31. März 2010 | Hochschule | von Arne Simann, Ruder-Event GmbH & Co. KG

Boatrace: Interview mit Simon Gawlik aus dem Oxford-Achter

Der Ruder-Bundesliga Pressesprecher Arne Simann interviewte den Frankfurter Simon Gawlik vor seinem Einsatz im Boot der „Dark Blues“ beim The Xchanging Boat Race am Samstag, 3. April.

Das legendäre Universitätsrennen auf der Londoner Themse wird von Eurosport ab 17.00 Uhr deutscher Zeit live übertragen.

RBL: Lieber Simon, schön, dass Du Dir für uns Zeit genommen hast und herzlichen Glückwunsch zur Nominierung für die erste Garde in Oxford. Seit wann bist Du dort?

Gawlik: Ich studiere seit September 2009 in Oxford.

RBL: In welchem Alter hast Du angefangen zu rudern?

Gawlik: Ich habe mit dem Rudern mit 12 Jahren im Ruder Club Nassovia Höchst bei Olaf Moll angefangen.

RBL: Bist Du familiär ruder- bzw. sportvorbelastet?

Gawlik: Mein Vater ist als Student in Prag gerudert. Mein Onkel mütterlicherseits ist auch als Kind im Ruderclub Nassovia Höchst gerudert.

RBL: Was waren Deine Erfolge in Deutschland für den DRV?

Gawlik:  Für den DRV bin ich von 2002 bis 2005 in der Junioren- und U23-Mannschaft gefahren. Dabei haben wir 2002 Silber und 2004 Gold im Doppelvierer gewonnen.

RBL: Wann begann die Selektion für das Universitätsteam aus Oxford?

Gawlik: Die Selektion fing hier schon relativ früh an. Schon zwei Wochen nach Beginn des Trainings sind wir unsere ersten Überprüfungen auf dem Ergo gefahren und seitdem zählte jedes Training. Kurz vor Weihnachten wurden erstmals zwei gleich starke Achter für das traditionelle Trial Eights Rennen selektiert worden. Im Vorfeld wurden die ersten Seat Races im Zweier ausgefahren.

RBL: Wie hast Du Dich für das Team qualifiziert?

Gawlik: Ich habe mich für das Team durch relativ gute Ergoleistungen und eben die Seat Races, das Rudern in verschiedenen Besetzungen qualifiziert.

RBL: Was ist Deine Bestzeit über 2000m auf dem Ergo?

Gawlik: Meine Bestzeit ist 5:57.3 Minuten. Die Zeit bin ich noch in Harvard gefahren. In Oxford sind wir meistens 5000m-Tests gefahren.

RBL: Welche Kriterien sind wichtig für die Besetzung des „Blue Boat"?

Gawlik: Ich glaube, dass es die gleichen Kriterien sind wie in jedem anderen Achter. Schwere Ruderer in die Mitte und die leichteren an die Enden. Rudertechnisch wollen wir alle exakt gleich fahren. Coach Sean Bowden hat mehrere Alternativen in der Besetzung ausprobiert, da wir dieses Jahr sehr vielseitige Ruderer haben und einige Möglichkeiten testen wollten.

RBL: Auf welcher Position sitzt Du und welche ist Deine Lieblingsposition?

Gawlik: Ich sitze auf Position sieben, also direkt hinter unserem Schlagmann, im Achter ist das auch meine Lieblingsposition.

RBL: Was ist Deine besondere Stärke im Team?

Gawlik: Ich denke, dass ich eine gute Anpassungsfähigkeit besitze. Das hilft mir dabei, den Schlagmann so gut wie möglich zu unterstützen und den Schlagrhythmus bestmöglich an den die hinter mir sitzende Crew weiter zu geben.

RBL: Was hast Du gemacht bevor du dein Studium in Oxford begonnen hast?

Gawlik: Vor Oxford habe ich vier Jahre Economics in Harvard studiert.

RBL: Bist Du dort auch gerudert?

Gawlik: Ja, Ich bin auch in Harvard unter der Trainierlegende Harry Parker gerudert. 2007 haben wir unsere Ivy League Meisterschaft und die Ladies' Plate in Henley gewonnen. Letztes Jahr hatte ich sogar die Ehre, Schlagmann zu sein.

RBL: Warum hast Du Dich entschieden in Oxford zu studieren?

Gawlik: Ich habe mich entschieden in Oxford zu studieren, weil es eine der wenigen Möglichkeiten ist, Leistungssport und Studium auf einem hohen Niveau zu betreiben. Das Xchanging Boat Race war einer der entscheidenden Gründe. Seit meinen zwölften Lebensjahr habe ich das Boat Race jedes Jahr im Fernsehen verfolgt, jetzt selbst daran teilnehmen zu dürfen, ist eine große Ehre.

RBL: Welchen akademischen Abschluss strebst Du in Oxford an?

Gawlik: Im Moment studiere ich, um einen Master of Science in Management Research Titel zu erreichen. Der Kurs wird an der Said Business School unterrichtet.

RBL: Was planst Du nach dem Jahr in Oxford?

Gawlik: Ich bin mir noch nicht ganz sicher, was nach Oxford auf mich wartet. Ich würde gerne wieder für Deutschland rudern, muss mir aber auch langsam Gedanken über meine berufliche Zukunft machen.

RBL: Welche Art von Job strebst Du an in der Zukunft?

Gawlik: Ich hoffe einen Job in der Industrie oder im Finanzwesen zu finden. In der momentanen Wirtschaftslage ist es schon eine Herausforderung überhaupt Arbeit zu finden.

RBL: Wie viel trainiert Euer Achter neben dem Studium?

Gawlik: Wir trainieren 12 Mal pro Woche. Stunden habe ich dabei nie gezählt. Das ist wahrscheinlich auch besser so.

RBL: Wart Ihr zur Vorbereitung auch in einem Trainingslager und wenn wo?

Gawlik: Ja, wir waren in einem 10-tägigen Trainingslager in Temple-sur-Lot in Südfrankreich im Januar. Es war zwar nur ein paar Grad Celsius wärmer als in Oxford, aber zumindest konnten wir uns voll auf das Rudern konzentrieren.

RBL: Wie sieht eure weitere Vorbereitung auf das Traditionsrennen aus?

Gawlik: Vor dem Boat Race haben wir noch einige Pressetermine. Nach London ziehen wir 10 Tage vor dem Rennen. Am 20. März sind wir schon einen Test in London gegen Leander Club gefahren. Am 23./24. sind wir Testrennen gegen Molesey RC gefahren, den zweiten großen Englischen Traditionsclub. Danach kommt das Boat Race.

RBL: Beschreibe doch mal für Außenstehende, was das Besondere ist, was den Zauber ausmacht, der dieses Rennen von allen anderen unterscheidet.

Gawlik: Es gibt drei Dinge, die dieses Rennen von allen anderen unterscheiden. Erstens, es gibt keine Medaille für den zweiten Platz. Wer hier verliert, kann sich nur schwer trösten. Zweitens, es gibt nur ein Rennen und keine Vorläufe oder keine Hoffnungsläufe, um Fehler wieder gut zu machen. Drittens, das Rennen ist nicht fair. Wer sich nach vorne arbeiten kann, darf in die Bahn des Verfolgers fahren.

RBL: Was für ein Bootsmodell fahrt Ihr dieses Jahr? Habt Ihr verschiedene getestet?

Gawlik: Wir fahren den Empacher Achter von letztem Jahr. Wie man auf Englisch sagt: "If it's not broken, don't fix it!"

RBL: Wie ist der Zusammenhalt im Team? Seid Ihr richtig befreundet und ein verschworener Haufen oder geht jeder nach dem Training seiner Wege?

Gawlik: Schon seit Anfang des Jahres haben wir uns alle sehr gut verstanden. Auch zwischen den Trainingseinheiten verbringen wir viel Zeit miteinander. Für mich war es überraschend, wie schnell ich Freunde im Team gefunden habe und ich denke, dass das eine wahre Stärke unserer Mannschaft ist.

RBL: Wie heißt Euer Coach und was sind seine bisherigen Erfolge?

Gawlik: Der Chief Head Coach heißt Sean Bowden und war mit Oxford seit 1998 sehr erfolgreich. Seit 2000 hat er 7 der letzten 10 Oxford Crews zum Sieg verholfen. Vorher hat Sean auch Cambridge für 2 Jahre trainiert und war Leichtgewichtstrainer für Großbritannien.

RBL: Planst Du eventuell eine Olympiateilnahme in London?

Gawlik: Ich kann mir durchaus vorstellen, mich für 2012 um einen Platz in der Deutschen Nationalmannschaft zu bewerben.

RBL: Wenn Du nicht ruderst, schläfst oder studierst, falls es solche Phasen gibt, was tust Du dann am liebsten?

Gawlik: Solche Phasen gibt es im Moment nicht.

RBL: Wie sieht Dein Wochenalltag in Oxford ausschildere doch mal einen typischen Tagesablauf.

Gawlik: Normalerweise stehe ich um 6:15 Uhr auf, esse mein Frühstück und bin dann um 7 Uhr beim Training. Nach der ersten Trainingseinheit gehe ich dann von 9 bis 12:30 Uhr meine Kurse besuchen und esse in der Business School zu Mittag. Um 13:30 treffen wir uns wieder und fahren mit den Teambussen eine halbe Stunde zum Training. Meistens kommen wir dann gegen 18 Uhr wieder in Oxford an. Zu Hause bereite ich mir dann mein Essen mit meinem Deutschen Zimmergenossen Moritz Hafner, der letztes Jahr im Leichtgewichtsachter für Deutschland gerudert ist und im Moment in Isis sitzt. Nach dem Essen studiere ich dann in meinem Zimmer oder in der Bibliothek bis es Zeit zum schlafen gehen ist.

RBL: Wo ist der Unterschied zwischen dem englischen und dem deutschem Universitätssportsystem? Was können wir von den Engländern lernen?

Gawlik: Ich weiß nicht, ob ich in dem Gebiet wirklich eine Autorität bin, da ich zu wenig Zeit im deutschen Universitätssystem verbracht habe. Die Rudermannschaft hier erhält sehr wenig direkte Unterstützung von der Universität. Die Ruderer arbeiten sehr hart für ihre Noten und versuchen auch mit dem Sport nicht bei den Professoren hausieren zu gehen. Meistens ist es besser, wenn die Professoren erst herausfinden, dass man rudert, wenn sie sich ihre Meinung schon durch Leistungen in den Kursen gebildet haben.
Was man von den Engländern lernen kann, ist wahrscheinlich, dass Tradition sich nach einer Weile selbst tragen kann. Wenn man die Geduld hat, Leute kontinuierlich durch Leistung zu begeistern, dann entstehen Gemeinschaften, die sich selbst unterstützen und die dem deutschen Rudersport mehr Präsenz in der Öffentlichkeit bieten. Das hängt aber alles sehr von der Motivation einzelner Leute ab, die die Initiative ergreifen wollen. Ein gutes Beispiel dafür ist der Head of the Charles in Boston. Obwohl die Tradition noch sehr jung ist, ist er jetzt kaum vom amerikanischen Ruderkalender wegzudenken.

RBL: Hast Du während Deiner Auslandsstationen schon etwas von der Ruder-Bundesliga in Deutschland mitbekommen? Für welchen Verein könntest Du Dir vorstellen in der Liga zu fahren?

Gawlik: Ja, ich habe schon viel von der Ruder-Bundesliga gehört. Ich finde es toll, dass das Vereinsleben in Deutschland durch die Rennen gefördert wird und freue mich, dass der Auftakt dieses Jahr in Frankfurt am Main, meiner Heimatstadt, stattfindet. Durch meine Erfahrungen in den USA weiß ich auch, wie wichtig eine Mannschaft sein kann, um Ruderer, die es nicht jedes Jahr in die Nationalmannschaft schaffen, weiterhin zu motivieren. Ich kann mir auch vorstellen, in der Bundesliga zu fahren. Da mein Heimatverein Nassovia Höchst leider zu klein ist, um momentan dabei zu sein, nehme ich gerne Angebote von anderen Vereinen entgegen

RBL: Lieber Simon, wir danken Dir, dass Du Dir in dieser stressigen Phase Zeit für uns genommen hast. Wir vom Team der Ruder-Bundesliga und ganz Ruderdeutschland werden Dir am kommenden Samstag, den 3. April, fest die Daumen drücken und wünschen Dir maximalen sportlichen Erfolg. Danke für dieses Interview und vielleicht sehen wir Dich ja schon bald in der deutschen Nationalmannschaft oder in der Ruder-Bundesliga wieder.