12. Juli 2021 | Nationalmannschaft | von Hans Strauß

Auf dem Weg nach Tokio mit: Max Appel und Tim Ole Naske

Bilden den Abschluss der Interviewreihe "Auf dem Weg nach Tokio": Max Appel und Tim Ole Naske.

Die Olympischen Spiele von Tokio rücken näher. Sieben Boote des Deutschen Ruderverbandes haben sich für die olympische Regatta vom 23. bis 30. Juli 2021 auf dem Sea Forest Waterway qualifiziert. In Doppel-Interviews stellen wir alle DRV-Olympia-Boote vor. Für die siebte und letzte Folge der Serie haben wir uns mit Max Appel (SC Magdeburg) und Tim Ole Naske (Ruder-Gesellschaft Hansa Hamburg) unterhalten. Die beiden 25-Jährigen bilden zusammen mit Karl Schulze (Berliner Ruder-Club) und Hans Gruhne (Ruderclub Potsdam) den Doppelvierer der Männer. Während Schulze bereits zwei Mal Gold holte und auch Gruhne Olympiasieger ist, sind es für Appel und Naske die ersten Spiele. Beide sprechen darüber, was sie als Typen ausmacht, den mehrfachen Platztausch im Boot und ihr ehrgeiziges Ziel für Tokio.

Ihr seid aus dem gleichen Jahrgang, wart beide schon im Junioren- und U23-Bereich sehr erfolgreich, rudert jetzt das zweite Jahr zusammen in einem Boot, und seid unterwegs Zimmergenossen. Einige Gemeinsamkeiten. Mich interessiert: Was unterscheidet Euch, als Menschen und als Ruderer?

Tim Ole Naske: In unseren Hobbys sind wir sehr unterschiedlich. Max hat es in seiner Freizeit gerne etwas ruhiger und geht angeln. Ich gehe gerne Rennradfahren und Kiten, bin also eher aktiv. So hat jeder von uns ein Hobby, das ihn sehr ausfüllt – da sind wir uns wieder sehr ähnlich. Wir leben beide unsere Passionen aus.

Max Appel: Und sportlich haben wir natürlich das gleiche Ziel, möglichst erfolgreich zu sein. Auch da sind wir verschiedene Typen. Ole kommt über die Ausdauer, ich über die Schnellkraft.

Tim Ole: So wie wir an einen Wettkampf herangehen, sind wir uns wiederum sehr ähnlich.

Noch einmal zurück zu Euren Hobbys. In diesem Jahr dürften sie, abgesehen vom auch zum Trainingsprogramm gehörenden Radfahren, wegen der intensiven Olympia-Vorbereitung mit vielen Trainingslagern sehr gelitten haben.

Tim Ole: Das stimmt. Man ist halt sehr wenig zu Hause und dann muss beim Kiten auch der Wind passen. Dieses Jahr war ich erst ein- oder zwei Mal auf dem Wasser. Das mache ich entweder auf Sylt oder auf Fehmarn.

Und wie ist es mit dem Angeln, Max? Und was für ein Anglertyp bist Du?

Max: Ein See mit Fischbesatz ist nix für mich. Ich bin hauptsächlich Spinnfischer, also sehr aktiv. Dabei geht man mit einem künstlichen Köder, der immer in Bewegung gehalten werden muss, auf Raubfische. Am Elbstrom kann man sehr gut Zander angeln. Der ist natürlich auch in der Küche sehr lecker. Aber in der Regel setzt man die Fische, wenn sie nicht verletzt sind, wieder zurück ins Wasser.


„Max fühlt sich auf Schlag sehr wohl, ich mich im Bug genauso. Wenn es die schnellere Besetzung ist, dann lässt man es auch so. Ich finde, dass wir jetzt das beste Niveau bisher haben.“

Tim Ole Naske


Die Besetzung des Doppelvierers wurde Anfang 2020 entschieden und trotz der Olympia-Verschiebung nicht mehr verändert. Intern wurden die Positionen aber mehrfach getauscht. Max, Du sitzt jetzt am Schlag, und Ole sitzt im Bug.

Tim Ole: Ich erkläre es mal chronologisch. Bei der EM im letzten Herbst (Anm.: Platz 6) haben wir etwas unsere Linie verloren. Daraufhin haben wir als technisches Element Max und mich getauscht. Das brachte wieder mehr Klarheit im Schlag. Als wir auch noch Hans und mich getauscht haben, lief es auf einmal wieder. Aus meiner Sicht vor allem, weil alle aktiver mit der neuen Position umgehen mussten. Max fühlt sich auf Schlag sehr wohl, ich mich im Bug genauso. Wenn es die schnellere Besetzung ist, dann lässt man es auch so. Ich finde, dass wir jetzt das beste Niveau bisher haben.

Der letzte Platz im Finale des Weltcups von Luzern war im Mai ein schwerer Schlag für Euch. In Sabaudia habt Ihr Euch mit dem dritten Rang beim letzten Wettkampf vor den Spielen aber Selbstvertrauen holen können. Wie wichtig war das?

Max: Sehr wichtig. Die Trainingswoche nach Luzern war fast schlimmer als das Rennen. Da sind wir komplett auseinandergefallen und keiner wusste, warum. Das war sehr merkwürdig und man hat gedacht, das kann ja was werden in Sabaudia. Aber wir haben noch mal zwei, drei Tage abgeschaltet bis zur Anreise und in Italien lief es dann schon im Training besser. Im Finale sind wir ein super Rennen gefahren. Bis 1000 Meter war es sehr, sehr gut, dann sind wir ein bisschen ins alte System zurückgefallen. Wir waren am Ende nur eine gute Länge hinter den Italienern. Norwegen war auch noch vor uns, das war ein bisschen ärgerlich, aber Polen hatten wir zum ersten Mal seit Längerem hinter uns gelassen.

Tim Ole: Die Norweger kriegen wir auch noch.

Max: Auf jeden Fall war das Motivation fürs Trainingslager am Weißensee. Wären wir in Sabaudia wieder hinterhergegurkt, wäre es sehr, sehr schwer geworden.

Tim Ole: Das gute Ergebnis hat sich positiv auf die Arbeitsmoral ausgewirkt. Jeder ist dann offener, nach schlechten Rennen verschließt man sich doch eher. Wir haben am Weißensee sehr viel mit dem Messboot gearbeitet. Bei den Kraftkurven konnten wir noch ein paar Schwachstellen ausmachen und bearbeiten. Wenn wir ausgeruht und nicht nach einem Krafttraining in die Einheiten gegangen sind, war das Niveau immer sehr hoch.

Zwischen Euch sind sozusagen drei Olympische Goldmedaillen an Bord: Karl Schulze ist mit dem Doppelvierer 2012 und 2016 Olympiasieger geworden, Hans Gruhne schaffte das 2016. Sind beide ganz normale Ruderkameraden für Euch oder schwingt da im Umgang mit ihnen Respekt mit?

Max: Respekt auf alle Fälle, aber die beiden gehen mit uns entspannt um. Karl und Hans lassen das überhaupt nicht raushängen, was sie schon erreicht haben. Sie sitzen ja im gleichen Boot und wollen mit uns noch in Tokio Erfolg haben. Im Laufe der Zeit ist zwischen uns eine Freundschaft entstanden.

Inwieweit bringen Karl und Hans mit ihren Erfolgen - und vielleicht auch mit ihren Erzählungen von den Spielen – Motivation für Euch als Olympia-Neulinge?

Tim Ole: Wir haben einmal im Trainingslager in Lago Azul in Portugal sehr intensiv darüber gesprochen und das hat tatsächlich noch mal einen Motivationsschub gegeben. Wenn man bildlich erklärt bekommt, wie Olympia wirklich ist, dann lernt man den olympischen Gedanken anders kennen. Meine Vorfreude auf Tokio ist gerade immens hoch.


„Auf jeden Fall soll es eine Medaille werden. Mindestens Bronze, besser Silber. Und Gold will ich nicht ausschließen. Wir machen uns keinen immensen Druck, wir wollen Spaß haben bei der Sache.“

Max Appel


Seit dem Olympiasieg 2016 hat es der Doppelvierer bei keinem internationalen Großereignis mehr auf den Siegersteg geschafft. Die Erwartungshaltung der Öffentlichkeit für Tokio kann also nicht so groß sein, aber wie groß ist Eure?

Max: Auf jeden Fall soll es eine Medaille werden. Mindestens Bronze, besser Silber. Und Gold will ich nicht ausschließen. Wir machen uns keinen immensen Druck, wir wollen Spaß haben bei der Sache, und der Rest müsste eigentlich alleine kommen.

Tim Ole: Mein selbsterklärtes Ziel ist einfach, schneller als die Italiener sein.

Max: Wenn wir im Finale auf den ersten 1000 Metern mit Italien und den Niederlanden vorne sind, dann ist vieles möglich. Aber der Schuss kann natürlich auch schnell nach hinten losgehen. Holland und Italien sind derzeit überlegen, dahinter kommen knapp wir, aber auch fünf, sechs andere Boote. Da kann auch das Halbfinale ganz schnell super, super eng werden.

Max, deine Dynamik im Boot wird beispielsweise von Karl Schulze gelobt. Ist Dir die mit in die Wiege gelegt worden, oder tust Du einfach sehr viel dafür?

Max: Ein bisschen ist es mir schon in die Wiege gelegt worden…

Tim Ole: Definitiv. Im Kinderbereich hat man Dir schon angesehen, dass Du Sportler bist…

Max: Ich habe aber auch Spaß daran, Krafttraining zu machen. Meine Schnellkraft ist deshalb gut ausgebildet. Was die Ausdauer angeht, sind andere, wie Ole zum Beispiel, stärker.

Ole, Du bist einer, der sich gut quälen kann?

Tim Ole: Ja, ich kann in einem wichtigen Rennen schon über eine gewisse Grenze gehen. Aufgrund des Schmerzlevels noch mal auf ein anderes Niveau zu kommen, das gelingt mir.

Die aktuelle Besetzung des Männer-Doppelvierer im Trainingslager in Weißensee. Foto: DRV/Schurwanz

Max, Anfang 2019 musstest Du am Herzen operiert werden. Das scheint aber alles gut gegangen zu sein und gesundheitlich keine Rolle mehr zu spielen.

Max: Eigentlich ist alles gut. Als ich Anfang des Jahres nach einer Knie-OP mal gar nichts machen konnte, bekam ich nach zwei Wochen wieder Extra-Schläge. Das war aber kein Grund zur Beunruhigung. Von drei Mal Training am Tag auf Null, da reagiert ein Sportlerherz einfach. Deshalb muss man ja auch langsam abtrainieren, wenn man mit dem Leistungssport aufhört.

Für die intensive Vorbereitung auf Tokio habt Ihr private und berufliche Dinge hintenangestellt. Wie soll es nach den Spielen weiter gehen?

Tim Ole: Erst mal Urlaub! Ich beginne dann meine Grundausbildung bei der Bundeswehr und will in meinem Jura-Studium ein bisschen vorankommen. Wir haben beide vieles, was in den letzten Monaten liegen geblieben ist, und was nachgeholt werden muss. Bei Max steht danach ein Umzug an.

Max: Ich ziehe von Hamburg nach Mölln, meine Heimstadt – genau zwischen den Stützpunkten Hamburg und Ratzeburg. Langfristig suchen meine Frau und ich dort ein Grundstück. Nach Olympia  ist Durchschnaufen angesagt. Die Freunde freuen sich auch, wenn sie einen mal wieder sehen. Und dann geht es ja schon wieder in die nächste Saison, auch wenn es nach Olympia ein bisschen ruhiger wird.

Und dann geht es ja schon Richtung Olympische Spiele 2024. Ihr seid beide erst 25, für Paris seid Ihr beide noch am Start, oder?

Max: Auf jeden Fall (Tim Ole nickt).

Zu den Personen

Max Appel ist 25 Jahre alt, 1,94 m groß und 90 kg schwer, kommt aus Mölln, lebt in Hamburg und startet für den SC Magdeburg. Als Junior gewann er Weltmeister-Titel im Doppelvierer (2013) und im Doppelzweier (2014), in der U23 wurde er Weltmeister im Doppelzweier (2016). Seit 2019 rudert er im Doppelvierer. Appel ist Mechatroniker und dient als Sportsoldat.

Tim Ole Naske ist 25 Jahre alt, 1,83 m groß und 87 kg schwer, kommt aus Hamburg und startet für die Ruder-Gesellschaft Hansa. Bei Junioren-Weltmeisterschaften gewann er Titel im Doppelzweier (2013) und im Einer (2014), bei U23-Weltmeisterschaften siegte er ebenfalls im Doppelzweier (2015) und im Einer (2016). 2017 und 2018 wurde Naske deutscher Meister im Einer. Seit 2020 rudert er im Doppelvierer. Er studiert Jura in Hamburg.

Bereits erschienene Interviews: Oliver und Heino Zeidler, Frieda Hämmerling und Carlotta Nwajide, Jonathan Rommelmann und Jason Osborne, Malte Jakschik und Olaf Roggensack, Annekatrin Thiele und Leonie Menzel, Stephan Krüger und Marc Weber.