28. Mai 2025 | Nationalmannschaft | von Hans Strauss und Luisa Gärtner

Viele Veränderungen sorgen in Plovdiv für eine spannende EM

EM-Vorfreude auf dem Wasser – erste Trainingsläufe auf der Regattastrecke in Plovdiv. Foto: meinruderbild

Im Jahr nach Olympischen Spielen werden die Karten im Spitzenrudern stets neu gemischt. Manche Größen beenden ihre Karriere oder pausieren zu Gunsten des beruflichen Fortkommens; viele neue, jüngere Gesichter tauchen auf; fast alle Boote werden umbesetzt. In diesem Jahr gibt es auch einige Athletinnen und Athleten, die nach der Streichung der letzten Leichtgewichtsklasse aus dem olympischen Programm ihr Glück nun im schweren Bereich suchen. All das zusammen macht Prognosen für die erste Regatta der Saison sehr schwierig, verschafft der Europameisterschaft vom Donnerstag bis Sonntag (27.5. bis 1.6.2025) in Plovdiv (Bulgarien) gleichzeitig aber auch eine Extraportion Spannung.

Einige deutsche Medaillenkandidaten

Das Thema Veränderungen gilt auch und gerade für den Deutschen Ruderverband – bei den nominierten Athleten, in der sportlichen Führung, in der Zusammenarbeit mit den Sportlern, in der Trainingsdiagnostik. „Wir stehen mit unserer jungen Mannschaft noch am Anfang. Es wäre schön, wenn man sehen würde, dass die Veränderungen schon greifen. Wenn dem nicht so wäre, sollten wir nicht gleich Trübsal blasen“, sagt Cheftrainer Marcus Schwarzrock vor der ersten Standortbestimmung. Bei aller Vorsicht sind im A-Bereich durchaus einige deutsche Medaillen-Kandidaten auszumachen. Der Männer-Achter zählt dazu, der Frauen-Doppelvierer und auch Alexandra Föster im Einer der Frauen. Erfolgsgarant Oliver Zeidler schreibt im Studium Klausuren und kann seinen Einer-Titel auf dem Ruderkanal von Plovdiv, der mit 350 000 Einwohnern zweitgrößten Stadt Bulgariens, daher nicht verteidigen.

517 Rudernde aus 32 Ländern sind für die EM gemeldet, die meisten Starter hat mit 20 Teilnehmern der Männer-Einer. Der deutsche Meister Marc Weber trifft dabei auf sehr starke Konkurrenz. Der Olympia-Zweite Yauheni Zalaty (Neutrale Athleten) ist ebenso am Start wie der Überraschungs-Vierte von Paris, Tim Brys (Belgien), und Stefanos Ntouskos (Griechenland), der Olympia-Sieger von 2021.  Aber Bangemachen gilt nicht für Weber, der seine EM-Chance aktiv nutzen und auf jeden Fall ins A-Finale will.

Männer Skull mit vielen jungen Athleten

Erfahrung zu sammeln heißt es für Timo Strache und Till Schindelhauer im Männer-Doppelzweier. Sie gehören zu den vielen jungen Skullern, die von den Trainern Francesco Fossi und Eric Johannesen weiter gefördert und behutsam aufgebaut werden sollen. Beide sind gleichzeitig auch die Ersatzleute im Männer Skull. Favorit auf den EM-Titel in dieser Bootsklasse sind die rumänischen Olympia-Sieger Cornea/Enache.

Besonders stark ist die Konkurrenz im Männer-Doppelvierer. Italien tritt mit drei der vier Silber-Gewinner von Paris an, Bronze-Gewinner Polen hat sein Quartett namhaft verjüngt, der Olympia-Vierte Großbritannien hat noch zwei Mann aus dem vergangenen Jahr dabei, Irland verstärkt sich mit Leichtgewichts-Ass Philip Doyle und die Niederlande treten mit dem bisherigen Zeidler-Rivalen Simon van Dorp an. Bangemachen gilt nicht, dürfte es da für Tom Gränitz, Felix Heinrich, den erst 18-jährigen Ole Hohensee und Schlagmann Oliver Holtz heißen. Mit einem Platz im A-Finale wäre schon viel erreicht für das neuformierte Boot.

Drei deutsche Boote gehen auch im Männer Riemen an den Start. Im Zweier ohne Steuermann sitzen bei der EM zwei Youngster: Simon Schubert und Kaspar Virnekäs, die sich bei einer internen Ausscheidung durchsetzen. Als EM-Ersatz sind nun Mark Hinrichs und Tom Tewes dabei. Als Favoriten im Zweier ohne dürfen die Paris-Vierten Antoni/Lehaci aus Rumänien gelten.

Mit einem Altersmix geht der Vierer ohne Steuermann an den Start. Die Olympia-erfahrenen Wolf Niclas Schröder und Max John, die letzte Saison noch im Achter saßen, bilden zusammen mit René Schmela (Schlag) und Friedrich Amelingmeyer das deutsche Quartett, das beim Abschlusstrainingslager in Ratzeburg einen guten Eindruck hinterließ. Alle Augen richten sich auf die unverwüstlichen Brüder Martin und Valent Sinkovic aus Kroatien, die es nach ihrem dritten Olympia-Gold in Paris nun noch einmal in einer neuen Bootsklasse probieren – zusammen mit Patrik und Anton Loncaric, einem weiteren Brüderpaar. Die Niederlande starten mit Finn Florijn am Schlag, der nach dem Olympiasieg im Doppelvierer zum Riemenboot gewechselt ist. 

Hagemeister am Schlag im Deutschland-Achter

Der Deutschland-Achter geht mit fünf neuen Ruderern in die Saison. Sönke Kruse und Julius Christ, die im Vorjahr im Zweier ohne Steuermann überzeugten und Platz elf bei den Olympischen Spielen belegten, rückten genauso ins Flaggschiff wie die Youngster Tobias Strangemann (20 Jahre) und Paul Klapperich (22) sowie Theis Hagemeister, der die Position des Schlagmanns übernimmt. Ihren Platz im deutschen Flaggschiff behalten haben Olaf Roggensack, Benedict Eggeling, Mattes Schönherr und Steuermann Jonas Wiesen. Bei der EM in Plovdiv trifft die Mannschaft auf Olympiasieger Großbritannien, der mit einem komplett neu besetzten Boot antritt, und den Olympiazweiten Niederlande, der noch drei Paris-Starter auf den Rollsitzen hat. Auch mit Rumänien ist im Kampf um die EM-Medaillen zu rechnen.

Im Frauen-Einer gehört Alexandra Föster zum Favoritenkreis, auch wenn sie ihren Trainingsrückstand wahrscheinlich noch nicht ganz aufholen konnte. Namhafteste Konkurrentin der Olympia-Siebten und letztjährigen EM-Zweiten ist die Litauerin Viktorija Senkute, die sich in Paris Bronze sicherte. Im Boot der Niederlande tritt anstelle von Karoline Florjin eine andere Olympia-Siegerin an, mit der sicherlich zu rechnen ist: Benthe Boostra, die mit dem Vierer ohne in Paris triumphiert hatte.

Frauen-Doppelvierer will sich zeigen

Auch wenn von der Bronze-Besatzung von Paris derzeit nur Schlagfrau Pia Greiten erhalten blieb, ist der Frauen-Doppelvierer bei der EM einer der Medaillenkandidaten. Sarah Wibberenz, Paris-Ersatzfrau Frauke Hundeling, Lisa Gutfleisch und Greiten bilden das neue Boot, das sich in Plovdiv zeigen will. Bei der Konkurrenz war der Wechsel ähnlich groß. Olympia-Sieger Großbritannien hat ebenso wie die vom DRV-Boot auf Rang vier verwiesene Schweiz nur noch eine Paris-Ruderin dabei, beim Olympia-Zweiten Niederlande ist alles neu. Ganz anders sieht es beim Olympia-Fünften Ukraine aus, der nur einen Rollsitz neu besetzt hat.

Olivia Clotten und Lene Mührs schnupperten vor zwei Jahren mit dem Frauen-Achter schon einmal in Belgrad Weltcup-Luft, der Zweier-ohne-Einsatz bei der EM bedeutet für Beide aber den ersten „richtigen“ A-Wettkampf. Die deutschen Meister-Duo aus Neuss und Essen starten in einem Elf-Boote-Feld ohne eindeutige Favoriten. Das A-Finale zu erreichen, wäre ein schöner Erfolg.

Mit Vorfreude blickt der neu zusammengestellte Frauen-Achter auf das kontinentale Kräftemessen in Plovdiv mit sechs weiteren Großbooten, darunter Olympiasieger Rumänien und der Olympiadritte Großbritannien – beide noch mit jeweils drei Medaillen-Gewinnern an Bord. Das deutsche Boot geht mit einem Durchschnittsalter von 24 Jahren an den Start mit (vom Bug zum Heck): Judith Guhse, Tabea Kuhnert, Paula Gerundt, Anna Härtl, Annabelle Bachmann, Michelle Lebahn, Paula Hartmann, Nora Peuser und Steuermann Florian Koch. „Die Medaillen sind noch weit weg“, sagt Trainer Alexander Schmidt. „Unser Ziel ist es, an die Konkurrenz heran zu rutschen und unsere Philosophie zunehmend besser umzusetzen.“ Bis zur WM im September in Shanghai soll das Leistungslevel immer mehr anwachsen.

Als Ersatz für die Riemenboote sind Malou Wollenhaupt und Antonia Labonde dabei.

Neuer Modus macht Vorläufe attraktiver

Bei der EM wird erstmals der neue Rennmodus umgesetzt. Durch den Wegfall von Hoffnungsläufen kommt dem Vorlauf eine viel größere Bedeutung zu. Die Plätze eins und zwei eines Vorlaufrennens sowie die Zeitschnellsten aus dem verbliebenden Booten erreichen die nächste Runde. Bei bis zu zwölf Teilnehmern, wie es in Plovdiv bei sieben Bootsklassen der Fall ist, erreichen aus den beiden Vorläufen die ersten Beiden sowie zwei weitere Boote über die Zeit das A-Finale. „Wenn man nicht Erster und Zweiter ist, dann heißt es Vollgas geben. Die neue Regelung macht die Vorläufe auf jeden Fall attraktiver“, sagt Cheftrainer Schwarzrock.

Para Team vor Härtetest

Für das Para Team ist die Europameisterschaft im bulgarischen Plovdiv die erste wichtige Standortbestimmung im nachparalympischen Jahr. Noch herrscht Aufbruchstimmung im internationalen Feld: Viele Nationen sortieren sich neu, in zahlreichen Teams stehen noch Klassifizierungen aus, auch in der deutschen Mannschaft. Ein Umstand, der sich in den Meldezahlen widerspiegelt: So gibt es im PR3 Mixed-Vierer keine einzige Meldung.

In den übrigen Bootsklassen trifft das deutsche Team auf starke Konkurrenz. Marcus Klemp (PR1 M1x) erwartet ein besonders hochkarätiges Feld: Bis auf den Bronzemedaillen-Gewinner der Paralympics aus Australien sind alle Finalisten der Spiele von Paris vertreten.

Das Meldefeld im PR2 Mixed-Zweier ist zwar klein, aber hochkarätig: Nur zwei Boote sind gegen die beiden Deutschen, Jasmina Bier und Paul Umbach, gemeldet – die Paralympics-Dritten und -Vierten aus Israel und der Ukraine.

Fünf Nationen hingegen treten im PR3 Mixed-Zweier gegeneinander an. Auf Valentin Luz und Kathrin Marchand warten mit den Paralympics-Zweiten aus Großbritannien und dem ukrainischen Team (Platz vier) ebenfalls anspruchsvolle Gegner.

„Wir nutzen diese Europameisterschaft als erste internationale Standortbestimmung. Das nachparalympische Jahr ist ein Jahr des Übergangs, des Ausprobierens. In allen Booten wollen wir schauen, wo wir international stehen und unsere Leistung bestmöglich abrufen. Gerade im PR2 Zweier war die Vorbereitung durch berufliche Verpflichtungen herausfordernd – die anderen Mannschaften konnten sich konstanter vorbereiten. Aber wir sind bereit, unser Bestes zu zeigen“, ordnet der Para Bundestrainer Marc Stallberg die Situation ein.

Wenig Meldungen im Leichtgewicht

Unter schwachen Meldeergebnissen leiden die Leichtgewicht-Wettbewerbe. Joachim Agne und Finn Wolter haben im Männer-Doppelzweier Österreich als einzigen Gegner. Besser sieht es im Männer-Einer aus, wo Fabio Kress auf acht weitere Boote trifft. Die Brüder Maximilian und Alexander Aigner starten bei ihrem EM-Debüt im Zweier ohne in einem Vierer-Feld.

Alle EM-Termine

Der EM-Zeitplan, Donnerstag: Vorläufe 9.30 bis 11.51 Uhr und 14.00 bis 15.24 Uhr, 15.50 Uhr Spare Races.

Freitag: 9.30 bis 9.50 Uhr restliche Vorläufe, 9.52 bis 10:02 Uhr D- und C-Finals, 10.32 bis 11.24 Uhr Halbfinals.

Samstag: 9.30 bis 10.10 Uhr B-Finals, 10.35 bis 13.13 Uhr A-Finals.

Sonntag: 9.30 bis 10.00 Uhr restliche B-Finals, 10.35 bis 12.45 Uhr restliche A-Finals.

EM im Stream: Worldrowing überträgt die Finals am Samstag und Sonntag per Livestream auf seiner Webseite. Die ARD-Sportschau zeigt die Finals des Sonntags ab 10 Uhr in einem Livestream. In einem weiteren Livestream ab 16 Uhr mit Reiten wird eine EM-Zusammenfassung aus deutscher Sicht gezeigt.

Events

Boote

Vorlauf 1 6:25.76 3 . Platz
Halbfinale A/B 2 6:25.66 5 . Platz
Finale B 6:28.10 4 . Platz

Vorlauf 1 5:56.11 5 . Platz
Finale B 5:51.70 5 . Platz

Vorlauf 1 7:10.88 4 . Platz
Finale B 7:10.84 2 . Platz

Vorlauf 1 6:04.71 3 . Platz
Finale A 6:14.78 5 . Platz

Vorlauf 2 6:47.80 1 . Platz
Halbfinale A/B 1 6:50.66 3 . Platz
Finale A 6:46.08 4 . Platz

Vorlauf 4 6:27.77 5 . Platz
Finale C 6:21.45 4 . Platz

Vorlauf 1 5:39.79 3 . Platz
Halbfinale A/B 2 5:40.05 3 . Platz
Finale A 5:39.81 5 . Platz

Vorlauf 1 7:27.03 4 . Platz
Halbfinale A/B 2 7:41.82 6 . Platz
Finale B 7:42.73 5 . Platz

Vorlauf 1 6:18.06 3 . Platz
Finale A 6:12.62 2 . Platz

Vorrennen/Bahnverteilungsrennen 7:01.35 1 . Platz
Finale A 6:57.41 1 . Platz

Vorrennen/Bahnverteilungsrennen 8:11.59 1 . Platz
Finale A 8:04.35 1 . Platz

Vorlauf 2 9:23.23 4 . Platz
Finale B 9:31.10 1 . Platz

Vorlauf 1 6:59.45 1 . Platz
Finale A 6:51.24 1 . Platz

Vorrennen/Bahnverteilungsrennen 6:30.63 1 . Platz
Finale A 6:25.53 1 . Platz

Vorrennen/Bahnverteilungsrennen 6:56.29 1 . Platz
Finale A 6:54.71 1 . Platz