22. Febr. 2022 | Jugend | von Hannah Schleupner und Paula Scholz

Bunt wie unsere Flaggen – Die Relevanz geschlechtlicher und sexueller Vielfalt im Rudersport

Klares Statement nach außen: Bei dem letztjährigen Bundeswettbewerb in Salzgitter fanden die Diversity-Shirts der ehrenamtlichen DRJ-Helfer*innen großen Gefallen.

Gender, Queerness, Empowerment

Gender, Queerness, Empowerment – Unter diesem Stern standen vom 10. Januar bis zum 7. Februar dieses Jahres vier Online-Veranstaltungen der Deutschen Ruderjugend, mit denen der Verband in unterschiedlichen Zielgruppen verschiedene Herausforderungen zum Thema Diversität aufgezeigt hat. Und auch, wenn bereits begonnen wurde, ein Bewusstsein für gesellschaftliche Vielfalt in unserem Sport zu schaffen - unter anderem mit dem Projekt „Rudern für Toleranz“ -, war es schon lange an der Zeit, Ruder*innen aus ganz Deutschland auch für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt zu sensibilisieren.

Unter Diversität (engl.: diversity) verstehen wir in diesem Artikel diejenige gesellschaftliche Vielfalt, die dadurch entsteht, dass sich verschiedenste Menschen verschiedenen geschlechtlichen und sexuellen Identitäten zugehörig fühlen können. Darunter fallen zum Beispiel Homosexuelle Menschen oder Menschen, deren geschlechtliche Identität nicht der entspricht, die ihnen bei der Geburt zugeordnet wurde.

 

Dass dieses Thema verstärkter Aufmerksamkeit bedarf, ist keine Frage; im Rudersport ist die queere Gemeinschaft stark vertreten. Leider mangelt es noch an vielen Stellen an Sichtbarkeit und Offenheit – das wurde mehrheitlich in den vier Workshops gezeigt. Bereits in der Einführungsveranstaltung füllte sich die Liste, in die die Teilnehmenden in jedem Workshop ihre Visionen für diverseres Rudern notieren konnten, und in den Folgeveranstaltungen – einem Workshop für Trainer*innen, für die U19-Jugend und für das Empowerment von Frauen – wurden etliche weitere Punkte ergänzt.

Vielfalt-Glossar

Diversität:

Geschlechtliche und sexuelle Vielfalt (beispielsweise Homosexualität oder transgender)

 

Queer:

Oberbegriff für Menschen, die ich nicht als heterosexuell und/oder mit dem ihnen bei der Geburt zugeordneten Geschlecht identifizieren

 

LSBTQIA*+:

Abkürzung für die Gemeinschaft aller queeren Menschen

 

Gender:

Eigene, vom biologischen Geschlecht unabhängige geschlechtliche Identität

 

Empowerment:

Explizite Befähigung gewisser, meist benachteiligter Gruppen, sich ihrer eigenen Fähigkeiten und Werte bewusst zu machen

 

Pride:

Selbstbewusster und stolzer Umgang mit der eigenen sexuellen und geschlechtlichen Identität

Referent*innen waren dabei nicht nur die Organisator*innen, sondern auch Expertinnen von SCHLAU Niedersachen e.V. und dem Projekt Gemeinsam STARK (Landessportbund Sachsen-Anhalt), sowie Trainer*innen, Athlet*innen und andere Menschen aus dem Rudersport, die alle Teilnehmenden mit Vorträgen, interaktiven Aufgaben und Diskussionen in kleinen und großen Gruppen durch die Workshops führten.

Sicher und unkompliziert: Die Diversity-Workshopreihe wurde online durchgeführt, um allen Interessierten die Teilnahme zu ermöglichen.

Wie groß die Diskrepanz zwischen dem aktuellen Stand des DRV und der Perspektive ist, zeigen die in einem interaktiven Padlet festgehaltenen Wünsche und Visionen der Teilnehmer*innen. Auch die Evaluation der Veranstaltungen fielen dementsprechend aus. Ein*e Teilnehmer*in vermerkte so beispielsweise:

„Ich erhoffe mir Änderungen bzw. Verbesserungen (…) nach den Workshops. Es wäre sehr schade, wenn nach diesem vielfältigen Austausch von verschiedenen Gruppen keine Ergebnisse resultieren würden. Dies würde auch falsche Signale senden (…).“

Worte wie diese haben uns erneut gezeigt, dass unsere Arbeit nicht damit getan ist, vier verschiedene Video-Seminare anzubieten.

Wie kann ich zu einem diversitätsfreundlichen Miteinander beitragen?

  • die eigene Sprache und Haltung hinterfragen (Schließe ich damit jemanden aus? Verletze ich damit ggf. jemanden?)
  • Ally = Unterstützer*in für queere Menschen sein
  • Vielfalt als Bereicherung ansehen und Willkommen heißen
  • Ausschreibungen und Anschreiben genderneutral formulieren
  • Bei Fragen an die entsprechende Stelle wenden (z.B. Diversity Beauftragte der DRJ, des Landessportbundes, der DSJ…)
Der Einsatz des mentimeters sorgte für Interaktion zwischen den Referierenden und den Teilnehmenden.

Die Workshops waren erst der Anfang!

Wir werden uns in den kommenden Wochen und Monaten damit befassen, aus den Visionen und Ideen der Teilnehmer*innen konkrete Projekte und Maßnahmen zu entwickeln. So wurde beispielsweise der Wunsch nach weiteren Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten, auch analog, laut. Die Implementierung des gesellschaftlich bedeutsamen Themas in unsere Lehrgänge für Bundesfreiwilligendienstleistende, Jugendleiter*innen und Jugendliche ist ein erster Schritt. Dankbar sind wir hierbei für die Kooperation mit Bildungsträger*innen, die speziell auf den Rudersport zugeschnittene Workshops gestalten. Des Weiteren wird an der Bereitstellung von Material und Informationen gearbeitet, um durch Multiplikator*innen die Sensibilisierung für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt in die Vereine und Landesverbände tragen zu können. Auch ist eine weitere Vernetzung geplant, um interessierte Menschen dafür zu gewinnen, sich über Diversity auszutauschen, ihre Erfahrungen zu teilen und gemeinsam an Projekten zu arbeiten. 

Nach der Aufnahme von geschlechterneutralen Kinderrennen bis zur Altersklasse 11 Jahre und der sprachlichen Anpassung des Regelwerks der DRJ für das Kinderrudern stellt sich die Frage nach einem Regelwerk, welches Ruder*innen, die keinem der binären Geschlechter angehören, einschließt und ihnen ebenfalls die Chance bietet, sportlich aktiv zu sein und sich in Wettbewerben zu messen.

Um eine Willkommenskultur zu schaffen, Toleranz zu fördern und Vielfalt sichtbar zu machen, scheint „Flagge zeigen“ eines der einfachsten und zugleich wirksamsten Mittel zu sein. Ob wir die Regenbogenflagge am Mast neben der Vereinsflagge hissen, als Anstecker am Kragen oder auf einem T-Shirt während einer Regatta tragen - sie alle zeigen, dass der Rudersport bunt ist, dass bei uns jede*r willkommen ist und sich niemand zu verstecken braucht.

Lasst uns also alle gemeinsam im Juni - dem „Pride Month“ - Flagge zeigen und uns zur Vielfalt bekennen!

 

 

Die Workshops werden aus Fördermitteln der Deutschen Sportjugend gefördert. An dieser Stelle möchten wir uns für die finanzielle Unterstützung bedanken und die Möglichkeit in diesem Themenfeld Angebote für Jugendliche und junge Erwachsene schaffen zu können.

Paula Scholz

Beisitzerin (Breitensport/Diversity)