der WM.

In Teil 2 der WM-Vorschau folgen morgen Männer Riemen und Frauen Riemen, die Mixed-Boote und die Leichtgewichte. 

Events

Boote

Vorlauf 2 7:21.83 2 . Platz
Halbfinale A/B 1 7:38.20 3 . Platz
Finale A 7:26.31 5 . Platz

Vorlauf 2 6:14.13 2 . Platz
Finale A 6:36.00 3 . Platz

Vorlauf 2 6:29.42 2 . Platz
Finale A 6:12.83 4 . Platz

Vorlauf 4 6:44.91 1 . Platz
Viertelfinale 4 7:13.98 1 . Platz
Halbfinale A/B 1 6:52.52 1 . Platz
Finale A 6:37.17 2 . Platz

Vorlauf 3 7:05.41 2 . Platz
Halbfinale A/B 1 7:25.00 2 . Platz
Finale A 7:03.28 4 . Platz

Vorrennen/Bahnverteilungsrennen 6:37.75 3 . Platz
Finale A 6:50.24 3 . Platz

Vorlauf 1 6:34.30 5 . Platz
Finale C 6:45.77 3 . Platz

Vorlauf 3 6:05.65 3 . Platz
Finale C 6:08.40 3 . Platz

Vorlauf 3 5:43.71 1 . Platz
Halbfinale A/B 2 5:44.94 3 . Platz
Finale A 5:57.56 5 . Platz

Vorlauf 2 5:49.18 3 . Platz
Finale B 5:33.18 1 . Platz

Vorlauf 2 5:57.37 2 . Platz
Finale A 5:45.99 6 . Platz

Vorlauf 2 9:26.70 4 . Platz
Finale A 9:28.70 6 . Platz

Vorlauf 2 8:29.13 1 . Platz
Finale A 8:15.58 2 . Platz

Vorlauf 3 7:41.49 1 . Platz
Halbfinale A/B 1 7:23.10 1 . Platz
Finale A 6:58.64 1 . Platz

Vorlauf 2 7:27.86 3 . Platz
Finale A 7:04.98 3 . Platz

Galerien