18. Mai 2021 | Nationalmannschaft | von Hans Strauß

Luzern – Rückblick auf eine besondere Qualifikations-Regatta

Freude pur bei Leonie Menzel und Annekatrin Thiele - das Olympiaticket ist sicher. Foto: DRV/schurwanzpics

Am Schweizer Rotsee war dieses Mal alles etwas anders. Zuschauer waren wegen der strengen Hygienebestimmungen nicht zugelassen, niedrige Temperaturen und viel Regen kühlten die Stimmung bei der finalen Qualifikation für die Ruderwettbewerbe der Olympischen Spiele in Tokio zusätzlich herunter. Weil auf dem sonst für seine Windgeschütztheit gerühmten „See der Götter“, der nur 20 Gehminuten oberhalb der pittoresken Luzerner Altstadt in einem tief eingeschnittenen Tal liegt, für die Finals Sturmböen und irreguläre Verhältnisse drohten, musste die Regatta sogar um einen Tag verkürzt werden. Wer sich im Halbfinale behauptet hatte, wie die beiden Hamburger Friedrich Dunkel und Marc Kammann, musste deshalb mit nicht einmal zweieinhalb Stunden Pause bis zum Finale klarkommen.

Die Sonne ließ sich nicht blicken, aber wenigstens einmal ging sie aus Sicht des Deutschen Ruderverbandes (DRV) doch auf: Im Gesicht von Annekatrin Thiele nämlich. Die 36-Jährige vom SC DHfK Leipzig e.V. schaffte im Doppelzweier der Frauen zusammen mit der 15 Jahre jüngeren Leonie Menzel (Ruderclub Germania Düsseldorf 1904 e.V.) den zweiten Platz hinter Russland, der für die Beiden zur Olympia-Qualifikation führte. Thieles unbändiges Strahlen war nach dem Finale selbst durch ihre Gesichtsmaske zu erahnen. Ihr großes persönliches Ziel, die vierte Olympia-Teilnahme zu sichern, war erreicht. „Dass ich das nochmal erleben darf nach meiner langen Karriere, ist einfach total geil“, sagte sie. Thieles Partnerin Leonie Menzel hatte ebenfalls Grund zum Strahlen, denn am Mittwoch feiert sie ihren 22. Geburtstag – am Sonntag dann mit ihrer ersten Olympiateilnahme das verfrühte Geburtstagsgeschenk.

Thieles große Erfahrung führte zur richtigen Taktik: „Wir sind mutig losgefahren. Wenn Du dran bist, ist es einfacher, als hinterherzufahren.“ DRV-Sportdirektor Mario Woldt bescheinigte den beiden Schützlingen von Trainer Thomas Affeldt „das beste Rennen seit langem, genau auf den Punkt“. Von ihren drei bisherigen Olympia-Teilnahmen ist Polizeihauptmeisterin Thiele immer mit einer Medaille nach Hause gekommen. 2016 gewann sie Gold im Doppelvierer, 2008 (Doppelzweier) und 2012 (Doppelvierer) jeweils Silber. Ob es im Juli in Tokio im 13er-Feld erneut zu Edelmetall reichen kann, bleibt abzuwarten. „Wir haben auf jeden Fall noch Arbeit vor uns“, weiß Annekatrin Thiele. Ist nach Tokio Schluss für sie? „Bei Olympischen Spielen ja. Bis Paris 2024 mache ich nicht noch mal weiter.“

Dass der Doppelzweier sich als einziges von acht gestarteten DRV-Booten ein Zusatzticket für Tokio sicherte, sorgte für Enttäuschung - bei den Athlet*innen und den Verantwortlichen wie dem leitenden Bundestrainer Ralf Holtmeyer (lesen Sie hier), und auch in den Medien. Auch die 40-jährige Marie-Louise Dräger (Schweriner Rudergesellschaft von 1874/75 e.V.) wäre wie Thiele gerne zum vierten Mal zu Olympischen Spielen gefahren, aber im Leichtgewichts-Zweier der Frauen war für sie zusammen mit Kathrin Volk (Ulmer Ruder-Club 'Donau' e.V.) als Viertplatzierte im Halbfinale Endstation. Ihr 20. Start auf dem Rotsee brachte Dräger kein Happy End.

Sportdirektor Mario Woldt neigte zu einer differenzierten Beurteilung des Abschneidens in einer Regatta mit hoher Qualität. „Wir hatten die Hoffnung, zwei oder drei Boote durchzubringen. Mit dem Doppelzweier der Frauen hat sich eine der Hoffnungen bestätigt. Wir sind zum Beispiel enttäuscht, dass es der Frauen-Einer und der Frauen-Achter nicht geschafft haben, aber zufrieden, wie sie in ihren Rennen aufgetreten sind.“ Die guten Leistungen könnten das erst 19-jährige Einer-Talent Alexandra Föster (Ruderclub Meschede e.V.), die im Finale dem Trainingsrückstand aufgrund einer Erkrankung Tribut zollen musste und als Letzte einkam, und die im Finale drittplatzierte Achter-Crew mit in die Zukunft nehmen. Auch der kurzfristig nominierte Männer-Zweier könne, so Woldt, nach seinem ersten internationalen Auftritt mit „einem guten Gefühl“ in die nächsten Aufgaben gehen. Friedrich Dunkel (Alster-Ruderverein Hanseat von 1925 e.V.) und Marc Kamann (Der Hamburger und Germania Ruder Club e.V.) hatten im Finale den fünften Platz belegt.

Der Männer-Vierer mit Wolf-Niclas Schröder, Felix Wimberger, Maximilian Planer und Paul Gebauer (Ruder-Union Arkona Berlin 1879 e.V./ Passauer Ruderverein von 1874 e.V./Bernburger Ruderclub e.V./ Potsdamer Ruder-Club Germania e.V.) konnte die schon bei der Europameisterschaft aufgetretenen Probleme hingegen nicht abstellen. So war im Halbfinale mit Rang drei Schluss.

Für die Olympischen Spiele 2012 in London war der DRV noch mit 14 Booten in allen Klassen qualifiziert. 2016 in Rio waren zehn deutsche Boote am Start, 2021 in Tokio werden es nur noch sieben Boote sein. „Das ist wenig, zweifelsohne. Aber das heißt nicht automatisch, dass wir schlechter geworden sind. Andere Nationen haben aufgeholt“, meint Mario Woldt. Für Tokio sieht er keineswegs schwarz „Vier unserer sieben Boote gehen aus heutiger Sicht mit Medaillenchancen an den Start“, sagt der Sportdirektor. Die sechs bereits bei der WM 2019 qualifizierten Tokio-Fahrer (Doppelvierer bei den Frauen; Einer, Leichtgewichts-Doppelzweier, Doppelzweier, Doppelvierer und Achter bei den Männern) gehen nun am von Freitag bis Sonntag bei der als Weltcup II gewerteten, eigentlichen Luzerner Regatta an den Start und wollen ihre Form testen.

Am Rotsee ist also Schichtwechsel. Und fürs Wochenende könnte es mehr Sonnenschein geben. Vom Himmel und in den Gesichtern der DRV-Athleten.

Events

Boote

Vorlauf 1 7:53.93 2 . Platz
Finale A 8:30.32 6 . Platz

Vorlauf 1 7:46.37 4 . Platz
Hoffnungslauf 1 7:34.33 6 . Platz

Vorlauf 3 6:43.65 2 . Platz
Halbfinale A/B 1 6:52.77 3 . Platz
Finale A 6:54.71 5 . Platz

Vorrennen/Bahnverteilungsrennen 7:04.13 3 . Platz
Finale A 7:05.46 2 . Platz

Vorlauf 2 7:19.82 4 . Platz
Hoffnungslauf 1 7:15.77 2 . Platz
Halbfinale A/B 2 7:31.73 4 . Platz

Vorlauf 1 7:02.84 4 . Platz
Hoffnungslauf 1 6:53.82 5 . Platz

Vorlauf 3 6:17.64 3 . Platz
Halbfinale A/B 2 6:13.83 4 . Platz

Vorrennen/Bahnverteilungsrennen 6:23.29 4 . Platz
Finale A 6:22.52 3 . Platz

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