14. Dez. 2021 | Verband | von Hans Strauß

Martina Schott: Rolle der Frauen im Rudersport stärken

Martina Schott möchte sich insbesondere für die Frauen im Rudersport einsetzen.

Seit dem 65. Deutschen Rudertag im Oktober in Schweinfurt gibt es neue Gesichter im DRV-Präsidium. Dr. Martina Schott (Rudergesellschaft Speyer 1883) ist zur neuen Vorsitzenden des Fachressorts Verbandsentwicklung und Vereinsservice gewählt worden. Die selbständige Unternehmensberaterin, die an der Universität Freiburg (Schweiz) auch lehrt und forscht, trat die Nachfolge der zur stellvertretenden Vorsitzenden gewählten Katharina von Kodolitsch an. Schon vorher beriet sie das Präsidium bei der geplanten Strukturreform. Im Interview spricht Martina Schott darüber, wie sie die Rolle der Frauen im Rudersport stärken will, über ihre Erfolge in der Ausrichtung ihres Heimatvereins, der Rudergesellschaft Speyer 1883, und darüber, warum sie als Quereinsteigerin dem Rudersport verfallen ist.

Frage: Beim Rudertag hast Du die Delegierten mit Deiner engagierten Vorstellung aus einer eventuell aufkeimenden Müdigkeit gerissen. Als erstes Projekt hast Du in Schweinfurt das Thema „Gleichberechtigung von Frauen im Rudersport“ angekündigt. Wie siehst Du die aktuelle Situation für Frauen im DRV?

Martina Schott: Nicht in allen, aber in vielen Vereinen überwiegt der Anteil männlicher Mitglieder - absolut gesehen, aber auch relativ zum Beispiel in den Ehrenämtern. Grundsätzlich finde ich es erstrebenswert, mehr Menschen für unseren Sport zu begeistern und deshalb fällt mein Auge als Wirtschaftswissenschaftlerin natürlich schnell auf Bereiche, in denen wir noch Luft nach oben haben: den Frauenrudersport.

Aus Erfahrung weiß ich, dass Organisationen von gut gemischten Teams profitieren, weil mehr Perspektiven bei der Lösung von Problemen berücksichtigt und unterschiedliche Herangehensweisen entwickelt werden. Frauen sind schon jetzt eine wachsende Zielgruppe in Vereinen und deshalb macht es Sinn, diesen langsam erwachenden Trend zu stärken.

Was gilt es zu verbessern?

Seit Jahren beobachte ich, dass die Rahmenbedingungen für Frauen beim Rudern insbesondere im Breitensport noch nicht optimal sind, was wiederum Auswirkung auf die Gewinnung und Bindung von Frauen als Vereinsmitglieder hat. Ich erkläre es mir damit, dass Frauen in den ehrenamtlichen Gremien kaum vertreten sind und deshalb ihre eigenen Bedürfnisse hinsichtlich guter Trainingsbedingungen kaum Gehör finden.

Wo willst Du ansetzen?

Ich werde zunächst den Digitalen Frauen Ruder Club (DFRC) ins Leben rufen. Dort vernetzen sich in den nächsten drei Jahren Frauen aus ganz Ruderdeutschland, um sich über ihre Erfahrungen, Bedürfnisse und Bedarfe auszutauschen. Auf Basis der dort gewonnenen Erkenntnisse können Frauen in ihren eigenen Vereinen erste Veränderungen auslösen und sich Anregungen für weitere Maßnahmen holen. Außerdem werde ich mir dort Anregungen für Maßnahmen holen, die besser über den Verband auszurollen sind und diese in Projekte umwandeln.

Als erstes konkretes Projekt werde ich eine Online-Fortbildung für Frauen konzipieren, die sich dafür fit machen wollen, in Ehrenämter einzusteigen und Veränderungen in ihren eigenen Vereinen anzustoßen. Eine Online-Plattform erlaubt in diesem Zusammenhang kostengünstige Vernetzung, zeitsparende Teilnahme an Veranstaltungen und die Dokumentation des Materials, so dass es jederzeit zur Verfügung steht und genutzt und erweitert werden kann. Für dieses Projekt konnte ich schon die ersten 7500 Euro Förderung durch den DOSB akquirieren.

Selbstverständlich sind auch Männer nicht ausgeschlossen. Diejenigen, die Lust darauf haben, mehr Frauen für ihre Vereine und die Ehrenämter in ihren Vereinen zu gewinnen, werden in 2023 ebenfalls Fortbildungs- und Vernetzungsangebote sowie nützliche Materialien erhalten.

Was beinhaltet das Fachressort darüber hinaus an Bereichen? Werden auch Arbeitskreise ins Leben gerufen?

Ich habe bisher noch keine Arbeitskreise ins Leben gerufen, weil ich noch niemanden kenne. Ich gehe davon aus, dass Menschen auf mich zukommen, die Themen transportieren wollen, die den strategischen Zielen des Verbandes dienen. Dort wo es passt, werden sich dann Arbeitsgruppen und Projektgruppen bilden. Ich selbst werde zunächst das Projekt Gleichberechtigung im Frauenrudersport starten und hoffe, direkt auf den ersten Treffen des DFRC Interessierte zu finden, die mich unterstützen. Außerdem berate ich den Vorstand und das Präsidium konkret in der Strukturreform. Darauf liegt derzeit mein Fokus.

Katharina von Kodolitsch hat, als meine Vorgängerin, gemeinsam mit Paula Scholz, Vera Hemb, Hannah Schleupner, Paul Rosenberg und Andreas König eine tolle Broschüre zum Freiwilligen Engagement im Rudersport produziert. Damit diese Beachtung erfährt und die Tipps zur Anwendung kommen, plane ich in 2022 die Initiierung von „Erfolgs-Teams“. Diese treffen sich digital, beraten sich gegenseitig und werden aber auch durch uns von Verbandsseite unterstützt, um die guten Ideen, die sich in der Broschüre finden, im eigenen Verein auszurollen. Wir sind über 85 000 kluge Köpfe im DRV, diese müssen miteinander im Rahmen von konkreten Projekten ins Arbeiten kommen, zum Wohle unseres Sportes. Und auch bei dieser Gelegenheit werde ich Leute kennenlernen mit denen ich zusammenarbeiten kann.

Inwieweit prädestiniert Dich dein berufliches Tun für dieses Fachressort?

Ich berate seit 30 Jahren Unternehmen und Non-Profit Organisationen zum Thema Zukunftssicherung durch gezielte Veränderungs- und Lernprozesse. Dort gewinne ich Erkenntnisse, die ich in meine Arbeit einfließen lassen kann. Meine Stärke sind kreative Konzepte und pragmatische Projekte. Ergänzt wird diese Erfahrung durch meine Lehre und Forschung am Institut für Verbands-, Stiftungs- und Genossenschaftsmanagement (VMI) an der Universität Freiburg/Schweiz. Mir ist es wichtig, Dinge, die ich in der Praxis beobachte durch gute Analyse zu ergänzen und dort wo es Sinn macht in die Entwicklung von Modellen zu gehen, die vielen Organisationen nützlich sind. Gerade bei der laufenden Strukturreform helfen mir die Netzwerke, die ich über den Lehrstuhl habe, ungemein.

Gleichzeitig hast Du Rudern zu einem Seminarangebot in deiner Arbeit gemacht. Mit Kirchbooten – großen Ruderbooten, die mit zehn Ruderern besetzt werden können und ursprünglich aus Finnland stammen.

Ja, in Speyer haben wir bei meinem Verein, der Rudergesellschaft 1883, mit großem Erfolg eine Kirchboot-Regatta ins Leben gerufen. Weil Vereine ja immer auf der Suche nach Einnahmen sind, bin ich auf die Idee gekommen, Unternehmenskonzepte für Teamentwicklung in den Kirchbooten zu erarbeiten. Zum Beispiel, wenn neue Teams gebildet werden sollen oder wenn Teams in der Krise stecken, lassen sich beim gemeinsamen Rudern Erfahrungen und Erkenntnisse sammeln. Da wir auch einen schönen Seminarraum im Bootshaus haben, kann der Verein den gesamten Rahmen zur Verfügung stellen. Ein weiterer schöner Effekt: Aus den Teamseminaren sind sogar Teilnehmer in den Verein eingetreten oder haben Betriebssportgruppen gegründet, die dann im Verein rudern.

Bei Deinem Verein, dessen Vorstand Du angehörst, hast Du in wenigen Jahren viele Ideen umgesetzt. Auch hier ging es u. a. um Gendermanagement. Was ist im Einzelnen passiert und wie gelang es, die Mitglieder mitzunehmen?

Für die Rudergesellschaft Speyer 1883 habe ich allein in den letzten vier Jahren neun Preise und Wettbewerbe für impulsgebende Projekte gewonnen, die rund 50 000 Euro Mittel und Inspiration in den Verein gebracht haben. In erster Linie ging es darum, den Verein zukunftsfähig zu halten, sprich den systematischen Aufbau des Jugendsports, aber auch die Neuorganisation der Ausbildung von erwachsenen Quereinsteiger:innen, um diese zu gewinnen und zu binden.

Hinzu kommen eine Vielzahl von kleinen und großen Aktionen, um den Verein noch bekannter zu machen, Geldmittel einzuwerben und so die Beiträge stabil zu halten. Alles was ich für die RGS tue, dient dazu, den Verein modern zu machen und optimale Bedingungen zur Ausübung unseres Sports zu schaffen. Dazu bedarf es Sichtbarkeit, Qualität in allen wichtigen Prozessen, Modernität in der Trainingsorganisation, aber auch bei verwaltungstechnischen Prozessen, spürbaren Spaß und Innovation.

Für unser Mädchenprojekt haben wir den Landessieg im Breitensportwettbewerb „Sterne des Sports“ gewonnen und konnten im Bundesfinale bis auf Platz 4 vorrücken. Wenn man bedenkt, dass sich im Schnitt 1200 Vereine bei diesem Wettbewerb messen, kann sich das sehen lassen. Unser Mädchenteam wächst und erstmals seit 30 Jahren konnte ein reiner RGS-Mädchenvierer an den Start gehen.

Unser Gendermanagement, für das wir mit dem DRV Vereinspreis geehrt wurden, läuft wie geplant weiter. Unser Frauenanteil steigt, Frauen sind in allen Gremien vertreten und wir sind inzwischen fast paritätisch besetzt. Unser Bootspark verfügt zunehmend über leichte Boote, über Bootswagen und über die Ausstattung aller Boote mit Clips zum schnellen Umriggern.

Was haben wir getan? Ein Konzept entwickelt, Teilziele abgeleitet und diese Schritt für Schritt ohne Druck umgesetzt. Vom Kleinen zum Großen. Evolution statt Revolution. Sobald die Vereinskamerad:innen merken, dass das Neue keine Einschränkung bedeutet aber viele Vorteile bringt, läuft es von allein.

Du bist selbst eine Quereinsteigerin. Wie bist Du zum Rudern gekommen, was fasziniert Dich an diesem Sport und wie bist Du selbst dort aktiv?

Als wir 2006 nach Speyer gezogen sind, hat uns unser Nachbar angesprochen, ob wir schwimmen könnten und ob wir schon in einem Sportverein seien? Da mein Mann und ich nach einem Sport suchten, den wir gemeinsam praktizieren können und wir beide wasseraffin sind, war die Entscheidung, es mit dem Rudern zu versuchen, schnell gefällt.

Ich finde es faszinierend, dass man permanent weiterlernen kann. Der Sport bietet so viele Facetten und ist so anspruchsvoll, dass man nicht genug bekommen kann. Auch der Umstand, dass man sich draußen bewegt, keine Verletzungsgefahr besteht und man die Wahl hat, als Einerfahrer:in oder in einer Mannschaft unterwegs zu sein, tut gut. Bei meinen Arbeitszeiten bin ich darauf angewiesen, meinen Sport zu unterschiedlichsten Zeiten zu praktizieren, ein reiner Mannschaftssport wäre ausgeschieden. Ich bin zwar rund 100 Tage im Jahr beruflich unterwegs, aber wenn ich in Speyer bin, dann steige ich mittlerweile drei Mal in der Woche ins Boot. Ich trainiere für Langstreckenregatten im Breitensport wie den Rheinmarathon, aber auch die Breitensportregatten in Würzburg, Limburg und Mainz machen richtig Spaß und befeuern den Wunsch, immer besser zu werden.

Deshalb freut es mich, dass wir bei der RGS endlich auch Trainer für die erwachsenen Quereinsteiger:innen haben, die uns ernst nehmen und fordern. Wir sind wild entschlossen, einen Mixed-Achter für Speyer aufs Wasser zu bringen.

Der DRV hat jetzt zum ersten Mal eine Frau als leitenden Bundestrainer. Ein gutes Signal?

Wenn ich irgendwann lese, dass es sich dabei um eine Bundestrainerin handelt, dann ist es perfekt. Nein, Spaß beiseite. Im Spitzensport geht es nicht um Quoten, sondern um Kompetenz. Der Mensch, der unsere Athlet:innen in der jeweiligen Situation am besten unterstützt, ist richtig. Unabhängig vom Geschlecht.

Bisher erschienene Interviews: Tobias Weysters, Katharina von Kodolitsch, Torsten Gorski, Axel Eimers, Lars Koltermann