18. Febr. 2011 | Panorama | von Klaus Weise

Klaus Haberland (69) ist eine Art „VW Käfer“ im Boot

Und er rudert und rudert und rudert … - dreimal um den Äquator und kein Ende

Versprochen ist versprochen: in der Berichterstattung vom Flaggentag des LRV war zu lesen, dass da noch ein paar „spannende Geschichten“ nachfolgen. Zum Beispiel über Klaus Haberland (Pro Sport Berlin 24), der bei der Veranstaltung im ehrwürdigen Bärensaal des Alten Stadthauses in der Mitte Berlins mit dem dritten Äquatorpreis und der dafür verliehenen DRV-Nadel in Gold geehrt worden war. Dahinter standen sage und schreibe 120 296 Ruder-Kilometer – schon beim Lesen dieser Zahl tut einem der Hintern weh, schmerzen die Arme und Schenkel. 16 Ruderer, davon drei Frauen, weist die Statistik des DRV unter „3. Äquatorpreis“ aus. Neun sind Mitglieder Berliner Vereine, Klaus Haberland ist als vorläufig letzter dazu gekommen.

An die 450 Namen verzeichnet die Liste derer, die im Laufe der Jahre 40 077 Kilometer im Boot zurückgelegt haben – ein Drittel Berliner. Auch der erste Preisträger kam aus der damals noch geteilten Stadt. Günther Hartmann von der Ruder-Gemeinschaft Grünau nahm 1972 den ersten vom Deutschen Rudersport-Verband der DDR gestifteten Äquatorpreis entgegen. Tatsächlich, der Äquatorpreis ist ein Kind der DDR. Erst 1976 folgte mit Turbine-Ruderer Hans Fuhrmann der zweite, ein weiterer Grünauer. Bis 1990 stieg die Zahl der – welch Kuriosum der Geschichte – quasi eingemauerten Erdball-Umrunder aus der DDR auf 26. Dann kam die Vereinigung und mit dieser übernahm die bis dato auf die Fahrtenwettbewerbe beschränkte Bundesrepublik den Preis, dessen Namensliste seitdem stetig und unaufhörlich gewachsen ist.

Und es ist  – siehe oben – nicht beim einmaligen Rund um den Erdball geblieben. Beim LRV-Flaggentag am 16. Januar 2011 wurden neben acht Ersterfüllern drei RuderInnen und Ruderer für die Zweitauflage und  besagter Klaus Haberland für den dritten Äquatorpreis ausgezeichnet.

Klaus Haberland ist eigentlich ein Spätberufener. Erst mit 21, also im Jahre 1962, kam er zum Rudern. In Schöneweide aufgewachsen, sah er im dortigen Freibad Oberspree als Badegast immer mal wieder Ruderboote vorziehen – das sah schnell, athletisch, ja majestätisch aus und der junge Mann dachte sich, das solltest Du auch mal probieren. Es bedurfte aber erst eines Arbeitskollegen im nahen Transformatorenwerk, wo Haberland lernte und als Ingenieur für Qualitätsmanagement tätig war, um den Gedanken Realität werden zu lassen. Der nahm ihn mit vom Arbeitsplatz direkt an der Spree zum Bootshaus der BSG Post nach Wendenschloss – da hat er noch heute sein zweites Zuhause. „Am 15. Mai 1962 absolvierte ich meine ersten zwei Kilometer im Ruderboot“, erzählt er, als sei es gestern gewesen. „Und dann hatte ich das Glück, dass zwei Kameraden einen dritten für ihre Spreewaldfahrt über Lübbenau und Beeskow suchten, die bis heute meine Lieblingstour ist.“ Mal Steuermann, mal am Ruderblatt – Haberland hatte „einen Heidenspaß dabei“ und wusste, „das ist mein Ding“.

Er habe sich „wohl nicht ganz so dumm angestellt“, meint er rückblickend. Auch nicht bei den Regatten, die er schon im September seines Premierenjahres mitfuhr, und auf Anhieb im Zweier ohne gewann. „Dass ein Frischling vorneweg fuhr, dass hat einige langjährige Fahrensleute hellhörig gemacht“, schmunzelt Haberland. Zwischendurch war er sogar mal Rennruderer, versuchte sich Mitte der 60er bei den Leichtgewichten im Einer und Doppelzweier. Dann aber kam ihm die Einberufung zur Armee in die Quere, die 18 Monate ab November 1965 waren fast ruderfrei – und leistungssportliche Ambitionen hatten sich erledigt. Von da an stand endgültig das Wanderrudern für Klaus Haberland auf der Agenda oben – er wurde, bestätigt er lachend, zum „Kilometerfresser“. Ein bisschen verrückt müsse man sein, und Ehrgeiz gehöre auch dazu. „Wer steht schon in aller Herrgottsfrühe auf, fährt raus zum Verein, bereitet das Boot vor und geht dann ein paar Stunden in der Hoffnung auf Prachtwetter aufs Wasser?“ Dass es nicht so extrem viele sind, hat der im August seinen 70. feiernde Ruderenthusiast zum Beispiel bei der Partnersuche für  Frühfahrten festgestellt. Da blieb dann häufig doch nur der Einer. Schon in den ersten Jahren, als vom „Äquatorpreis“ noch keine Rede war, legte Haberland eine Menge Kilometer zurück – weit über dem Üblichen.

Im Fahrtenwettbewerb des DRSV, der nur die Zeit vom 1. April bis 31. Oktober (DRV 1.1. bis 31.12.) umfasste, waren für Ruderer im reiferen Alter in etwa 1000 Kilometer zu erreichen, das schaffte er – mit Ausnahme des Armeejahres 1966 – locker. 1968 etwa, erinnert er sich, waren es 4500. So ging das Jahr für Jahr weiter, einstweilen gehört Haberland mit 47 Erfüllungen des DRV-Fahrtenabzeichens zu den Top 20 in Deutschland, was dieses Ranking angeht. Auch beim Äquatorpreis muss der Friedrichshainer (Boxhagener Platz) nur auf die richtige Gedächtnistaste drücken, und hat sofort die Daten parat: „Am 17. Juli 1992 war es so weit, da habe ihn den ersten bei einer Müggelfahrt komplett gemacht. Das wurde mit ein paar Bierchen und belegten Brötchen gefeiert.“ Bis zum zweiten dauerte es formal länger, als es real ablief -  denn in der statistischen Erfassung war zwischendurch einiges liegen geblieben, erst nachdem die nachgereichten Daten registriert waren, wurde 2008 nachträglich der zweite Äquatorpreis – sprich die silberne Nadel – an Haberland verliehen. Da aber war er kilometermäßig schon gar nicht mehr so weit weg vom Gold des dritten – und der war am 25. November 2009 fällig.

Schaut man sich Haberlands Notizen an, ist Staunen fast zwangsläufig. Bei Zahlen wie diesen kein Wunder: 7258 km im Jahr 2001, 7339 (2002), 6152 (2003), 6237 (2004), 6298 (2005), 6206 (2006), 5005 (2007), 8022 (2008), 6010 (2009) in den folgenden. 2010 ist er nach längerer Krankheit etwas kürzer getreten und hat sich mit „nur“ 3820 Kilometern beschieden. Nimmt man 2009, so hat Haberland da 128 Fahrten absolviert, davon 79 im Einer. Von 6010 Kilometern hat er 3638 km als Solist bestritten. Und nun, geht er jetzt den vierten Äquatorpreis an? „Eher nicht“, sagt er ehrlich. „Denn bei 6000 km per anno bräuchte man ja dafür noch einmal sieben Jahre. Am Rudern habe ich nach wie vor jede Menge Spaß und werde davon nicht lassen, aber ob ich das noch mal angehe?“ Allerdings, gibt er zu, der „Appetit kommt beim Essen und mein Appetit ist der Ehrgeiz, der kitzelt“. Denn hat er schon immer gehabt, was sich z.B. in den 60er in solchen Tagesschilderungen ausdrückt: „Mittags bin ich nach dem Unterricht an der Ingenieurschule in Wildau mit meiner 350er MZ nach Grünau gebraust, habe dort das Krad abgestellt, bin mit der Fähre nach Wendenschloss übergesetzt und zum Bootshaus gelaufen. Dort habe ich mein Boot fertig gemacht, bin im Einer rausgefahren. Als ich zurückkam, waren inzwischen die anderen von der Arbeit da und mit denen bin ich dann abends im Mannschaftsboot nochmal aufs Wasser.“ Ganz so heftig treibt er es heute nicht mehr.

Aber immerhin. „In der Freiluftsaison fahre ich oft dienstags raus ins Bootshaus, übernachte da, und dann geht es morgens früh um sieben bis mittags auf Wasser. Da sind noch nicht so viele Motorboote draußen und die Natur hat einen ganz besonderen Reiz. Danach wird man einfach ein bisschen süchtig ...“ 2012 ist er 50 Jahre im Verein, der heute ProSport 24 heißt. Und auch die 50. Fahrtenabzeichen-Erfüllung ist in Sicht. „Das sind meine nächsten Ziele“, sagt Klaus Haberland.